Zwischen altem Glanz und einer ungewissen Zukunft
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Auf der Höhe der Zeit bleiben: Bei Harrod’s in London, einem der bekanntesten Luxuskaufhäuser der Welt, läuft derzeit ein 200 Mio. Pfund teures Renovierungsprogramm.
LUXURY BRANDS&RETAIL britta biron 14.06.2024

Zwischen altem Glanz und einer ungewissen Zukunft

Hat das Kaufhaus seine besten Zeiten hinter sich oder auch wieder gute vor sich? Ein Status quo zur Einordnung.

Paris/London/New York/Wien. Mit dem 1983 erschienenen Roman „Das Paradies der Damen” (Original-Titel: Au Bonheur des Dames) setzte Émile Zola dem Nobelkaufhaus ein literarisches Denkmal, inklusive detaillierter Beschreibung verschiedener Käufertypen, der Arbeitswelt der Verkäuferinnen, der Geschäftspraktiken des Inhabers, der wirtschaftlichen Probleme der umliegenden Einzelhändler – und Kritik an einer Gesellschaft, die sich mit raffinierten Werbetechniken nur allzu leicht zum (sinnlosen) Konsum verführen lässt.

Als Vorlage für seinen fiktiven Konsumtempel dienten Zola zwei bekannte Pariser Kaufhäuser jener Zeit: das 1852 eröffnete Au Bon Marché und die Grands Magasins du Louvre, die drei Jahre später aufsperrten. Als der Roman erschien, florierten bereits drei weitere – Le Bazar de l’Hôtel de Ville (1856), Printemps (1865) und La Samaritaine (1870) – und 1893 schließlich legten Théophile Bader und Alphonse Kahn mit einem kleinen Wäschegeschäft den Grundstock für einen der größten Pariser ­Konsumtempel, die Galeries ­Lafayette.

Große Vergangenheit

Mit Harvey Nichols und Harrod’s hatte die Ära der großen Kauf- und Warenhäuser in London bereits in den 1830er-Jahren begonnen, bis in die 1920er-Jahre hatte sich das Konzept Kauf- bzw. Warenhaus dann auch in anderen Metropolen – von New York über Amsterdam, Hamburg, Dresden, Wien und Berlin bis Mailand, Budapest und Moskau – etabliert
Seit Kurzem läuft in Paris eine große Ausstellung, die sich dem Kaufhaus und seiner Geschichte von den Anfängen bis heute widmet. Der erste Teil – „La naissance des grands magasins. Mode, design, jouets, publicité, 1852–1925” – ist noch bis 13. Oktober 2024 im Musée des Arts Décoratifs zu sehen und beleuchtet den Aufstieg dieser Geschäfte im historischen, politischen und sozialen Kontext – bis zu ihrem großen Auftritt bei der Weltausstellung des Kunstgewerbes und des Industriedesigns 1925 in Paris. Anhand von rund 700 Exponaten beleuchtet Amélie Gastaut, Chefkuratorin und verantwortlich für die Werbe- und Grafikdesign-Sammlungen im Musée des Arts Décoratifs, die Faktoren des Erfolgs der modernen Konsum-Tempel. Thematisiert werden die Emanzipation des Bürgertums, Stadtentwicklung, Ausbau der Eisenbahnnetze und Aufkommen des Städtetourismus, industrielle Revolution und Beginn der Massenproduktion und Einkaufen als neue Freizeitbeschäftigung neben Theater, Ball, Café und Konzert. Die Ausstellung gliedert sich in insgesamt neun Bereiche, vom Kaufhaus als Arbeitsplatz über die Demokratisierung der Mode, die Erfindung des Ausverkaufs und des Versandhandels bis zur Entdeckung der Kinder als eigene, gewinnträchtige Zielgruppe.
Auch die Geschichte der Ateliers wird erzählt – Abteilungen, in denen Sonderserien und limitierte Auflagen von Geschirr, Vasen und Dekoartikeln bis hin zu Möbeln produziert wurden. Die Entwürfe dazu stammen sowohl von hauseigenen Designern als auch externen Partnern. Printemps war mit dem Atelier Primavera 1912 Vorreiter dieses Konzepts und arbeitete unter anderem mit der Porzellanmanufaktur Limoges zusammen.

Reif für das Museum?

Die zweite Ausstellung wird von 16. Oktober 2024 bis 16. März 2025 in der Cité de l’Architecture et du Patrimoine gezeigt und befasst sich mit der europäischen Geschichte der Kaufhäuser von Mitte des 19. Jahrhunderts bis in die Gegenwart. Der Schwerpunkt liegt natürlich auf der Architektur und Raumgestaltung der Mega-Stores – nicht nur, wie diese das Stadtbild geprägt haben, sondern auch, welche Rolle die markanten Fassaden, prachtvollen Innenräume und aufwendigen Wareninszenierungen für das Einkaufserlebnis spielen.
Diese große Retrospektive allein wäre vermutlich schon ein guter Grund für die Frage nach der Zukunft des Kaufhauses gewesen. Tatsächlich steht diese aber schon seit längerer Zeit im Raum, und oft lautet die Antwort: Das Kaufhaus ist ein Auslaufmodell und passt im 21. Jahrhundert nur noch ins Museum. Doch die Sache ist – wie in vielen Fällen – etwas komplizierter.

Turbulente Phasen

Schon in der ersten Blütephase waren nicht alle Kaufhäuser erfolgreich, danach brachten zwei Weltkriege und die Weltwirtschaftskrise andere Player in Turbulenzen oder ließen sie in die Pleite schlittern. Auch in den folgenden Jahrzehnten war die Lage nicht immer für alle rosig. Neben Missmanagement bereiteten weitere Wirtschaftskrisen und die wachsende Konkurrenz durch Shopping Malls und Fachmärkte, mondäne Flagship-Stores und den Onlinehandel zum Teil massive Probleme.
Laut Global Data ist der Umsatzanteil der Kauf- und Warenhäuser in den USA zwischen 1993 und 2023 von gut 14% auf nur noch 2,6% gesunken. Das Analyseunternehmen Coresight Research rechnet, dass der Gesamtumsatz von 103 Mrd. USD im Jahr 2018 auf nur noch 81 Mrd. USD im Jahr 2026 fallen wird.
In Turbulenzen geraten ist etwa der Konzern hinter den beiden legendären New Yorker Kaufhäusern Macy’s und Bloomingdales. Im Vorjahr wurde (erneut) ein Umsatz- und Gewinnrückgang verzeichnet. Jetzt will CEO Tony Spring das Unternehmen mit einer großangelegten Umstrukturierung zurück auf Erfolgskurs bringen. Der Dreijahresplan unter dem Motto „A Bold New Chapter” sieht die Schließung von 150 unrentablen Standorten (rund 30% des Filialnetzes) und die Konzentration auf die 50 Top-Häuser, den Ausbau des Luxus- und Beauty-Sektors und die Verbesserung der Customer Experience in den Geschäften und online vor.
Kleine Erfolge zeigen sich bereits. Im ersten Quartal konnten die Top 50-Filialen ihre Umsätze um 3,3% steigern. „Obwohl wir noch am Anfang stehen, gewinnen unsere Investitionen an Zugkraft und bestärken uns in der Überzeugung, dass Macy’s, Inc. längerfristig zu nachhaltigem, profitablem Wachstum zurückkehren kann”, freut sich Spring, der den Übernahmeplänen von Arkhouse und Brigade Capital Management weiterhin ablehnend gegenübersteht.

Viele Herausforderungen

Differenzierter läuft die Entwicklung der Kaufhäuser in Großbritannien. Debenhams, einst ein Gigant mit mehr als 150 Stores in 26 Ländern, ist 2021 endgültig vom Markt verschwunden, House of Fraser hat sein Filialnetz in den letzten Jahren von 59 auf 29 halbiert.
Harrod’s, wo seit drei Jahren ein 200 Mio. Pfund teures Renovierungsprogramm läuft, sowie Liberty, Selfridges oder Harvey Nichols gehören zu den britischen Kaufhaus-Ikonen, die sich bisher mit Hilfe finanzkräftiger Investoren über Wasser gehalten haben, derzeit aber noch an den Nachwehen von Brexit und Corona laborieren.
Dagegen florieren kleine Familienbetriebe in der Provinz, wie etwa Barkers Northallerton, Bradbeers, Sandersons oder Jarrolds. Sie haben agiler auf Marktänderungen reagiert und treffen mit originellen Konzepten und individuellen Angeboten den Geschmack der Kundschaft. Wie eine Studie der Local Data Company (LDC) zeigt, ist die Zahl dieser kleinen, unabhängigen Player zwischen 2014 und heuer von 122 auf 139 gestiegen.

Krise in Deutschland …

Recht düster sieht es in Deutschland aus – einst eine Hochburg der Konsumtempel – wie die im März präsentierten Zahlen des Statistischen Bundesamts zeigen: Zwischen 2003 und 2023 verzeichneten die Kauf- und Warenhäuser real (preisbereinigt) ein Umsatzminus von 34,8%, während der stationäre Einzelhandel insgesamt um 11,3% zulegen und der Onlinehandel sogar ein Plus von knapp über 170% einfahren konnte. Der Marktanteil der Kauf- und Warenhäuser am deutschen Einzelhandel sank von rund 15% in den 1960er-Jahren auf derzeit unter zwei Prozent. Dass die Galeries Lafayette ihre deutsche Niederlassung Ende 2024 auflassen, liegt aber weniger am holprigen Geschäft, sondern daran, dass der Vermieter den Vertrag nicht verlängert hat.

… durch die Signa-Pleite

Eine wesentliche Rolle für die weitere Entwicklung in Deutschland wird spielen, ob und welche Lösungen für die Kauf- und Warenhäuser der insolventen Signa-Gruppe gefunden werden.
Ende Mai hatten die Gläubiger von Galeria Karstadt Kaufhof dem Sanierungsplan der neuen Eigentümer, der die Schließung von 16 der insgesamt 82 Standorte vorsieht, zugestimmt. Die thailändische Central Group hatte Mitte April die Übernahme der KaDeWe-Immobilie in Berlin bekannt gegeben. Ob der Konzern aber (wie bei Selfridges) auch das Retailgeschäft der KaDeWe-Group, zu dem neben dem Berliner Luxuskaufhaus das Alsterhaus in Hamburg und das Oberpollinger in München gehören, übernehmen wird, war bis Redaktionsschluss noch offen.
Ebenfalls in Schwebe ist die Zukunft der beiden österreichischen Signa-Projekte, des Kaufhaus Tyrol in Innsbruck und des Lamarr in Wien, das ab 2025 zahlungskräftige Luxus-Shopper hätte locken sollen, dessen Rohbau derzeit aber höchstens als Halterung für Mega-Plakate taugt.

Wiener Ikone

Bis auf weiteres bleibt in Wien der Steffl das einzige Edelkaufhaus. In seiner bis 1895 zurück reichenden Geschichte gab es etliche Hochs und Tiefs, die Namensgleichheit mit dem Stephansdom wenige Schritte weiter existiert seit 1961. Auf himmlischen Beistand verlässt sich die Führungsriege aber natürlich nicht.
Ja, das Umfeld sei herausfordernd, und nicht alle Kaufhäuser werden diese Phase überleben, „aber nicht das Kaufhaus insgesamt stirbt, sondern das Kaufhaus, das den modernen Weg nicht mitgeht”, ist Thomas Hahn, seit März Geschäftsführer des Handelsbereichs und Retailexperte mit 25 Jahren Erfahrung, überzeugt.
Dabei basieren die Konzepte für das 21. Jahrhundert im Grunde auf denselben Säulen wie in der Vergangenheit: Neben der zentralen Lage und einer uniquen Architektur sind das ein attraktives Sortiment sowie besondere Services und Entertainment.

Frische Ideen

In all diesen Bereichen sei der Steffl zwar schon gut aufgestellt, aber Pläne und Ideen für Optimierung gebe es schon etliche.
So wird der Steffl ein optisches Upgrade bekommen – eine neue Fassade mit Fotomotiv und Wow-Effekt, die Eindruck bei Einheimischen und Touristen machen soll.„Auch der Eingangsbereich wird neu gestaltet. Statt typischer Security möchte ich Empfangspersonal und eine freundliche Atmosphäre, die den weltoffenen Charakter des Steffl widerspiegelt. Der Steffl steht allen offen – unabhängig von Alter, Geschlecht, Nationalität oder Gesinnung”, erklärt Hahn. „Unsere Gäste sollen freundlich begrüßt und nicht skeptisch taxiert werden. Dafür muss man das Thema Security neu denken, denn Ladendiebe gibt es natürlich, aber deren Zahl ist sehr klein.”

Tradition & Trend

Neben dem Refit von Fassade und Eingangsbereich stehen im Erdgeschoß, das im Moment noch ein wenig provisorisch wirkt, zwei weitere Änderungen am Plan für die kommenden zwölf Monate: Die Beauty- und Kosmetik-Abteilung wird komplett neu konzipiert, außerdem wird die Brillenabteilung, die hervorragend laufe, noch einen ansprechenden architektonischen Rahmen bekommen.
Ganz oben auf der To-do-Liste stehen auch Maßnahmen im Bereich Werbung und Marketing. Es reiche ja nicht, das Kaufhaus immer wieder neu zu erfinden, man müsse die Kunden auch regelmäßig über das Angebot auf dem Laufenden halten. Die Website wurde bereits neu aufgesetzt, jetzt gilt es, die Präsenz in den Sozialen Medien auszubauen.
Im Fokus der Kommunikation steht vor allem das einheimische Publikum. Zwar habe der Steffl hier einen hohen Bekanntheitsgrad, die Mehrheit der Kunden – rund zwei Drittel – sind aber Touristen. Den Einheimischen, die oft noch ein veraltetes Bild vom Steffl im Kopf haben, soll wieder mehr Lust gemacht werden, ihn neu zu entdecken.
Das Sortiment bietet für alle etwas – Kleidung und Accessoires von Kopf bis Fuß, für Damen, Herren und Kinder und die verschiedensten Anlässe. Wichtig sei ein guter Mix von internationalen Topmarken bis zu kleinen Nischen- und Designerbrands. „Unsere Einkäufer sind immer auf der Suche nach interessanten Neuheiten. Und sie schaffen es immer wieder, welche zu finden, die unsere Kunden trotz der großen Informiertheit noch nicht kennen. Es ist wichtig den Kunden etwas bieten zu können, das andere Geschäfte nicht haben”, erklärt Hahn. „Man muss sich vom Mitbewerb abheben.”
Dass so manche Marke aus dem Steffl-Sortiment in der City einen Monobrand-Store betreibt – Boss etwa gleich vis-à-vis – sieht er entspannt. Kaufhaus und Marken-Flagship sprechen nicht dasselbe Publikum an. Nur ein kleiner Teil der Luxus-Shopper sei auf eine Marke fixiert, der Rest recht flexibel. Sie wollen eine trendige Tasche, edle Schuhe, ein besonderes Partydress oder ein sportliches Sakko. Von welcher Marke, das spielt keine Rolle – Hauptsache, das Stück passt und gefällt. „Und diese Gruppe ist im Kaufhaus sehr gut aufgehoben, weil wir da ein großes Portfolio anbieten.” Das betreffe auch Hobby- und Freizeitsportler. Hahn: „Unser Sport Concept Store ist die einzige Adresse im 1. Bezirk mit einem umfassenden Angebot an Mode, Schuhen, Zubehör und technischen Gadgets für unterschiedlichste Sportarten – von Running und Tennis über Klettern, Biken und Yoga bis Golf. Wir haben ein Laufanalysegerät, wir bespannen Tennisschläger und bieten eine sehr kompetente Beratung.”

Spezieller USP

Zwar sei die Gesellschaft mobiler geworden, im Alltag würden sich die Menschen aber doch hauptsächlich in ihrem eigenen Grätzel aufhalten, und eine Form von Luxus sei eben auch, möglichst alles ums Eck zu bekommen: Am Weg ins Büro die Hose zum Kürzen, das Sakko zum Reinigen und den Tennisschläger zum Bespannen in den Steffl zu bringen und nach Feierabend beim Abholen noch ein paar Einkäufe zu erledigen – dann hat man mehr Zeit für Partner, Familie und Freunde.
Resale-Aktivitäten, die in anderen Kaufhäusern bereits eingeführt wurden bzw. geplant sind, stehen derzeit noch nicht auf der Agenda. Grundsätzlich hält Hahn das aber für überlegenswert, auch wenn solche Projekte aufwendig sind: „Man muss die Infrastruktur dafür aufbauen und die Frage der Echtheitsprüfung klären – es sind ja viele Fake-Produkte im Umlauf. Aber für unsere Club-Mitglieder und Produkte, die bei uns gekauft wurden, wäre das machbar.”
Eine klare Absage erteilt der Steffl-Geschäftsführer aber dem e-Commerce. Abgesehen von Gutscheinen und einem kleinen Sortiment an Geschenk- und Lifestyleartikeln bleibt das Wiener Traditionskaufhaus analog: „Die Stärke des Kaufhauses ist die Verbindung eines umfangreichen, attraktiven Sortiments mit besonderem – in unserem Fall – Wiener Flair und Unterhaltung. Die Größe und der Sortimentsumfang eines Baumarkts, das Ambiente einer Boutique, gepaart mit Disney Land und Red Carpet-Feeling … das geht digital nicht.”
Online-Shopping sei praktisch bei nicht erklärungsbedürftigen Produkten und Artikeln des täglichen Bedarfs. „Lebensmittel oder Medikamente einzukaufen macht keinen Spaß. Ein Kaufhaus hat aber weniger Produkte, die man braucht, sondern eher solche, die man möchte – das ist ein Riesenunterschied.”
Die digitale Welt sieht Hahn als erweitertes Schaufenster, das Kunden inspirieren und zu einem Besuch im Geschäft animieren soll. „Modern konzipiert hat das Kaufhaus sicher eine Zukunft.”

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