Leitartikel ••• Von Sabine Bretschneider
ZWEIDEUTIG. „Die Quantenphysik hat recht”, betitelt sich die gestrige Aussendung der TU Wien. Ein alter „Schönheitsfehler” des berühmten Doppelspaltexperiments, so heißt es, konnte an der TU Wien in Kooperation mit der Hiroshima University nun korrigiert werden: „Ein einzelnes Neutron bewegt sich in eindeutig quantifizierbaren Anteilen auf zwei Wegen gleichzeitig.” Falls Sie Ihr Schulwissen noch abrufen können: Das Doppelspaltexperiment ist ein Experiment zur Quantenmechanik. Licht besteht aus winzigen „Quanten”, den Photonen; manchmal – und gleichzeitig – verhält es sich aber auch wie eine Welle. Und nicht nur (masseloses) Licht: Feuert man ein Elektron, ein Materieteilchen, auf eine Platte mit zwei Schlitzen, schwappt es ebenfalls gleichzeitig durch beide durch.
Das verblüffende Ergebnis wurde bis dato durch statistische Untersuchung erzielt – viele Teilchen, viele Durchgänge … Die Wissenschaftler in Wien und Hiroshima schaffen das jetzt mit einem einzelnen Teilchen. Quasi ein Quantensprung in der Forschung, um den Begriff so missbräuchlich wie üblich zu verwenden.
Warum der Ausflug in den Welle-Teilchen-Dualismus? Erstens, weil es belegt, zu welcher Exzellenz österreichische Wissenschaftler immer wieder fähig sind – und weil Forschung die alleinige Grundlage für funktionierende Innovation ist. Und zweitens, weil sozioökonomische und politische Dualismen sich in letzter Zeit dermaßen aufdrängen. Man denke etwa an die laufenden Debatten zu Besteuerung und Ukraine-Konflikt. Dass jede, noch so radikale, Position durch beide Schlitze passt – und was diametral anders zu sein scheint, in Wahrheit kein Gegensatz ist, diese Überlegung ist ein Orchideengedanke. Aber ein hübscher.
Die Österreichische Akademie der Wissenschaften hat eben einen neuen Campus bekommen – das Viertel rund um die Alte Wiener Universität wurde großzügig saniert. Ein „pulsierendes Wissenszentrum für die Grundlagenforschung” (ÖAW-Präsident Anton Zeilinger) soll es werden. Möge es gelingen.