WIEN. Bereits im Februar lud die IAA im Rahmen eines Privatissimums zum ersten Vortrag des langjährigen Pitch-Beraters Martin Weinand. Die Nachfrage nach seiner Expertise war sehr groß, und so kam es diese Woche zu einer Neuauflage mit spannenden Insights, bei denen Weinand unter dem Motto “Es geht nicht darum, was im Pitch-Briefing drin steht, sondern darum was im Pitch Briefing NICHT drin steht und dennoch entscheidungsrelevant ist.“ einen weiten Bogen, von formalen Herausforderungen bis hin zu emotionalen und zwischenmenschlichen Dynamiken im Pitch-Prozess, spannte. Zu Gast waren die Teilnehmer dieses Mal in den inspirierenden Räumlichkeiten der Galerie Ernst Hilger.
Kunden & Agenturen leben aneinander vorbei
Gleich zum Einstieg wurde betont, dass sowohl Kunden als auch Agenturen oft mit unrealistischen Erwartungen an Pitches herangehen. Dieses sogenannte „Black-Box-Syndrom“ beschreibt die Situation, in der sich beide Seiten eine Idealvorstellung vom Gegenüber machen – die allerdings selten mit der Realität übereinstimmt. Der Auftraggeber wünscht sich eine für ihn exklusiv und rund-um-die-Uhr verfügbare, günstige Agentur, während diese sich viele zahlungsfreudige, verständnisvolle Kunden wünscht. Das Hauptproblem: Man spricht aneinander vorbei. Kunden wissen oft gar nicht, was Agenturen wirklich zu leisten im Stande sind bzw. was ihnen wichtig ist. Dabei suchen sie eigentlich weniger eine Kampagne, als vielmehr ein Team, dem sie langfristig vertrauen können. Menschliche Aspekte wie Empathie, konstante Beratung und proaktive Zusammenarbeit wurden als häufige Kritikpunkte an bestehenden Agenturen genannt – und gleichzeitig als entscheidende Kriterien für eine gute Beziehung hervorgehoben.
Fast jeder Pitch unter Schiebungsverdacht
Ein weiteres heißes Eisen war das Thema der „Fake Pitches“. Immer wieder kommt es vor, dass Ausschreibungen pro forma stattfinden, obwohl intern bereits eine Entscheidung getroffen wurde – ein Missstand, der das Vertrauen der Agenturen nachhaltig erschüttert. Die Stimmung in der Branche sei angespannt, viele Agenturchefs äußerten offen ihren Frust über intransparente Prozesse. Besonders schädlich seien jene Schein-Ausschreibungen, die aus rein formalen Gründen durchgeführt werden, etwa weil ein Unternehmen dazu verpflichtet ist. Dies führe nicht nur zu Zeitverschwendung, sondern untergrabe auch die Glaubwürdigkeit des gesamten Systems.
Hier ergänzt IAA Executive Director Gabriela Stimpfl-Abele, „Die IAA bietet Auftraggebern die Möglichkeit ihre Pitches vor Veröffentlichung durch eine unabhängige Expertenjury prüfen zu lassen und bei Erfüllung der Kriterien mit dem Charta Qualitätssiegel als eine, den IAA Empfehlungen konforme Ausschreibung, zu kennzeichnen.“
Kreativität ist nicht messbar
Kritisch wurde auch die Rolle des Procurements beleuchtet. Aus Sicht Weinands sei es fatal, Einkäufer über den kreativen Wert von Agenturleistungen entscheiden zu lassen, da Kreativität nicht quantifizierbar sei. Der Fokus auf Kosten führe häufig zu grotesken Preisunterschieden – mit Mischstundensätzen, die von 35 bis 120 Euro reichen – und schaden damit sowohl der Qualität, als auch der Fairness im Wettbewerb.
Auf Procurement folgt Dumping
Mit dem Thema Dumpingpreise wurde ein weiterer wunder Punkt angesprochen. Die Spanne zwischen günstigstem und teuerstem Angebot sei in der Praxis enorm. Bis zu 300 Prozent Differenz seien keine Seltenheit. Besonders bei Leistungen wie Corporate Design, Logo-Design oder Werknutzungsrechten seien marktübliche Preise kaum mehr definierbar. Die einäugige Tendenz hin zum billigsten Angebot sei gefährlich und stelle die Frage nach dem Bestbieterprinzip – ein Appell an die Auftraggeber, Qualität deutlich höher zu gewichten.
Ideenklau – Kavaliersdelikt oder Straftatbestand?
Ideenklau – ebenfalls ein sensibles Thema – sei laut Weinand leider kein Einzelfall. Häufig würden Pitches als Inspirationsquelle genutzt, ohne dass die kreative Leistung unterlegener Agenturen entsprechend vergütet oder rechtlich korrekt behandelt wird. Zwar greifen in solchen Fällen das UWG und manchmal auch das Urheberrechtsgesetz, aber die Durchsetzbarkeit sei oft schwierig. Die sauberste Lösung wäre ein faires Honorar für übernommene Ideen – die Realität sieht jedoch anders aus.
Begeisterung und Faszination
Zum Abschluss brachte Weinand, mit einem Augenzwinkern, einen Vergleich zu den Welten von Flirt, Theater und Spitzensport: Eine Agentur, die einen Pitch gewinnen will, muss faszinieren und begeistern. Eine Pitch-Präsentation sei im Grunde ein Auftritt mit viel Emotion, Inszenierung und einer besonderen Performance. Der Erfolg hänge nicht allein von Inhalten ab, sondern auch von der Chemie, dem Timing und der Fähigkeit, sich auf die Dynamik des Gegenübers einzulassen.
Was Kunden wirklich wollen
Den zahlreichen Teilnehmenden gab der Pitch-Experte noch folgendes auf den Weg mit, was so nie in einem Pitch-Briefing steht: Der Kunde will ein Agenturteam, das ihm hochgradig sympathisch ist. Er möchte eine Agentur, der er in jeder Situation blind vertrauen kann, es geht um Glaubwürdigkeit. Er möchte sich von der Agentur jederzeit verstanden fühlen. Und er möchte spüren, dass die Agentur für ihn brennt.