Der Tag, an dem die Erde aufging
MARKETING & MEDIA sabine bretschneider 15.02.2019

Der Tag, an dem die Erde aufging

Ein Beitrag zur Querschnittmaterie „Weltbild” und zur erträglichen Leichtigkeit des Seins.

Leitartikel ••• Von Sabine Bretschneider

 

WANDEL. Die Welt ist keine Selbstverständlichkeit mehr. Vollbeschäftigung ist ein Codewort für Sozialismus und verstaatlichte Industrie, hochsommerliches Wetter heißt Hitzewelle, winterliches Schneehölle und beides steht für Klimawandel. Altersversorgung deuten Junge als lebenslange Suche nach atypischer Beschäftigung. Soziale Medien lösen journalistische Deutungshoheit ab und übergeben das Ruder an das Marketing einschlägig hochgerüsteter Unternehmen und Organisationen.

Der politische Diskurs ist dem Lobbying in Netzwerken gewichen, menschliches Selbstverständnis der visuellen Selbstdarstellung. Der Protest der Straße weicht dem „Herdendruck” jener, die virtuos mit neuen Medien umgehen. Die um sich greifende Verunsicherung bereitet den Boden für Verschwörungstheorien, die selbst vor der Keuchhustenimpfung nicht halt machen. Selbst der Verweis auf die Menschenrechte outet die persönliche politische Positionierung.
Ein Auslöser für diese Evolution könnte der Tag gewesen sein, an dem die Erde aufging: Das Bild „Earthrise”, das die Crew der Apollo 8 am 24. Dezember 1968 von der über dem Mondhorizont schwebenden, kleinen blauen Kugel geknipst hat, gilt als eines der einflussreichsten Bilder des vergangenen Jahrhunderts, ein Logo des Anthropozäns – und erschütterte buchstäblich unser Welt-Bild. Das kulturelle Selbstverständnis, Teil einer Welt zu sein, in der alles mit allem in Verbindung steht, lancierte einerseits ein modernes ganzheitlicheres Denken, andererseits verkörpert es völlige Verlorenheit.
Die Bezeichnung als eines der „Most Influential Images of All Time” teilt sich Earthrise übrigens unter anderem mit einem qualitativ schlechten Schnappschuss, der offenbar den Rüssel des Ungeheuers von Loch Ness zeigt. Nun, alles eine Sache der Auslegung.
Apropos Auslegung: Das statistische Amt der Republik, die Statistik Austria, darf kein weisungsgebundenes Anhängsel des Bundeskanzleramts werden. Lesen Sie dazu den Kommentar von Kollege Dinko Fejzuli auf Seite 28.

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