Die Angst vor dem Heizdecken-Abo
MARKETING & MEDIA Redaktion 15.10.2021

Die Angst vor dem Heizdecken-Abo

Der Job der Marktforscher war schon einfacher. Der Österreicher ist schwer erreichbar.

Leitartikel ••• Von Sabine Bretschneider

ÜBERFRAGT. Diesmal sind es die Markt- und Meinungsforscher, an deren Prestige im Zuge der Inseratenaffäre gekratzt wird. „Politisch gefällige” Umfragen eines Instituts stehen im Zentrum der Debatte. Das Thema ist ein heikles. Sie erinnern sich die Diskussionen anlässlich der letzten Bundespräsidentenwahl(en)? Bei der Einschätzung von Norbert Hofers Abschneiden im ersten Wahlgang lagen die Umfragen im Vorfeld jeweils ein paar Meter daneben. Schon damals wies Erich Neuwirth, langjähriger Statistik-Professor an der Uni Wien, u.a. auf die steigende Umfrageresistenz der Österreicher hin. Diese – bekannten – Verzerrungen versucht man mittels verschiedener Verfahren zu korrigieren. Aber einfacher wird es post Festnetztelefon und angesichts der zunehmenden Angst davor, mit einem unbedachten „Ja” bei einer „Umfrage” ein Heizdeckenabo zu bestellen, wohl nicht mehr.

Kein Geheimnis ist auch, dass in der Vergangenheit bei diversen Vorwahlumfragen oft relativierend auf eine Parteinähe eines Instituts verwiesen wurde. Politikwissenschaftler Peter Filzmaier beantwortete ehedem die Frage nach dem Wahlentscheidungspotenzial von Umfragen in einem Gespräch mit der Presse „mit einem eindeutigen Jein”: Es gebe mehrere mögliche Effekte, „aber nur einen, der wirklich nachgewiesen ist: der Fallbeileffekt”. In Kürze: Wenn einer Partei, deren Einzug in Parlament wackelt, dies auch noch per Umfrage attestiert wird, dann springen deren Wähler eher ab.
Oft sind es auch nicht die Ergebnisse, sondern deren „Horse-Race”-gerecht aufbereitete Interpretationen („Kopf-an-Kopf-Rennen”, „Spitzenreiter”, „Endspurt”), die in die Irre führen. Denn grundsätzlich stecken hinter seriöser Wahlhochrechnung kein Hokuspokus und keine Glaskugeln, sondern Müh und Plag, Sorgfalt, Statistik und mathematische Formeln. Das einzig Unberechenbare ist der Faktor Mensch.
Wie die Qualitätsstandards in Österreichs Demoskopieinstituten Jahr für Jahr nach oben geschraubt werden, das lesen Sie im heutigen MaFo-Special ab Seite 31.

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