Leitartikel ••• Von Sabine Bretschneider
MILCH STATT HONIG. Der rote „Vote-Leave”-Bus war das dominante Symbol des Brexit-Referendums 2016: Darin fuhren prominente Brexiteers durch die Lande, um für den Austritt Großbritanniens zu werben. Die Aufschrift: „Wir schicken der EU jede Woche 350 Millionen Pfund. Lasst uns stattdessen unseren NHS (National Health Service, Anm.) finanzieren.” Nun, die Zahl war falsch, das Versprechen war falsch; die Idee, jeden Monat eineinhalb Milliarden Pfund mehr ins krisengeschüttelte Gesundheitssystem zu stecken, kam bei den Briten jedoch gut an.
Wir kennen diese Taktik nur zu gut. Auch in Österreich konnte sich jeder Bezirkschef im Wald-, Inn- oder Mostviertel darauf berufen, dass alles Schlechte dieser Erde entweder dem Wasserkopf Wien geschuldet war oder – je nach Bedarf, Parteipräferenz und Belieben – der Monsterbürokratie in Brüssel. Der Begriff „EU-Nettozahler” erhitzt immer noch die Gemüter.
Noch dazu, wo demnächst (nicht nur) die Alpenrepublik den Ausfall der britischen Zahlungen kompensieren soll.
„Österreich bekommt das 8,6-Fache dessen zurück, was es einzahlt”, erzählte am Donnerstag, so ein Bericht der APA, Hatto Käfer, der Binnenmarktexperte der Vertretung der EU-Kommission in Wien. Der Nutzen des EU-Binnenmarkts sei für kleinere exportorientierte Länder groß; die Debatte über die Beitragszahlungen sei verständlich, greife aber zu kurz. 2020 etwa zahle Österreich weniger ein als Polen, Griechenland oder Italien. Nicht einberechnet sind die Rückflüsse. Abgesehen vom Binnenmarkt und direkten Rückflüssen etwa in die Landwirtschaft würden etliche EU-Ausgaben Österreich einen Mehrwert bringen: das Satellitennavigationssystem Galileo, der Schutz der EU-Außengrenzen, die Förderung der Krebsforschung oder jene von Infrastrukturprojekten in Nachbarstaaten, an denen oft österreichische Unternehmen beteiligt sind.
Eine Idee wäre, diese Zahlen und Fakten bei uns einmal auf die Busse zu kleben.