Die Unschuldsvermutung, ein strapazierter Begriff
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MARKETING & MEDIA Redaktion 21.01.2022

Die Unschuldsvermutung, ein strapazierter Begriff

Als Rosam.Grünberger.Jarosch & Partner bietet die Agentur auch Litigation PR an – und hat mit Gerhard Jarosch gleich einen Experten mit an Bord.

••• Von Dinko Fejzuli

WIEN. Rosam.Grünberger | Change Communications startet mit großen Veränderungen ins neue Jahr. Um den steigenden Bedarf an Kommunikationsberatung zu Rechtsthemen, Klagen und Prozessen noch besser abdecken zu können, wird der Bereich Litigation PR neu implementiert und mit Gerhard Jarosch, dem Staatsanwalt der Staatsanwaltschaft Wien, hat man auch einen Experten als Partner an Bord geholt und firmiert künftig unter dem Namen „Rosam.Grünberger.Jarosch & Partner”. medianet bat die Beteiligten um einige Antworten zur neuen Konstellation.

medianet: Frau Grünberger, Herr Rosam, Sie bieten künftig auch Litigation PR an. Dafür hat man mit Gerhard Jarosch, zuletzt Erster Staatsanwalt der Staatsanwaltschaft Wien und Österreich-Vertreter bei der EU-Rechtshilfeagentur Eurojust, sicherlich einen der Experten an Bord geholt. Warum nun die Erweiterung um Litigation PR?
Wolfgang Rosam: In Zeiten wie diesen ist jeder Manager und Unternehmer mehr denn je in den Themen ‚Legal' und ‚Compliance' gefordert. Betroffene stehen häufig schon in den Medien, noch bevor Anklage erhoben wird. Je prominenter jemand ist, desto höher ist die Gefahr, durch eine Vorverurteilung in der Öffentlichkeit einen enormen Reputationsschaden zu erleiden.

Silvia Grünberger: Und dieser Schaden ist nicht selten um ein Vielfaches größer als der Streitwert im Verfahren selbst – für die Person als auch für das gesamte Unternehmen. Wir wollen dieser Entwicklung Rechnung tragen und den Bereich Legal Communications und Litigation PR ausbauen und neu definieren.

medianet: Litigation PR kommt zwangsläufig immer dort zum Einsatz, wo es um Konflikte geht. Wann sollte Litigation PR überhaupt zum Einsatz kommen und was können Sie hier potenziellen Kunden anbieten?
Martin Himmelbauer: Jedes Verfahren, das für die mediale Öffentlichkeit von Interesse ist, sollte kommunikativ begleitet werden, sei es des Inhalts wegen oder aufgrund der betroffenen Persönlichkeiten. Wenn im Vorfeld absehbar ist, dass Medien darüber berichten werden, ist es von enormer Wichtigkeit, rechtzeitig Kommunikationsstrategien zu entwickeln und entsprechende Wordings vorzubereiten. Es gilt, die doch oft sehr komplexe Rechtssprache zu übersetzen und zu den wichtigsten Punkten Statements und Informationen parat zu haben. Wenn die Medienanfragen oder kritischen Artikel einmal da sind, ist es schon zu spät.

medianet:
Wie Beschuldigte in der Öffentlichkeit – vor allem bei Prozessen mit langer Verfahrensdauer – wahrgenommen werden, könnte Einfluss auf den Prozess haben. Wie weit darf hier die Rolle von Litigation PR gehen bzw. was genau kann Litigation PR hier bewirken?
Gerhard Jarosch: Genau diesen negativen Einfluss zu lindern oder bestenfalls zu verhindern, ist das oberste Ziel. Es geht nicht darum, das Verfahren zu beeinflussen, die Justiz muss ihre Arbeit unabhängig und unbeeinflusst verrichten können. Aber es geht darum, wie die Öffentlichkeit, die Medien darüber informiert werden. Mitunter streut eine Partei oder jemand, der sonst involviert ist, gezielt ganz bestimmte Informationen, die dadurch aus dem Kontext gerissen sind und ein verzerrtes Bild zeichnen. Dem wollen und werden wir auf Basis einer guten und zeitgerechten Vorbereitung entgegentreten.

medianet:
Manche meinen, es käme sogar vor, dass, um ein bestimmtes Bild des Beschuldigten in der Öffentlichkeit zu erzeugen, auch gezielte Aktenleaks genützt würden, um dieses Bild zu steuern. Was sind für Sie die Grenzen Ihrer Arbeit?
Rosam: Die Unschuldsvermutung ist ein sehr stark strapazierter Begriff, der vielfach nur mehr als leere Floskel wahrgenommen wird. Tatsächlich wird aber, wenn Informationen sickern, im Gerichtssaal der Öffentlichkeit schon vorab der Stab über jemanden gebrochen, ehe das Gericht überhaupt die Vorwürfe prüfen konnte.
Jarosch: Stellen Sie sich vor, jemand bringt eine Sachverhaltsdarstellung ein, die aufs Erste glaubwürdig wirkt, die Justiz muss also Ermittlungen einleiten. Die Öffentlichkeit erfährt davon, die Medien berichten. Und selbst wenn dann die Staatsanwaltschaft entscheidet, keine Anklage zu erheben, ist der Betroffene öffentlich längst massiv beschädigt.

medianet:
In Zeiten von Social Media hat jeder die Möglichkeit, öffentlich Dinge zu behaupten und so auch ein ganz bestimmtes Bild zu erzeugen. Ist Litigation PR in ihrer Bedeutung mit dem Aufkommen von Facebook & Co wichtiger geworden?
Grünberger: Zweifellos spielt auch das eine Rolle, vor allem, weil alles sehr schnell geht, wenn etwa jemand mit sehr vielen Followern Content publiziert. Twitter spielt hier eine noch größere Rolle als Facebook. Und wer die Geschichte als Erster erzählt, verpasst ihr schon ein Framing, eine Richtung oder Schlagseite und dieses Framing ist später oft kaum noch zu korrigieren, weil geliked und ge­shared wird, also die Netzwerke zusammenspielen und binnen weniger Stunden eine enorme Reichweite erzielen können.

medianet:
Litigation PR wird sich vermutlich nicht jeder Beschuldigte leisten können. Ist die Frage, wie man in einem Rechtsstreit öffentlich wahrgenommen wird, also auch eine Frage des Geldes?
Jarosch: Man muss das immer in Relation zum abzuwendenden Schaden sehen. Wenn zu befürchten ist, für den Rest seines Lebens punziert zu sein oder einen großen finanziellen Schaden zu erleiden, ist das Geld jedenfalls gut investiert.

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