Die Weglassung ist oft viel schlimmer
MARKETING & MEDIA Redaktion 22.10.2021

Die Weglassung ist oft viel schlimmer

Sogenanntes Abwürgen von TV-, Radio- oder Printbeiträgen ist oft die höhere Manipulation.

Kommentar ••• Von Dinko Fejzuli

UNSICHTBAR. Bild-Chefredakteur Julian ­Reichelt ist nach schweren, wiederholten Vorwürfen seinen Job los. Neben anderen Medien hatte auch über Monate ein Investigativ-Team bei der Verlagsgruppe Ippen.Media zu früheren Vorwürfen gegen Reichelt recherchiert. Die Rechercheergebnisse sollten eigentlich vor Tagen erscheinen. Auf Einwirken des Verlegers Dirk Ippen entschied sich das Medienhaus aber gegen eine Erstveröffentlichung.

Man hatte also das Erscheinen des Artikels intern abgewürgt. Erst ein Bericht der New York Times zur Causa Reichelt, in dem auch dieses Unterdrücken erwähnt wurde, brachte die Sache ans Tageslicht und nun, nach schwerer Kritik, hat sich Ippen.Media-Chefredakteur Markus Knall bei den Betroffenen für die Nichtveröffentlichung von Recherchen entschuldigt. Knall schrieb am Mittwoch in einem Statement: „Weil wir den ursprünglich zugesagten Beitrag kurzfristig nicht veröffentlicht haben, wurden wir dem Vertrauen, das in uns gesetzt wurde, nicht gerecht.” Und genau das ist das Problem – Manipulation zerstört Vertrauen und geht nicht nur, wie wir in Österreich aktuell erfahren, durch die Veröffentlichung von manipulierten Meinungsumfragen, die bei knappen Wahlentscheidungen das Zünglein an der Waage sein können; nein, es geht auch durch das Nicht-Publizieren von Vorwürfen, wodurch natürlich ein ganz anderer Verlauf der Geschichte möglich wird.

Zermürbungstaktik

Viele Medien haben ein starkes Redaktions-Statut, wo tatsächlich noch frei recherchiert werden kann. Das Problem ist aber ein anderes: Wird von Vorgesetzten wieder und wieder eine kritische Story aus welchen Gründen auch immer nicht gebracht oder vorab abgewürgt, setzt auch bei den betroffenen Kollegen irgendwann ein Prozess ein, der sie ermüden lässt, oder wo sie nur einseitige Stories vorschlagen, von denen sie annehmen können, dass sie „durchgehen”, und damit genau das tun, was Journalismus nicht soll – die andere Seite der Story unbeleuchtet lassen.

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