Die Zeitungsähnlichkeit besteht ja weiterhin
© APA/Eva Manhart
MARKETING & MEDIA Redaktion 12.01.2024

Die Zeitungsähnlichkeit besteht ja weiterhin

Kaum online, geht der Streit zwischen VÖZ und ORF um die neue Blaue Seite www.orf.at in 2024 weiter.

••• Von Dinko Fejzuli

Mit dem neuen Jahr trat auch das neue ORF-Gesetz in Kraft und damit hielten einige Änderungen in den Onlineangeboten des ORF Einzug. news.orf.at und sport.orf.at haben nun mehr Video- und nun auch Audiocontent, mit ORF On gibt es ein neues Streamingangebot mit längeren Bereitstellungsdauern, und ganz neu ist ein eigener Kids-Channel als Onlinefernsehen für Drei- bis 14-Jährige mit pädagogischen Schwerpunkten.

So weit so gut, doch kaum umgesetzt, gibt es nun zwischen VÖZ und ORF einen Disput darüber, wie die neue ORF.at-Homepage auszugestalten sei, nämlich in deren Subseiten. Der Vorwurf des VÖZ: Der ORF würde die neue Regelung (nur mehr 350 Meldungen pro Woche und davon 70% als Videobeiträge) umgehen, indem es nun mehr Text­beiträge auf Subseiten wie sport.orf.at und anderen gibt.
medianet bat dazu Gerald Grünberger, Geschäftsführer des Verband Österreichischer Zeitungen, zum Interview und fragte nach, wo genau bei ORF.at für den VÖZ das Problem liegt.


medianet:
Herr Grünberger, das neue ORF-Gesetz, welches der VÖZ bereits im Vorfeld als ‚kurzsichtige Entscheidung mit gravierenden Folgen für den ­privaten Medienmarkt' ­bezeichnete, ist erst seit wenigen Tagen in Kraft und schon gibt es Streit über etwa die berühmte Blaue Seite ORF.at. Hier gibt es ja künftig eine Beschränkung auf 350 Meldungen pro Woche, wobei 70 Prozent davon Videomeldungen sein müssen. Was genau stört Sie an der Umsetzung der neuen Regeln?
Gerald Grünberger: Einer der Hauptkritikpunkte des VÖZ war die Zeitungsähnlichkeit von ORF.at – schließlich hat sich die Republik schon im Jahr 2009 gegenüber der Europäischen Wettbewerbskommission dazu verpflichtet, diese zu beseitigen. Jedoch besteht diese weiterhin, wie auf der ‚neuen' Blauen Seite deutlich erkennbar ist. Denn wenn die Blaue Seite neben 350 textlichen Nachrichtenbeiträgen zur International-, Europa- und Österreich-Berichterstattung noch per Headline-Einbindung insgesamt wöchentlich bis zu 720 ‚externe' Bundesländer-Nachrichtenbeiträge der Bundesländerseiten integriert – was sonst ist das, wenn nicht zeitungsähnlich?

medianet:
Aber an den Verhandlungen zum neuen ORF-Gesetz war auch der VÖZ beteiligt. Ist Ihnen hier ein Fehler bezüglich der Unterseiten und der Links unterlaufen, oder nutzt hier der ORF ein gesetzliches Schlupfloch, um doch auf mehr Meldungen zu kommen, denn er behauptet ja, dass diese Meldungen vom Gesetz nicht betroffen seien.
Grünberger: Der VÖZ hat von Beginn an darauf hingewiesen, dass die getroffenen Maßnahmen zur Beschränkung der Textinhalte nicht ausreichen werden, um die Zeitungsähnlichkeit zu unterbinden, und wesentlich umfassendere und effektivere Bestimmungen gefordert. Allerdings war es dem Gesetzgeber anscheinend ein Anliegen, den digitalen Marktführer, der zudem mit erheblichen öffentlichen Beihilfen ausgestattet wurde, weiter zu stärken. Das Ergebnis bestätigt unsere Kritikpunkte aus dem vergangenen Jahr.

medianet:
Ein Hauptargument der Verleger für Beschränkungen war ja, dass der ORF als Fernsehveranstalter mit ORF.at wie Sie schon erwähnt haben ein zu zeitungsähnliches Produkt, noch dazu mit Gebührengeld, produzieren und finanzieren würde. Kann man das nicht auch in die Gegenrichtung sagen, denn mittlerweile betreiben auch etliche Zeitungen TV-Sender. Hier könnte der ORF ja genau wie der VÖZ argumentieren und sagen, dass sich die Verleger in einem Gebiet bewegen, welches kein klassisches Zeitungsgebiet ist.
Grünberger: Zweifelsohne bieten mittlerweile alle Plattformen ihren Nutzerinnen und Nutzern auch Bewegtbildinhalte. Nichtsdestoweniger liegt der Schwerpunkt des Onlineangebots von Zeitungen und Magazinen nach wie vor auf ihrem Kerngeschäft Text, während das Kerngeschäft des ORF eigentlich der audio- und audiovisuelle Content wäre. Für dieses wird er auch 710 Mio. Euro an öffentlichen Beihilfen lukrieren. Das ist sehr wohl ein deutlicher Unterschied.

medianet:
Der ORF hat ungewöhnlich hart auf die Kritik reagiert und droht mit Klagen. Wie ist denn derzeit die Stimmung zwischen VÖZ und ORF?
Grünberger: Die Stimmung zwischen VÖZ und ORF ist grundsätzlich konstruktiv, wenngleich von kritischem Respekt getragen. Die Reaktion des ORF mit verbundener Klagsandrohung ist sicherlich zulässig, wiewohl der VÖZ damit nicht gemeint sein kann, da sich unsere pointierte Zuspitzung auf das ORF-Gesetz bezogen hat und nicht auf die Gestion des ORF.

medianet:
Und wie könnte hier eine Lösung aus Sicht des VÖZ aussehen? Wollen Sie nun auch hier eine Limitierung bei den Unterseiten wie etwa auf den Bundesländerseiten des ORF?
Grünberger: Wie bereits im vergangenen Jahr ausgeführt – es braucht einen Paradigmenwechsel, keine Zeitungsähnlichkeit des Angebots, stattdessen eine deutliche Fokussierung auf den Kernauftrag des ORF – nämlich Radio und TV – auch im Digitalbereich.

medianet:
Und wie geht es nun weiter?
Grünberger: Hinsichtlich der Zulässigkeit der gewählten Vorgangsweise wird man wohl die KommAustria befassen müssen, um festzustellen, ob das Gesetz diese ‚Lösung' tatsächlich ermöglicht. Schließlich macht es für das Publikum wohl keinen Unterschied, ob der Klick auf die Headline zu einer Subseite auf news.orf.at oder auf wien.orf.at führt. Das ließe die gesetzliche Beschränkung auf 350 Textmeldungen aus unserer Sicht sinnlos erscheinen. Wir können uns nicht vorstellen, dass das vom Gesetzgeber tatsächlich so intendiert war.

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