„Eine gute Idee nimmt die direkte Abkürzung ins Herz”
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Robert Dassel (Demner, Merlicek & Bergmann), Michael Göls (Havas Media Austria) und Dian Warsosumarto (Cheil Austria).
MARKETING & MEDIA Jürgen Hofer 22.05.2015

„Eine gute Idee nimmt die direkte Abkürzung ins Herz”

Cannes Lions 2015 Österreichs Jury-Mitglieder erläutern gegenüber medianet ihre Ansichten über ausgezeichnete Ideen

Welchen Stellenwert hat die österreichische Branche im internationalen Vergleich, und welche Rolle spielt Cannes für Österreich?

Wien. Drei Juroren entsendet die ORF-Enterprise als offizielle Repräsentanz des größten Werbefes-tivals der Welt, den Cannes Lions, nach Südfrankreich. Bei der 62. Auflage werden Robert Dassel von Demner, Merlicek & Bergmann in der Kategorie Cyber, Dian Warsosumarto von Cheil Austria in der Kategorie Direct und Michael Göls von Havas Media Austria in der Kategorie Media jurieren.

medianet:
Welche Kriterien werden Sie als Juror an eingereichte Arbeiten anlegen?
Robert Dassel, D,M&B: Die gleichen Kriterien, die man eigentlich an jede Arbeit legen sollte. Sie muss originell, relevant und perfekt umgesetzt sein. Einfach nur neueste Technologien zu verwenden, ohne einen Bezug zur Marke und der Idee zu schaffen, wird nicht reichen.
Dian Warsosumarto, Cheil Austria: Für mich besteht eine Arbeit immer aus einem konzeptionellen und einem handwerklichen Teil. Die erste Komponente, also die Idee, muss natürlich produkt- und zielgruppenrelevant, aber vor allem ungewöhnlich, mutig und überraschend gedacht sein. In der Kategorie ‚Direct' stellt sich für mich zusätzlich die Frage, wie aktivierend die Idee war.
Michael Göls, Havas: Im Rahmen der Jury-Kriterien werde ich darauf achten, große Ideen zu erkennen und mich gleichzeitig bemühen, mich nicht von technologischen Aspekten oder ‚optischen' Einreichungen blenden zu lassen.

medianet:
Was macht eine gute Kampagne/Arbeit/Projekt für Sie eigentlich aus?
Dassel: Eine gute Arbeit schafft es, den User bzw. den Konsumenten an die ­Marke zu binden. Gerade im ­Bereich Cyber gelingt es immer mehr Arbeiten, dank Apps und dem immer mehr zunehmenden ­Thema ‚Internet of Things', dem User ­einen Mehrwert zu bieten bzw. ihm das Leben zu erleichtern.
Warsosumarto: Eine gute Idee überspringt für mich den oben erwähnten, rationalen Prozess; sie nimmt die direkte Abkürzung ins Herz, den Kopf oder in die Magengrube.
Göls: Es zählt allein die Idee. Eine einzigartige, neue, zentrale Idee, die deklinierbar ist in allen Kanälen, das sind beeindruckende Kampagnen. Natürlich muss die Kampagne die Menschen, die sie erreicht, auch berühren. Nicht zuletzt zählen auch ein begründeter Mitteleinsatz und ein positiver Return on Investment zu einer erfolgreichen Kampagne.
medianet: Wie beurteilen Sie den Stellenwert der österr. Branche und Arbeiten im Vergleich zu internationalen Best Practice-Beispielen?
Dassel: Machen wir uns nicht immer schlechter, als wir sind. Und damit meine ich auch die Vernaderungen innerhalb Österreichs. Es gibt Arbeiten aus Österreich, die durchaus mithalten können.
Warsosumarto: Natürlich können wir in Sachen Quantität nicht mithalten – bei der Qualität schon. Vor allem, was digitale Kommunikation betrifft, hat Österreich in der letzten Jahren einen Quantensprung gemacht.
Göls: Grundsätzlich dürfen wir uns alle darüber freuen, dass Öster-reich in den vergangenen Jahren in Cannes so gut abgeschnitten hat wie Jahrzehnte zuvor nicht. Aber ausrasten sollte sich auf diesen Lorbeeren niemand, denn die Kreativbranche hat – und da nehme ich die Mediabranche nicht aus – generell keine sehr kreativ inspirierte Ausrichtung. Oft wird sehr gut nachgeahmt, aber originelle Ideen im eigentlichen Sinn vermisse ich oft.

medianet:
Wie wichtig ist es für Österreich im Allgemeinen und Sie im Speziellen, in Cannes vertreten zu sein?
Dassel: Die vergangenen Male, die ich beim Festival als Besucher teilgenommen habe, haben gezeigt, wie wichtig es ist, sich mit den Leuten und den Arbeiten aus anderen Ländern auseinanderzusetzen und Erfahrungen auszutauschen. Ich denke, das sollte jeder zumindest ein Mal erlebt haben. Man kann hier wirklich viel für sich und seine Arbeit mitnehmen. Vor allem auch die Motivation, das kommende Jahr noch besser zu werden.
Warsosumarto: Ich finde die Außenwirkung ist zu vernachlässigen. Das Rekordjahr 2014 war für Österreich als ‚Werbenation' schon ein kleines Wunder; dass uns jemand in den Jahren zuvor auf dem internationalen Parkett vermisst haben könnte, wage ich dennoch stark zu bezweifeln. Die Innenwirkung auf unseren Markt finde ich hingegen viel wichtiger. Zum Einen weil es heimischen Kunden zeigt, dass ungemeines Potenzial in österreichischer Kreation steckt, das richtig genutzt werden möchte. Zum Anderen, weil es junge Kreative dazu inspiriert, in die Werbung zu gehen und dort zu bleiben. Einreichen sollte man als Agentur aber nur, wenn man sicher ist, etwas wirklich Exzellentes gemacht zu haben. Für eine ‚Probier ma ’s halt'-Strategie sind die Konkurrenten zu stark und die Kosten zu hoch.
Göls: Wir müssen unsere Kunden mit exzellenten Ideen und Umsetzungen begeistern und immer besser werden, damit wir erstklassige Kampagnen aus Österreich auf diese internationale Bühne bringen. Ich bin auch deshalb in Cannes, weil ich etwas darüber lernen will, wie wir dieses Ziel für Österreich erreichen können – über diese Eindrücke werde ich dann gern berichten.

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