„Man muss wieder große Kampagnen machen”
© Havas Media/Anna Stöcher
Havas Austria Finanzchef ­Wolfgang ­Graski, Managing Director Doris Kron­berger und Geschäftsführer Michael Göls.
MARKETING & MEDIA 29.09.2017

„Man muss wieder große Kampagnen machen”

Gerade in Zeiten wirtschaftlichen Aufschwungs, wie wir ihn eben erleben, müsse man sich mehr trauen, so Havas Austria-Geschäftsführer Michael Göls.

Das war das ­beste Jahr, seit es uns gibt”, so  ein zufriedener Michael Göls, Geschäftsführer von Havas Austria, über ein Umsatzplus von zwölf Prozent für 2017. medianet hat mit Göls, Finanzchef Wolfgang Graski und Managing Director Doris Kronberger über die Wiederauf­erstehung der Printwerbung, Probleme von Mikrotargeting und Werbeanzeigen neben unerwünschten Inhalten gesprochen.

Auch Finanzchef Wolfgang Graski zeigt sich mit den „zwei großen Triggern”, nämlich Umsatz und Personalkosten, zufrieden. Er rechnet mit einer Verdopplung des Umsatzes von 2013, als das Dreierteam aus Göls, Graski und Kronberger das Steuer von Havas Austria übernahm. Damals startete man mit 15 Mitarbeitern, jetzt zählen 22 zum Team der Agentur. Eine sorgfältige Personalplanung sei enorm wichtig, auch zum Wohle der Mitarbeiter, betont Kronberger. Man wolle Kontinuität gewährleisten, was laut Göls auch sehr gut funktioniere: Die Fluktuationsrate liege unter fünf Prozent.

Organisches Wachstum

Und woher kommt das deutliche Plus? Der Umsatzanstieg resultiert einerseits aus dem organischen Wachstum bestehender Kunden. „Das sind Kunden wie Kia und Hyundai, die sich von Challengern zu Leadern entwickelt haben”, so Göls. Diese würden schließlich höhere Kommunikationsinvestitionen haben, wenn sie nach mehr Marktanteilen streben. Ein großer Teil des Wachstums komme aber auch von Neukunden, die kräftig ­investieren.

Da sei zum Beispiel die norwegische Sportartikelkette XXL Sports & Outdoor, die vor Kurzem den Markteintritt nach Österreich gewagt hat. Inzwischen firmiert XXL im Ranking von Havas' größten Kunden laut Göls „auf Platz eins bis zwei”, wohl auch, weil die Handelskette „always on” ist und „eben große Kampagnen macht”.
Die Kampagnen laufen in enger Zusammenarbeit mit der eigenen Mediaagentur von XXL Sports & Outdoor, die ausschließlich im skandinavischen Raum tätig ist. „Konkurrenz belebt das Geschäft”, merkt Göls an, während er aktuelle Inserate von Hervis und Intersport in Printmedien zeigt. Der Markteintritt stimuliere die Konkurrenten zum Werben – Anzeigen, die es ohne den XXLSports & Outdoor-Start so nicht gegeben hätte.

Kein Ende der Printwerbung

Auffällig sei ein Trend, der weg von „nur online” geht; vor allem der Printsektor komme wieder in Bewegung. „Wir merken, dass sich der Markt wieder normalisiert”, so Kronberger. Das liege auch daran, dass sich der Printmarkt „sehr viel überlegt hat” und Produkte zunehmend auch crossmedial anbiete – was Kunden dankbar annehmen. Print sieht Kronberger im kommenden Jahr wieder als ein starkes Medium.

„Man muss wieder große Kampagnen machen”, fordert Göls – und das funktioniere eben nur mit einem Mix aus allen Medien. Mikrotargeting in der Online-Werbung sieht er kritisch. Natürlich könne man die „Zielgruppe bis in die allerletzte Faser segmentieren” und ausmachen, „wie viele vegane Katzenbesitzer es im Nordburgenland gibt”. Dieses Denken, mit Technologie und mehr Stellrädern an der Effizienz arbeiten zu können, ist für Göls aber „rückwärts­gewandt”.
Man müsse an Größe glauben und sich – gerade jetzt, mit dem Aufschwung – wieder große Kampagnen leisten, die Markenpräsenz zeigen. Denn Göls glaubt an ein „kollektives Gedächtnis”, man müsse sich daher beim Werben fragen: „Willst du das spüren? Willst du, dass dich die anderen spüren?” Kommunikation sei eine Investition und keine Werbeausgabe, so Göls. Wegen der hohen Verbreitung von PCs und Smartphones nur auf ­Online zu setzen, sei laut Kronberger ein Fehlschluss: „Das heißt nicht, dass jeder mit dem Gerät ununterbrochen ­Onlinewerbung schaut.”

Herausfordernd: Google & Co.

Eine Herausforderung stelle auch die Zusammenarbeit und das Rückgrat bewahren gegenüber Internetgiganten wie Google oder Facebook dar; Göls sieht hier eine europäische und eine anglikanische Sichtweise betreffend Medienforschung aufeinanderprallen. Gerade in Mitteleuropa sei die Medienforschung „sehr solide und akkurat”, Reichweite werde durch externe Stellen verifiziert. Bei Onlinewerbung müssten sich die Auftraggeber hingegen auf die Angaben der Anbieter verlassen. Würde der ORF aus dem Teletest austreten und stattdessen eigene Reports verschicken, wäre die Aufregung groß, vergleicht Göls, „bei YouTube ist das ganz normal”.

Die Havas Media Group gehe mit Verstößen sehr strikt um, betont Kronberger. Als Mitarbeiter in Großbritannien entdeckten, dass Anzeigen von Kunden „unglücklich platziert” waren, stoppte die Havas Group innerhalb von Stunden sämtliche Kampagnen auf Google und Facebook. „Es kann nicht sein, dass neben bedenklichen Inhalten die Kommunikationsmittel eines Kunden platziert sind”, kritisiert Kronberger. Über vier Monate boykottierte Havas die beiden Internetriesen. „Es war eine ganz klare Linie von uns. Bevor das nicht geklärt ist, werden alle Kampagnen gestoppt. Die Überwachung von Onlinewerbung sei zwar schwierig, Havas setze aber auf „sehr gut ausgebildete Leute, die sich damit beschäftigen”.
Bei Havas Austria lag der Onlineanteil im vergangenen Jahr bei rund 21%; um dieses Niveau wird sich der Anteil auch 2017 bewegen. Auf Grundlage der „100 Focus-Millionen”, die ­Havas betreut, prognostiziert Göls für das kommende Jahr eine Zunahme an Print- und Fernsehwerbung; auch Außenwerbung wird seiner Voraussicht nach ansteigen. Digitalwerbung wird laut Göls stagnieren, der Aufschwung von Out-of-home-Werbung wird sich laut Kronberger – aufgrund des bereits starken Ausbaus – beruhigen.
Havas Austria sieht der Geschäftsführer jedenfalls weiterhin auf Erfolgskurs: 2018 rechnet er mit einem Wachstum von acht Prozent. (fej/pp)

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