„Mein Vertrag läuft bis 2021”
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MARKETING & MEDIA Dinko Fejzuli 08.06.2018

„Mein Vertrag läuft bis 2021”

Heute geht die erste österreichische Medienenquete zu Ende. Alexander Wrabetz positionierte den ORF – in medianet spricht er über seine Vorstellungen.

••• Von Dinko Fejzuli

In der Woche der heute zu Ende gehenden Medienenquete konkretisiert ORF-Generaldirektor Alexander Wrabetz seine Vorschläge zum Thema bei einem Hintergrundgespräch für Journalisten.

Unter anderem plädiert er für einen „nationalen Produktions- und Förderfonds”, der gespeist wird von internationalen Online-Konzernen und Werbefenstern deutscher Privater. Wrabetz fordert dabei, die Werbeeinnahmen von Facebook, Google & Co mit 20% zu besteuern (das brächte 50 Mio. € pro Jahr), 20% der Nettoeinnahmen der deutschen Werbefenster sollen weitere 40 Mio. bringen und weitere zehn Mio. sollen durch die Besteuerung von ausländischen Streaming-Giganten kommen.
Insgesamt könnten durch solche Maßnahmen über 100 Mio. € pro Jahr zusammenkommen, die „privaten österreichischen Medien” ohne bestimmende US-Beteiligung zugutekommen sollen.
Weiters fordert Wrabetz die „Beseitigung der Diskriminierung durch die Werbeabgabe” und eine Absicherung von Sport- und sonstigen Großevents im Free-Tv.
Eine Kooperation kann sich Wrabetz mit österreichischen Marktteilnehmern vorstellen. Etwa bei Content im Zuge eines Ausbaus des APA Video-Plattform, eine Streaming-Allianz als gemeinsame Positionierung gegenüber den Telcos oder auch mit der gemeinsamen Vermarktung auf dem Marketplace Austria. Eine Weitergabe von ORF-Archiv-Contents an die Privaten schließt Wrabetz aus: „ Das wird nicht passieren” – auch, so der ORF-Boss, weil es allein aus Rechtegründen nicht möglich sei.
Bei der Frage eines Content-Players schwebt Wrabetz eine Lösung wie bei der BBC vor und keine Plattform, wo der ORF-Content gemeinsam mit jenem der Privatsender präsentiert würde. Schließlich käme niemand auf die Idee, die BBC dazu bringen zu wollen, plötzlich Content von deutschen Privatsendern in den Player aufzunehmen, so Wrabetz.
Zum Thema bat medianet den ORF-Generaldirektor zusätzlich zu einem Interview.


medianet:
Herr Generaldirektor, nicht nur anlässlich der Medienenquete, aber auch schon zuvor forderte Minister Blümel vom ORF eine engere Kooperation mit den Privaten und insbesondere, hier eine ‚Schuhlöffel-Funktion' einzunehmen – eine Forderung, die beim ORF vermutlich eher auf wenig Gegenliebe stoßen wird ...
Alexander Wrabetz: Ich würde lieber von einem Motor für den österreichischen Medienmarkt und die österreichischen Medienhäuser sprechen. Der ORF ist ein Innovator und setzt laufend im Rahmen der engen gesetzlichen Grenzen Innovationsschritte, von denen der österreichische Markt insgesamt profitiert hat. Als Beispiele seien nur die HD-Einführung – der ORF hat als erster Öffentlich-rechtlicher in Europa seine Programme in HD angeboten, im Gegensatz zu den Privaten ohne Zusatzkosten –, die TVthek, die Videoplattform der APA, an der der ORF mitwirkt, oder jetzt der UHD-Pilotversuch während der Fußball-WM genannt. Nächstes Großprojekt ist der ORF-Player.

medianet:
Bleiben wir bei der TVthek. Seitens der Privaten wird die Forderung, die ORF-Archive auch für sie zu öffnen, immer lauter. Wie stehen Sie zu dieser Forderung, und gäbe es Dinge, die seitens des privaten Contents für den ORF interessant sein könnten?
Wrabetz: Priorität wäre es aus meiner Sicht zuerst einmal, den Österreicherinnen und Österreichern die Sendungen aus den ORF-Archiven leichter zugänglich zu machen, die diese Produktionen ja auch finanziert haben. Mit unseren vor allem historischen Archiven in der TVthek haben wir schon erste Schritte in diese Richtung unternommen. Aber auch hier sind uns mit der für das Publikum völlig unverständlichen ‚7 Days Catch Up'-Regel sehr enge gesetzliche Grenzen gesetzt. Den öffentlich-rechtlichen Mehrwert in der Öffnung der ORF-Archive für Kommerzielle kann ich derzeit nicht erkennen, abgesehen davon, dass damit auch eine Vielzahl ungeklärter rechtlicher und technologischer Fragen verbunden ist.

medianet:
Kommen wir zu einem anderen Thema: Beim ORF-Stiftugnsrat führt erstmals ein FPÖ-Vertreter, der durch, wie manche meinen, ORF-schädliche Äußerungen – etwa zu den Korrespondenten – aufgefallen ist, das ORF-Aufsichtsorgan. Wie waren die Tage nach der Wahl Norbert Stegers zum Stiftungsratsvorsitzenden aus Sicht des ORF-Generaldirektors?
Wrabetz: Ich bin überzeugt, die ORF-Geschäftsführung und der neue Vorsitzende des Stiftungsrats werden gut und professionell zusammenarbeiten, wie wir das in der Vergangenheit auch schon getan haben.

medianet:
Aber glaubt man den Auguren innerhalb der Politik, so stehen Ihre Chancen, den ORF nach einer etwaigen Reform weiterzuführen, nicht besonders gut: Welche Rahmenbedingungen sehen Sie selbst als unabdingbar an, damit Sie von sich aus nicht den Hut draufhauen?
Wrabetz: Das sind alles Spekulationen, an denen ich mich nicht beteilige. Mein Vertrag läuft bis 2021 und bis dahin werde ich jeden Tag mit großer Freude für dieses wunderbare Unternehmen arbeiten. Denn der ORF erbringt für dieses Land und seine Menschen eine wichtige mediale Infrastrukturleistung. Der ORF erzeugt jeden Tag echten Public Value für sein Publikum: Als Dienstleister für unabhängige Information, Kulturinstitution, Produzent österreichischer Unterhaltungsprogramme, Plattform für den heimischen Sport, für Wissenschaft und Bildung, Auftraggeber österreichischer Filme und Serien, Stimme der österreichischen Regionen und der Volksgruppen, Träger von humanitären Initiativen, Barrierefreiheit uvm. Und das 24 Stunden am Tag und 365 Tage im Jahr. Es freut mich ja, dass die Privaten jetzt auch beginnen, anlassbezogen Informationssendungen anzubieten. Das ist schön und erhöht die Vielfalt. Aber die Frage muss schon gestattet sein: War’s das schon mit dem ‚Public Value' der Kommerziellen oder kommt da noch was?

medianet:
Das wird vermutlich die Zeit nach der Enquete zeigen, wo man seitens der Privaten wohl auf diese Themen zu sprechen kommen wird. Apropos: Welche Funktion hat aus Ihrer Sicht die Enquete selbst und welche Nachwirkungen könnte sie haben?
Wrabetz: Kurz gefasst erwarte ich mir eine offene und konstruktive Diskussion, wie sich der Medienstandort Österreich angesichts der anstehenden Herausforderungen in den kommenden zehn Jahren entwickeln soll, und was jeder dazu beitragen kann, dass es auch in Zukunft noch österreichischen Content gibt. Ich glaube, dass es dazu jedenfalls auch den ORF als starken öffentlich-rechtlichen Player und mediale Infrastruktur für die Eigenständigkeit des heimischen Medienstandorts braucht.

Dazu ist ein Bekenntnis zur Aufrechterhaltung des breiten publikumsorientierten Programmangebots der ORF TV- und Radio-Senderflotte erforderlich, eine Weiterentwicklung seiner dualen, unabhängigen Finanzierung und des Handlungsspielraums im Online-Bereich. Für Experimente, die auf die Abschaffung des ORF hinauslaufen, wie das der VÖP oder auch Herr Breitenecker in seinem Buch fordert, ist der Markt zu umkämpft. Es hat sich schon bisher gezeigt, dass überschießende Beschränkungen des ORF nur deutschen und internationalen Playern genützt haben, nicht aber den heimischen Medienhäusern. Ich fürchte, es ist eine Illusion, zu glauben, dass z.B. TV-Marktanteile, die der ORF verliert, von österreichischen Medien besetzt werden. Die RTL- und die Pro7Sat1.-Gruppe werden davon profitieren. Sonst niemand.

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