Münchhausen lässt grüßen
MARKETING & MEDIA 13.10.2017

Münchhausen lässt grüßen

Ein weiterer Beitrag zur Diskussion um die „Lügenpresse”, der nicht eben Hoffnung weckt.

Leitartikel ••• Von Sabine Bretschneider

 

ENCORE UNE FOIS. Die unendliche Geschichte rund um die unsäglichen Fake News zieht weiter Kreise – und wird sich wahrscheinlich ad infinitum weiterdrehen. Seit auch die wahlwerbenden Parteien in Österreich das innovative Instrument der kruden Verleumdung im Web 2.0 für sich entdeckt haben, nimmt die Aufregung kein Ende – zu Recht. Allerdings wäre etwas mehr praxisorientierte Lösungskompetenz gefragt. Auch, wenn das nicht einfach werden wird.

Schneeballeffekt

Die Lügengeschichte per se ist – auch abseits des Hieronymus Carl Friedrich von Münchhausen – nichts Neues unter der Sonne. Auch der Begriff selbst, „Lügenpresse”, hat fast 200 Jahre auf dem Buckel, war als „Lügenbrief” schon im Deutschen Wörterbuch der Gebrüder Grimm nachzulesen. In unseren Breiten geistert die „Lügenpresse” seit dem Ersten Weltkrieg durch das Vokabular autoritärer Gruppierungen, abwechselnd und parallel sowohl am linken als auch am rechten Ende des Politspektrums.

Das Problem für den seriösen Journalisten: Seine Selbstverpflichtung, umfassend, objektiv und wahrhaftig zu berichten, bezieht sich auf die Wiedergabe von Fakten. Das diffamierende „Fake” jedoch bezieht sich oft gar nicht auf Fakten, sondern auf Interpretation und Meinung.
„Faktenchecks” sind auch kein Allheilmittel, weil der Schneeballeffekt jegliche Widerlegung überrollt. Die Zeit zitierte dazu eine Studie: 1.800 Probanden wurden Falschaussagen vorgelegt, von relativ glaubwürdig bis vollkommen abstrus. Das Fazit: Jede Wiederholung führt zu einem deutlichen Glaubwürdigkeitsplus, egal wie kritisch die jeweilige Aussage anfangs eingeschätzt wurde. Und: Dieser Verstärker­effekt trat selbst dann auf, wenn die Aussagen als „falsch” gekennzeichnet wurden. Was tun? Wahrscheinlich wird es uns nicht erspart bleiben, am anderen Ende zu beginnen: beim ­Empfänger der Botschaft. Nachrichtenkompetenztraining für alle, als Pflicht, nicht Kür. Das könnte sich ziehen.

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