„Sollten Events nutzen, um bewusst Diskurs anzuregen“
© kronehit
Philipp König
MARKETING & MEDIA Redaktion 31.10.2025

„Sollten Events nutzen, um bewusst Diskurs anzuregen“

LINZ. Am 4. und 5. November 2025 wird Linz mit den Cable Days erneut zum Treffpunkt der heimischen Telekom- und Rundfunkbranche: An den beiden Tagen versammelt das Event des Fachverband Telekom | Rundfunk der Wirtschaftskammer Österreich alle relevanten Stakeholder der Branche und wird zur Wissensvermittlungs-, Dialog- und Netzwerkplattform.

Am ersten Eventtag steht ein Branchentalk auf dem Programm, bei dem über die Frage diskutiert wird, wie Radio und TV dynamisch und relevant bleiben. Neben Bernhard Albrecht (Co-CEO ProSiebenSat.1 Puls 4), Monika Coupkova (VP Operations Sky Österreich) und Michael Wagenhofer (CEO ORS Group/Big Blue Marble) wird auch der Kronehit-Geschäftsführer Philipp König Teil der Podiumsdiskussion sein. medianet hat König vorab um ein paar Antworten gebeten.

medianet: Herr König, sie sitzen am 4. November bei den österreichischen Cable Days in Linz zum Thema „Wie bleibt TV und Radio dynamisch und relevant?“ auf einem Podium. Dann bleiben wir gleich bei der Frage: Wie bleibt man als nationaler Privatradiosender in Zeiten von Spotify, Amazon Music, YouTube Music und zahlreichen anderen Gratisangeboten relevant?
Philipp König, Geschäftsführer Kronehit: Die wichtigste Botschaft lautet: Stillstand ist keine Option. Wir müssen unsere Angebote permanent weiterentwickeln – technisch, programmlich und in der Distribution. Wichtig ist dabei, nicht andere zu kopieren. Wir werden nie im gleichen Use Case oder Business Case wie Spotify unterwegs sein. Und die zweite wichtige Botschaft: Lineares Live-Radio hat dann eine Zukunft, wenn es lineares Live-Radio bleibt. Wir können Nähe liefern, wir können regional und tagesaktuell sein – konkret sagen, was gerade in Wien, Bischofshofen oder Bregenz los ist. Wir sind bei Veranstaltungen vor Ort, vom Electric Love bis zum Donauinselfest, und erzeugen dadurch Emotion und Gemeinschaft. Diese lokale Relevanz, das Live-Erlebnis und die Community-Bindung können Plattformen so nicht leisten.

medianet: Und wie wichtig sind neben diesem Live-Erlebnis und die Nähe zu den Hörerinnen und Hörern auch starke Persönlichkeiten, die als Marke den Sender repräsentieren?
König: Extrem wichtig. Personalities bauen Communities auf. Radio lebt von Stimmen, zu denen das Publikum eine persönliche Verbindung entwickelt. Das ist ein klarer Vorteil gegenüber rein algorithmischen Plattformen.

medianet: Mit diesen Rezepten haben sie es ja auch geschafft abermals als Kronehit eine Million Hörerinnen und Hörer täglich zu erreichen und damit einen wichtigen Erfolg gefeiert. Gleichzeitig kämpfen andere am heimischen Medienmarkt mit der aktuellen Situation. Wie beurteilen sie die momentane Lage in der Medienbranche, zumal viele ja auch klagen, dass sie neben einem ORF, der mehrere Hundert Millionen Haushaltsabgabe bekommt, einfach nicht wachsen können?
König: Herausfordernd. Aber ich sage es offen: Der ORF ist in meiner Prioritätenliste aktuell ungefähr auf Platz zehn. Das dominierende Thema ist das massive Ungleichgewicht zu globalen Plattformen. Hätte ich für die nächsten fünf Jahre genau einen Wunsch, wäre es eindeutig die Plattformregulierung. Wenn wir das Host-Provider-Privileg nicht abschaffen oder zumindest abschwächen, können wir zwar über andere Stellschrauben gerne noch diskutieren – es wird aber wohl eine sehr akademische Diskussion bleiben.

medianet: Wo sehen Sie konkret die größten Risiken durch Plattformen?
König: Smart Speaker werden den klassischen Radioempfang teilweise substituieren. Auf UKW gibt es Frequenzzuteilungen und damit einen geschützten Zugang. Auf Smart Speakern nicht. Dort dominieren drei Anbieter, wobei allein Amazon wahrscheinlich rund 60% Marktanteil hat und gerade deren Zugangspraktiken halte ich für höchst bedenklich und schaue mir das derzeit sehr genau an. Interessant ist der Vergleich: Vor 20 Jahren hat man Kabelnetzbetreiber rasch reguliert. Heute diskutieren wir immer noch darüber, ob Amazon oder Google marktbeherrschend sind. Und das kann ja so wirklich nicht wahr sein.

medianet: Was könnte die österreichische Politik aus Ihrer Sicht tun, denn gerade hier wird oft auf die EU als zuständige Ebene verwiesen und argumentiert, national können man ja im Alleingang wenig machen.
König: Man kann etwas tun. Österreich sollte etwa die Widersprüche in den europäischen Vorgaben offensiv aufzeigen. In AVMD-Richtlinie und European Media Freedom Act steht, die Mitgliedstaaten müssen Medienpluralität sicherstellen. Wie soll das gehen, wenn wir die größte Bedrohung dafür nicht regulieren dürfen? Ich würde politisch eine Bühne schaffen, um diese Widersprüche sichtbar zu machen, und dort, wo möglich, vom Herkunftslandprinzip abweichen.

medianet: Zumindest auf finanzieller Ebene wurde etwas getan: Seit 2020 gibt es die Digitalsteuer deren Mittel zu einem gewissen Teil als Förderungen zu den Medien zurückfließen. Sollten die Einnahmen aus der Digitalsteuer nicht zu 100% für diesen Zweck verwendet werden, statt zu 80% ins Budget zu fließen?
König: Ich bin grundsätzlich kein Freund von Förderungen. Sie sind inhaltlich oft schon überholt, wenn sie wirksam werden, viele Richtlinien stammen aus einer anderen Medienzeit. Jede Förderung verzerrt den Wettbewerb und ist nur dann gerechtfertigt, wenn sie Marktversagen behebt. Ich begrüße daher die Evaluierung des gesamten Förderrahmens. Vorsichtig wäre ich bei Qualitätsdebatten via Förderentscheidungen – historisch hat das nicht zu den besten Momenten für Medienfreiheit geführt.

medianet: Es gäbe ja objektive Parameter, an die man Förderung knüpfen kann – Ausbildungsmöglichkeiten in den Medienhäusern, Einhaltung von Kodizes, ob es Verurteilungen durch Selbstkontrollorgane gibt, die Umsetzung geförderter Projekte, Anstellung von Journalistinnen und Journalisten.
König: Man kann gut mit einer nachlaufenden Kontrolle und konkreten KPIs arbeiten, etwa ob jemand verurteilt wurde, wie geförderte Projekte umgesetzt wurden, welche nachhaltigen Effekte sie hatten, wie hoch die Personal- und Ausbildungsquote war. Ich bin nur bei Vorab-Kontrollen und inhaltlichen Bewertungen vorsichtig

medianet: Bis zu einem gewissen Grad innovativ war vor über einem Jahr ein regelrechter Boost an DAB+ Sendern. Kronehit hat ja auch einige davon. Wie beurteilen Sie diese neue Vielfalt?
König: Sehr positiv. Die Gattung ist attraktiver denn je, das Angebot war noch nie größer. Es wird und muss jetzt aber eine Phase wirtschaftlicher Konsolidierung folgen. Pluralität heißt nicht zwingend wirtschaftliche Pluralität im Sinne vieler kleiner Eigentümer. Wir haben derzeit eine starke Fragmentierung – programmlich und unternehmerisch. In einem Markt wie dem aktuellen braucht es jedoch Unternehmen, die resilient sind und Innovation pushen können. Das geht nur in Strukturen die größer sind und auch eine breite, bunte Produktpalette anbieten.

medianet: Und am Ende übrig bleiben könnte Ö3, Kronehit, als privater nationaler Player, und eine Handvoll anderer Privatsender in den Regionen.
König: Oder eine handvoll wirtschaftliche Eigentümer, die in Summe 60 Sender betreiben. Entscheidend ist die Struktur hinter den Marken, nicht die bloße Zählweise.

medianet: Kommen wir gegen Ende wieder zurück zu ihrem Sender: Was sind die nächsten strategischen Ziele für Kronehit?
König: Erstens, wir wollen die Markenbekanntheit unserer DAB+-Sender weiter stärken. Wir sehen schönes generisches Wachstum, auch in den digitalen Sessions auf Smart Speakern. Zweitens, bauen wir unser Digitalangebot freestream.at weiter aus. Das ist quasi unsere permanente Testlandschaft, um Formate zu erproben und auf den Hauptmarkt zu übertragen. Drittens, stärken wir die emotionale Nähe durch Events und Präsenz im öffentlichen Raum. Diese Verbindung ist ein zentraler Erfolgsfaktor.

medianet: Um am Ende zum Anfang zurückzukommen. Welche Bedeutung haben Branchenveranstaltungen wie die Cable Days für Sie?
König: Eine sehr große. Wir sollten solche Events nutzen, um bewusst Diskurs anzuregen – mit zugespitzten Thesen und klaren Gegenpositionen. Nicht mit Ellbogen, sondern mit Reibung im besten Sinn. Nicht damit am Ende einer Recht hat, sondern um die beste Lösung für den Markt zu finden. Diese Auseinandersetzung ist wichtig, um den Markt weiterzubringen. Deshalb sind wir dort.

medianet: Apropos „Markt weiterbringen“. Kürzlich haben die ORF-Enterprise und die RTL AdAlliance eine Kooperation bekanntgegeben. Wäre so eine Zusammenarbeit aus ihrer Sicht zwischen dem ORF und den heimischen Privatradiosender oder gar mit der RMS überlegenswert?
König: Ja, absolut. Kooperationen, die den Markt insgesamt stärken, sind sinnvoll, gerade in einer Zeit, in der Plattformen global dominieren. Eine Zusammenarbeit zwischen ORF und Privatradios, etwa über gemeinsame Vermarktungsansätze, könnte die Attraktivität von Audio für Werbekunden weiter erhöhen, Standards vereinheitlichen und Reichweiten besser nutzbar machen. Entscheidend ist, dass solche Partnerschaften auf Augenhöhe stattfinden und echten Mehrwert für die gesamte österreichische Medienlandschaft schaffen.

Alle Informationen zu den Cable Days 2025 finden Sie unter https://www.wko.at/oe/cabledays/start.

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