••• Von Dinko Fejzuli
Lineares Fernsehen erlebt in Zeiten der Corona-Quarantäne trotz Netflix, Amazon Prime, Disney & Co einen Boom. Sowohl die Privatsender als auch der ORF erfreuen sich etlicher Quotenerfolge. medianet sprach mit ORF-Generaldirektor Alexander Wrabetz über die einerseits erfreuliche Situation am Seher-Markt, aber auch über die eher unerfreuliche Entwicklung auf dem Werbe-Markt.
medianet: Herr Wrabetz, der ORF eilt während der Corona-krise mit seiner Berichterstattung von einem Quotenerfolg zum anderen. Welche Rolle spielt der öffentlich-rechtliche Rundfunk in so dramatischen Zeiten wie diesen?
Alexander Wrabetz: Man sieht, dass sich die Bevölkerung in einem nie dagewesenen Ausmaß bei uns informiert – und es zeigt sich damit auch ein weiteres Mal, dass ein Großteil der Bevölkerung in kurzer Zeit überhaupt nur via ORF informiert werden kann – bei aller Wertschätzung für das, was die Privatsender leisten.
Wir zeigen ja nicht nur die Regierungspressekonferenzen. Wir erreichen an normalen Tagen bis zu 2,5 Mio. Menschen im Schnitt mit den ‚ZiB'-Sendungen und gut eine Mio. Zuseherinnen und Zuseher mit der ‚ZiB2', in der diese Sachverhalte dann auch zusammengefasst und eingeordnet werden.
medianet: Unter diesen sind auch sehr viele Junge …
Wrabetz: Das stimmt – allein der Umstand, dass wir zum einen in Summe 92 Prozent der Gesamtbevölkerung mit unserer Berichterstattung erreichen und es bei den 12- bis 29-Jährigen sensationelle 81 Prozent sind, zeigt, dass auch für die junge Zielgruppe der ORF eine relevante Informationsquelle ist. Ca. 500.000 junge Menschen unter 30 haben sich übrigens ausschließlich im ORF-Fernsehen informiert und bei keinem der Privatsender.
medianet: Vermissen Sie ob dieser Kennzahlen mehr digitale Möglichkeiten, um diese Zielgruppe noch besser erreichen zu können?
Wrabetz: Ich hoffe schon, dass einige Dinge neu bewertet werden, wenn diese Krise vorbei ist. Aber generell: Gerade jetzt zeigt sich, wie wichtig einheimische Medien sind – vom ORF bis zu österreichischen Verlagshäusern und deren Digital- und Bewegtbild-Angeboten –, und wie schlecht beraten man als Gesellschaft wäre, sich medienpolitisch auf internationale Konzerne zu verlassen. Abgesehen davon, dass z.B. die großen Streaming-Plattformen gar keine Information anbieten und in einer solchen Krise ihre Services eher herunterfahren, während wir als öffentlich-rechtlicher Sender noch mehr geben. Und diese Rolle können wir nur erfüllen, wenn wir von der Bevölkerung als Gesamtflotte genutzt werden können, natürlich auch vermehrt auf digitalen Plattformen.
medianet: Diese Nutzung geht ja gerade durch die Decke. Anders sieht es auf der wirtschaftlichen Seite aus – manche sagen, die Werbe-Rückgänge beim ORF wären derzeit bei 30 Prozent. Wie sieht die Lage derzeit tatsächlich aus?
Wrabetz: Natürlich gibt es substanzielle Stornos, die größer sind als die Zubuchungen, denn es gibt auch jetzt Unternehmen, die ihre Werbung ausbauen. Prozentzahlen kann man jetzt keine nennen, denn es ist viel im Fluss. Es gibt Tage, da liegt man bei minus 20 Prozent – aber das alles ist im Grunde nicht aussagekräftig. Viel wichtiger ist die Frage, inwieweit man das Minus bis zum Jahresende aufholen wird können und wie lange das Ganze noch dauert, denn davon hängt auch die Frage ab, ob sich eventuell an die Coronakrise eine Weltwirtschaftskrise oder gar Depression anschließt …
medianet: Auch Sportgroßereignisse wurden ins nächste Jahr verschoben. Wie hoch ist hier der Verlust?
Wrabetz: Der Umstand, dass die Events und damit auch die dort hineingebuchte Werbung heuer nicht stattfindet, verursacht eine Delle von gut drei Millionen Euro.
medianet: Die Buchungsrückgänge treffen nicht nur den ORF, sondern auch die Privaten. VÖP-Präsident Swoboda hat, um das duale System in einer so schweren Krise zu retten, vorgeschlagen, Mittel aus den GIS-Gebühren vorübergehend auch den Privaten zur Verfügung zu stellen. Dabei soll der Anteil, den der ORF bekommt, aber nicht kleiner werden, sprich die Gelder könnten aus etwa der sogenannten Länderabgabe kommen. Was halten Sie von diesem Vorschlag?
Wrabetz: Auch kommerzielle Medien sollen selbstverständlich infrage kommen für die Fördertöpfe, die die Regierung jetzt für die Wirtschaft aufgesetzt hat. Jetzt aber aus Anlass der Krise eine Systemdebatte über die Finanzierung von Medien, sowohl öffentlich-rechtlich als auch privat, vom Zaun zu brechen oder gar wieder den ORF zu beschneiden, halte ich für verfehlt.
Man muss sich eher die Situation aller Medien ansehen, denn die Krise trifft neben uns und den Privatsendern vor allem etwa auch die Printmedien und nicht zu vergessen die gesamte Zulieferwirtschaft.
Kurz gesagt: Ich war immer und bin insbesondere jetzt dafür, darüber zu reden, wie man öffentliche Mittel für die anderen Medien sicherstellen kann. Nur darf der Ansatz nicht wieder lauten, dass man diese Mittel beim ORF holt.