••• Von Nadja Riahi und Laura Schott
Ich habe schon vor Jahren davor gewarnt, dass das, was für Frauen rund um die Jahrtausendwende erreicht wurde, nicht für immer in Stein gemeißelt ist”, erläuterte Maria Rauch-Kallat das Motto des diesjährigen Journalistinnenkongresses „Nix ist fix – Journalistinnen unter Druck”. Es gebe genug zu tun, denn anstatt einer kontinuierlichen Besserstellung von Frauen in unserer Gesellschaft würden hart erkämpfte Rechte heute wieder vermehrt infrage gestellt.
Um dem gesellschaftspolitischen Backlash – der uns laut Rauch-Kallat und ihren Gästinnen nicht nur droht, sondern bereits in vollem Gange ist – entgegenzuwirken, sei ein dichtes Netzwerk zwischen Frauen unabdinglich: „Das Netzwerk hilft. Es ist wie eine Ehe, nur meistens haltbarer”, eröffnete Rauch-Kallat mit einem Augenzwinkern vergangenen Mittwoch den 21. Journalistinnenkongress im Haus der Industrie.
Frauen gegen Populismus
Bevor der Kongresstag voller Vorträge, Podiumsdiskussionen, Interviews und Workshops startete, begrüßte die Initiatorin den Hausherrn Georg Kapsch, Präsident der Industriellenvereinigung und seines Zeichens eines zweier männlicher Ehrenmitglieder im Club alpha, Rauch-Kallats Verein zur Frauenförderung und -vernetzung. Auch dieses Jahr ermöglichte er die Veranstaltung des Journalistinnenkongresses im Haus der Industrie. In seiner Willlkommensrede sagt er: „Das Motto ‚Nix ist fix' ist so aktuell wie nie zuvor. Stabilität ist auf unserer Welt nicht mehr gegeben.” In der Gleichstellung von Frauen sieht Kapsch einen wesentlichen Beitrag zur Lösung eines der größten Probleme, die unsere Gesellschaft weltweit aktuell zu meistern habe: dem Populismus. Frauen seien für gewöhnlich weniger populistisch als Männer, und so appellierte Kapsch an die künftige Regierung, den hohen Frauenanteil beizubehalten.
Die Gefahr der Biederfrauen
Für Frauenministerin Ines Stilling sollte das Thema auch wieder vermehrt auf EU-Ebene gehoben werden. Der Backlash sei ein gezielt herbeigeführtes Phänomen – beobachtbar etwa durch geschlechterspezifische Produktentwicklungen oder medial vermittelte Rollenbilder – mit nationalen wie internationalen Profiteuren.
Den Auftakt zum Programm des Journalistinnenkongresses gab die Philosophin und Buchautorin Lisz Hirn, die an die Eröffnungsreden anknüpfte und Frauen davor warnte, sich mit dem bereits Erreichten zufriedenzugeben. Die aktuelle Lage in der Gleichberechtigungsdebatte vergleicht sie mit dem Dilemma in „Biedermann und die Brandstifter”: Familie Biedermann arrangiert sich mit den Brandstiftern, um verschont zu bleiben – und als Konsequenz fliegt die gesamte Stadt in die Luft. Hirn warnt Frauen davor, sich zu arrangieren, sich mit dem zufriedenzugeben, das sie (vermeintlich) bereits erreicht haben. Denn das fördere das Voranschreiten den gesellschaftspolitischen Backlashes.
Solidarität beschreibt Hirn als wichtig, jedoch nicht nur zwischen den Frauen selbst, sondern vor allem auch zwischen den Geschlechtern. Denn: „Es geht nicht um den Kampf gegeneinander, sondern miteinander. Männer waren im Gleichberechtigungsprozess wesentlich.”
Diskurs, der sich im Kreis dreht
Daniela Kraus, Generalsekretärin des Presseclub Concordia, diskutierte im Anschluss mit den Journalistinnen Melisa Erkurt, Angelika Hager und Christiana Jankovics die Frage, wie die nächste Generation den Kampf um Rechte für Frauen anlege. Für Hager ist eines klar: „Wir müssen aggressiver werden. Auch unter der Gefahr, als feministische Alte bezeichnet zu werden – damit muss man leben.” Denn der Diskurs zur Gleichberechtigung von Frauen drehe sich im Kreis: „Ich sitze seit Jahren bei solchen Diskussionen und habe das Gefühl, wir sprechen immer über dasselbe.”
Christina Jankovics, die maßgeblich an der Erreichung einer Quotenregelung im ORF beteiligt war, appelliert an Journalistinnen, Vereinbarungen schriftlich festzuhalten: „Das Motto heute ist ‚Nix ist fix'. Fix ist, was man niederschreibt.”
Erkurt beschreibt die Gefühlslage vieler, häufig junger, Frauen anhand einer plakativen persönlichen Anekdote: „Immer, wenn ich mich etwas nicht traue, dann denke ich mir: ‚Was würde ein alter weißer Mann machen?' Er würde es einfach tun und jeder würde es ihm abkaufen.”
Aktionismus oder Objektivität?
Nana Siebert, stellvertretende Chefredakteurin von derStandard.at, moderierte die zweite Podiumsdiskussion des Tages und sprach mit den Journalistinnen Rosemarie Schwaiger, Claudia Zettel, Nadia Kailouli und Barbara Toth über den schmalen Grat zwischen Aktionismus und Objektivität. Wie weit dürfen Journalistinnen gehen? „Man soll sich als Journalist nicht mit einer Sache gemein machen. Auch nicht mit einer guten”, meint Schwaiger.
In diesem Zusammenhang wurde auch über die Aktivitäten von Journalisten auf Twitter diskutiert. Zettel etwa meinte dazu: „Nur weil ich auf Twitter meine Meinung schreibe, heißt das nicht, dass ich mich für irgendetwas engagiere. Das wäre vermessen gegenüber tatsächlichen Aktivisten.”
Networking, Workshops und ein reger Austausch mit erfahrenen Journalistinnen machten den erfolgreichen Kongresstag komplett.