••• Von Gianna Schöneich
Business-Querdenker”, „Managementvordenker” – der Spiegel-Bestsellerautor Peter Kreuz hat schon viele solcher Bezeichnungen erhalten – er und seine Co-Autorin Anja Förster gelten als Querdenker abseits des Mainstreams. Beim ersten B2B Marketing Kongress Österreichs, der Anfang Oktober stattfand, war Kreuz als Speaker geladen. Im Interview mit medianet sprach Kreuz über seinen Vortrag und seinen Ruf.
medianet: Herr Kreuz, muss im Bereich B2B-Marketing umgedacht werden?
Peter Kreuz: Ja. Das Umdenken ist aber genau wie Innovation kein einmaliges Projekt, sondern ein dauerhafter Zustand. Eine wichtige Veränderung ist, dass sich die Trennung zwischen B2B und B2C überleben wird. Durch die Digitalisierung erfährt der Businesskunde täglich als privater Kunde bei Firmen wie Amazon oder Google, wie einfach Bestellungen, wie simpel Suchvorgänge und wie schnell Zustellungen sein können. Diese Erfahrungen werden automatisch aufs B2B-Geschäft übertragen. Warum soll die Bestellung eines Maschinenteils komplizierter sein als die Bestellung eines Buchs bei Amazon? Warum dauert die Lieferung Wochen und nicht nur einen Tag? Warum ist die Website meines Lieferanten kompliziert? Warum wird die Reklamation nicht umgehend bearbeitet? Warum kann ich nicht mal schnell mit einem Experten chatten?
medianet: Sie sprachen beim B2B Marketing Kongress. Was waren die Kernaussagen Ihres Vortrags?
Kreuz: Digital verändert unsere Welt von der Kundenbeziehung über die Produktionssteuerung bis zur Kommunikation mit den Zulieferern. Im digitalen Zeitalter müssen Unternehmen ihr komplettes Geschäftsmodell neu erfinden. Und wehe denen, die zu spät kommen. Sagen wir es mal so: Das Festmahl der Disruptoren wird auch Ihr Geschäft treffen. Jetzt ist die Zeit, darüber zu entscheiden, ob Sie mit an der Tafel sitzen wollen oder nur den Braten abgeben.
medianet: Sie werden häufig als Business-Querdenker bezeichnet – wie kommen Sie zu diesem Ruf?
Kreuz: Das ist nichts, was als Jobtitel auf meiner Visitenkarten steht, sondern eine Haltung, mit der ich durchs Leben gehe. Für mich bedeutet es, keine Scheu zu haben, Erfolgsmuster zu hinterfragen, Denkgrenzen zu sprengen, neue Einsichten aufzuspüren, Experimente zu wagen, Misserfolge zu analysieren und wieder von vorn zu beginnen. Das ist mein Lebensthema und natürlich auch ein wichtiges Thema in meinen Büchern. Hinter dieser Haltung steht eine tiefe und manchmal auch sehr anstrengende Denkarbeit, die mich einerseits aus Denkroutinen aufweckt und mich andererseits daran erinnert, worum es eigentlich geht: Spuren zu hinterlassen und nicht nur Staub.
medianet: Gemeinsam mit Ihrer Co-Autorin Anja Förster sind Sie auch als Spiegel-Bestsellerautor bekannt – was begeistert die Menschen an Ihren Büchern?
Kreuz: Dafür braucht es relevante Inhalte, die Menschen berühren, und natürlich auch ein glückliches Timing, also mit dem richtigen Thema zur richtigen Zeit am Markt zu sein. Was aber noch wichtiger ist, sind deine Fans. Ich glaube an die Wirksamkeit der „1.000-Fans” Regel. Sie besagt, dass in der Regel 1.000 echte Fans reichen, um einen Künstler oder ein kleines Geschäft zu ernähren. Echte Fans fahren 200 Kilometer und mehr, um bei einer Vortragsveranstaltung dabei zu sein. Sie kaufen die teuren Hardcover-Ausgaben unserer Bücher anstatt nur auf unserem Blog herumzuklicken. Wir erkennen unsere Fans daran, dass sie alle unsere Bücher gelesen haben, sich sehr viele Gedanken über das Gelesene machen und oftmals lange Mails mit Feedback senden. Echte Fans kommunizieren untereinander und erzählen ihren Freuden, Kollegen und der Familie davon und sind so enorm wichtige Unterstützer bei der Weiterverbreitung der Botschaft.
medianet: Ihre Buchtitel sind mindestens so reißerisch wie das, was Sie zu Papier bringen. ‚Hört auf zu arbeiten!', ‚Nein' – das sind Bücher die, meiner Meinung nach, sehr mit Aufbruch und vor allem aber mit einer Aufforderung an die Menschen zu tun haben, etwas an ihrem Leben zu ändern. In Wirklichkeit verbleiben wir dann doch alle in unserem Trott – wie erklären Sie sich das?
Kreuz: Wir beziehen in unseren Büchern Position; die kann man teilen, muss man aber nicht. Wer der Meinung ist, dass er besser damit fährt, mit dem Finger auf die Umstände, das Schicksal oder irgendeine höhere Macht zu zeigen, anstatt die Verantwortung für sein Leben zu übernehmen, ist definitiv nicht gut bei uns aufgehoben. Die Bereitschaft zur Selbstverantwortung ist also die Voraussetzung, ebenso die Bereitschaft zur kritischen Selbstreflexion und der Wille zur Veränderung. Aber gerade Letzteres wagen viele dann doch nicht, weil sie sich vor den möglichen negativen Konsequenzen fürchten. Dabei ignorieren sie das viel größere Risiko: nichts zu tun. Denn die Gefahr, zu scheitern, lauert nicht nur im Neuen, sondern auch im Altbewährten. Wer ewig in der vermeintlichen Sicherheitszone verharrt, verliert Antrieb und Mut. Absolute Sicherheit bedeutet Stillstand. Und Stillstand bedeutet Rückschritt.
medianet: Was funktioniert, wird meist nicht neu gedacht, bzw. ‚was sich bewährt hat, soll auch so bleiben' – wie kann man Menschen aus diesem Denken herausführen?
Kreuz: Das Bewährte ist per se überhaupt nicht schlecht. Problematisch wird es immer dann, wenn es zum Dogma wird. Verhaltensmuster, die bislang erfolgreich funktioniert haben, dürfen nicht den Status der Unberührbarkeit haben. Die Bereitschaft, Herkömmliches permanent auf den Prüfstand zu stellen, sollte daher zur Selbstverständlichkeit werden. Wir brauchen deshalb in Wirtschaft, Politik und Gesellschaft viel mehr bunte Hunde, die den Status quo aus ganz unterschiedlichen Perspektiven betrachten, klug hinterfragen und neue Ideen entwickeln. Vielfalt ist die Grundlage des Lebens. Variantenreichtum, nicht Einheitlichkeit, ist die Grundlage für Erfolg. Bezogen auf Unternehmen, bedeutet es, dass sie eine Ideendemokratie zulassen müssen, die die offene Diskussion über abweichende Meinungen nicht als machtzersetzend scheut, sondern als zukunftsentscheidend sucht.
medianet: Gibt es ein Beispiel, wo sich ein Unternehmen Ihrer Meinung nach erfolgreich geändert und damit Erfolge erzielt hat?
Kreuz: Europas größter Stahlhändler Klöckner & Co. aus Duisburg ist ein spannendes Beispiel. Dort hat man sich entschlossen, nicht darauf zu warten, bis jemand von außen das Geschäftsmodell attackiert, sondern es gilt der Grundsatz, dass man sich lieber selbst das Feuer unterm Hintern macht. Dazu hat man die Digitaltochter kloeckner.i gegründet und die Venture-Capital-Gesellschaft kloeckner.ventures ins Leben gerufen, die sich an Start-ups beteiligt, die das Potenzial haben, die Wertschöpfungskette von Klöckner anzugreifen. Was mir daran gefällt, ist, dass man aus der Defensive in die Offensive gegangen ist. Und das ist richtige Haltung in einer immer komplexeren und sich immer schneller verändernden Welt.