••• Interview: Dinko Fejzuli, Text: Tanja Holz
WIEN. Im Rahmen des Brand Asset Valuator (BAV) – der exklusiven, seit über 25 Jahren global durchgeführten Markenstudie von VMLY&R – wurde bis heute die Wahrnehmung von mehr als 1,5 Mio. Menschen zu mehr als 60.000 Marken in über 50 Ländern erhoben. In Österreich wurden dieses Jahr knapp 1.000 Marken erhoben. 2021 wurden repräsentativ für die österreichische Bevölkerung zwischen 16 und 69 Jahren über 3.400 Personen in acht Zellen befragt.
VMLY&R Vienna-Geschäftsführer Sebastian Bayer erklärt im medianet-Interview, welchen Nutzen Marken aus den BAV ziehen können und was Hände waschen damit zu tun hat.
medianet: Was ist der BAV und welchen Nutzen bringt er Ihnen als Agentur und den Kunden?
Bayer: Der BAV ist die weltgrößte und am längsten laufende Markenstudie. Wir haben spezielle Teams in New York und London, die sich nur mit dem BAV beschäftigen und auch den wissenschaftlichen Hintergrund stetig weiterentwickeln. Dazu arbeiten wir mit einer Reihe von führenden amerikanischen Universitäten zusammen, in welchen der BAV auch fester Bestandteil der Ausbildung ist. Warum tun wir das? Wir wollen wissen, was Marken eigentlich ausmacht und warum sich manche Marken gut entwickeln und manche schlecht.
Dabei zeigt sich deutlich, dass die Differenzierung ‚Wie anders bin ich als Marke' und die Relevanz ‚Wie sehr schätzen die Menschen ein, dass ich wichtig für sie bin' die zwei Grunddeterminanten sind, ob eine Marke überhaupt eine Bedeutung erlangen kann. Marken, die das über einen großen Zeitraum gut machen, haben die Chance, die beiden anderen wichtigen Dimensionen aufzubauen, nämlich Wertschätzung und Vertrautheit.
medianet: Und welche Hürden gilt es bei genau dieser Frage zu überwinden?
Bayer: Wenn man als Marke für die Menschen nicht eine einzigartige Geschichte erlebbar machen kann (Brand Experience), wird man das aber nicht erreichen. Neben einem einzigartigen Markenerlebnis gibt es als zweite Dimension noch die Customer Experience (CX), die der funktionale Connect ist.
Diese wird als Hygienefaktor von jeder Marke beherrscht werden müssen und sich ähnlich wie die Bedeutung von Händewaschen – oder Körperpflege ganz grundsätzlich – für die Partnerwahl verhalten: Sie wird so selbstverständlich sein, dass niemand eine Marke nur wegen einer tollen CX wählen wird, aber wenn sie nicht da ist, wird sie dramatisch abgehen.
medianet: Welchen Vorteil hat eine gute Brand Experience?
Bayer: Wir können durch die Studie einen belegbaren Zusammenhang zwischen dem wirtschaftlichen Erfolg eines Unternehmens und der Performance in unserer Studie herstellen. Wie viel Unternehmenswert ich als Marke über Marketing zu erzielen schaffe, hängt stark damit zusammen, wie gut meine Geschichte ist. Das kann einen Unterscheid von Faktor drei ausmachen. Das heißt: Drei Mal so viel wirtschaftliche Performance – und das bei gleichem eingesetzten Budget.
medianet: Wenn man sich die Top 100-Marken in Österreich nun ansieht, müssen sich diese zum einen zu Unternehmen differenzieren, die etwas völlig anderes machen, und zum anderen auch innerhalb der eigenen Gattung. Wie kann man es schaffen, sich gegen beide durchzusetzen?
Bayer: Es ist, glaube ich, ganz wichtig, zu sagen, dass der BAV die Markengeschichte unabhängig davon, wie viel Geld eine Marke ausgibt, misst. Sprich, es wird in erster Linie die Qualität der Geschichte gemessen. Deshalb misst der BAV ganz bewusst im Brandscape und vergleicht alle Marken miteinander. Das heißt, wir setzen die 1.000 erhobenen Marken miteinander in Beziehung, weil der Mensch nur eine gesamthafte Wahrnehmung hat, die er dann in Form von Aufmerksamkeit, aber auch Geld auf alle Marken verteilt. Bin ich beispielsweise in meiner Branche total super, aber den Menschen ist eine andere Branche viel wichtiger, werde ich trotzdem nicht viel bewegen können.
Daher ist es uns ganz wichtig, Marken in Beziehung außerhalb der Branche zu setzen, weil die Menschen im Kopf nicht in Branchen unterscheiden. Zusätzlich gibt es einen klaren Wandel von Besitz in Richtung Erleben – oder anders gesagt: Experience. Die Digitalisierung ermöglicht es, dass erfolgreiche Unternehmen eine Experience schaffen, die über das Produkt hinausgeht.
Und die Menschen sind mittlerweile so anspruchsvoll, dass die letzte beste Experience die Erwartungshaltung für die nächste Experience definiert. Wenn mir Netflix ein tolles Erlebnis bietet, will ich das morgen auch von meinem Auto oder Supermarkt haben.
Das heißt auch, dass die Branchenzugehörigkeiten immer mehr verschwinden und alle Marken auf der Erlebnisebene miteinandern in Konkurrenz stehen. Experience ist die eine Branche der Zukunft.
medianet: Wie sind die BAV-Ergebnisse in anderen Ländern?
Bayer: Man merkt, dass die großen plattentektonischen Bewegungen auf der ganzen Welt die gleichen sind. Österreich ist sogar ein Land, das ein bisschen hinterherhinkt. Den Experience Shift, den man gesehen hat, gab es beispielsweise in den USA schon länger. Man muss aber auch sagen, dass der Gap durch globale Communities und ein global vernetztes Wirtschaftssystem immer geringer wird, weil sich die Marken durch digitale Geschäftsmodelle immer schneller ausbreiten können.
medianet: Techunternehmen besetzen immer mehr Plätze vorne in der Liste. Was bedeutet das für klassische Marken?
Bayer: Ich glaube, das man in Zukunft weniger zwischen Unternehmen, die physische Produkte herstellen, und solchen, die sozusagen eine Technologiemarke sind, unterscheiden wird. Es gibt am Ende nur mehr Platz für die, die beides können.