••• Von Paul Hafner
WIEN. Anfang des Jahres 2022 konstatierte der internationale Zahlungsdienstleister Paysafe via Aussendung, dass Kryptowährungen „vor dem Durchbruch in Österreichs Online-Handel” stünden. Als Grundlage wurde eine bei Sapio Research in Auftrag gegebene Studie herangezogen, wonach der heimische E-Commerce „Riesenschritte” in Richtung Zahlen mit Bitcoin und Co. mache: 23% der heimischen Onlineshops würden demnach, Stand Ende 2021, bereits jetzt Kryptowährungen im Checkout akzeptieren, darüber hinaus wolle fast jeder zweite (46%) befragte Shopbetreiber innerhalb der nächsten zwölf Monate Kryptowährungen an der digitalen Kasse einführen. Mehr als ein Drittel (35%) der Händler könne sich sogar vorstellen, „mittelfristig nur mehr solche Zahlungsmittel zu akzeptieren”.
Ungeachtet der kaum repräsentativ anmutenden Zahlen und vorauseilenden Verheißungen dürfte der versprochene Durchbruch noch länger auf sich warten lassen. Dafür gibt es verschiedene Gründe, die weit über die Volatilität der Coins und Tokens hinausgehen.
Valuta oder Asset?
Mit der Ökosozialen Steuerreform traten per 1. März 2022 erstmals ausdrückliche gesetzliche Regelungen zur Besteuerung von Kryptowährungen in Kraft. Entgegen ihrer (auch im Gesetzestext verwendeten) Bezeichnung als Währung werden die digitalen Vermögenswerte nunmehr wie Aktien, Derivate und andere Finanzprodukte behandelt – und damit als Kapitalanlage, welcher nicht der gesetzliche Status eines Zahlungsmittels zukommt. Gleichwohl hält das Einkommenssteuergesetz fest, dass Kryptowährungen „von natürlichen oder juristischen Personen als Tauschmittel akzeptiert werden” und „auf elektronischem Wege übertragen, gespeichert und gehandelt werden können” (§ 27b Abs 4 EStG).
Die Gleichstellung mit Wertpapieren bedeutet, dass jegliche gewinnbringende Veräußerung von Coin- bzw. Tokenbeständen zu einem steuerpflichtigen Akt wird. Jeder Krypto-Zahlungsvorgang – ob es um eine Wurstemmel oder ein Auto geht – stellt eine Veräußerung dar, die (ungeachtet ihrer Höhe) im Gewinnfall mit 27,5% versteuert werden muss. Der Gewinnfall, eine „realisierte Wertsteigerung”, liegt vor, wenn der Wert der jeweilige Kryptowährung zum Zeitpunkt ihrer (Teil-)Veräußerung über jenem zum Zeitpunkt ihres Erwerbs liegt.
Das Finanzamt nascht mit
In den Alltag übersetzt, bedeutet das: Wer z.B. Bitcoin erwirbt und nach einer Kurssteigerung damit einkaufen geht, ist gesetzlich verpflichtet, den dabei realisierten Gewinn mit 27,5% zu versteuern. Zur Veranschaulichung: Sind die um 100 € erworbenen Bitcoin aktuell 200 € wert (eine Kurssteigerung von 100%) und wird damit eine 200 € teure Hose gekauft, fallen zusätzliche 27,50 € – 27,5% des realisierten Gewinns – an, die via Einkommenssteuererklärung an das Finanzamt gemeldet werden müssen.
Skepsis unter Konsumenten
Freilich wird eine unbeglichene Steuerschuld von knapp 30 € das Finanzamt nicht auf den Plan rufen (der Kauf eines Autos im Wert von 15.000 € dagegen durchaus), doch ist festzuhalten, dass die gegenwärtige Gesetzeslage dem Zahlen mit Krypto nicht entgegenkommt. Wer regelmäßig mit Kryptowährungen zahlt, muss sich de facto zwischen gehörigem Aufschlag samt mühevoller Dokumentation oder Steuerhinterziehung entscheiden – das gilt im Übrigen auch für „Kryptokarten” wie jener der heimischen Handelsplattform Bitpanda (bei der im Übrigen nicht, wie man annehmen sollte, direkt mit Krypto gezahlt wird, sondern das jeweilige Asset zuvor automatisch in Fiatgeld wie Euro, US-Dollar etc. getauscht – und damit ebenfalls veräußert – wird).
Doch nicht nur die juristische Einstufung von Kryptowährungen ist eine Hürde für deren Einzug in den Zahlungsalltag: „Mangelndes Vertrauen ist der entscheidende Faktor für die anhaltende Skepsis gegenüber digitalen Zahlungsmitteln in Teilen der Bevölkerung”, erklärte Handelsverband-Geschäftsführer Rainer Will anhand der Ergebnisse einer Konsumentenumfrage inmitten des letzten Bullenmarkts. 14% der insg. 1.000 Befragten hatten zu diesem Zeitpunkt in Kryptowährungen investiert, nur vier Prozent und – damit weniger als ein Drittel der Investoren – diese auch als Zahlungsmittel benutzt. „Die Hälfte der Österreicherinnen und Österreicher beurteilt Kryptowährungen aufgrund der Kursvolatilität als risikoreich, 41 Prozent fürchten sich vor Hackerangriffen bei der Nutzung digitaler Zahlungsmittel”, so Will.
Kritik in den Medien
Angesichts anhaltender Kursabstürze, der zunehmenden Berichterstattung über Betrugsmaschen und überwiegend negativer Meinungsartikel – ein Kommentar von Publizist Eric Frey im Standard im Mai titelte etwa „Stoppt den Kryptowahnsinn” – ist davon auszugehen, dass die generelle Skepsis gegenüber Kryptowährungen in der Bevölkerung bis auf Weiteres eher zu- als abnehmen wird. Nicht zu vergessen ist darüber hinaus, dass mit El Salvador im vergangenen Herbst erstmals ein Staat Bitcoin als gesetzliches Zahlungsmittel eingeführt hat – und dabei primär mit technischen Problemen und geringer Resonanz bei Händlern und Konsumenten Schlagzeilen gemacht hat.
Buy & Hold
In Summe sprechen gegen den baldigen Durchbruch der Kryptowährungen als Zahlungsmittel im heimischen Handel somit nicht nur ihr mit der Ökosozialen Steuerreform einzementierter Status als Kapitalanlage, der sie für Einkäufe aller Art aufgrund der genannten steuerlichen Implikationen völlig untauglich macht, sondern auch, dass es dafür schlichtweg kaum Bedarf aufseiten der Konsumenten gibt, auch nicht bei den glühendsten Anhängern: „Bitcoin ist in seiner heutigen Form eine spekulative Wertanlage”, gibt der österreichische Finanzexperte und Bitcoin-Podcaster Nikolaus Jilch zu bedenken. Wer Kryptowährungen kauft, tut dies im Allgemeinen nicht, um sie bei der nächsten Gelegenheit zu verscherbeln, sondern betrachtet sie als Wertanlage.
Noch in den Kinderschuhen
Es mag nicht die Intention hinter der Entwicklung gewesen sein, entspricht aber der Realität: Bekanntermaßen übertrifft Bitcoin in Sachen Volatilität Aktien um Längen – und das Gros der anderen Kryptowährungen, der sogenannten Altcoins (Alternative Coins), ist von noch massiveren Kursschwankungen betroffen.
Die Frage, ob sich Kryptowährungen hierzulande in absehbarer Zeit als relevante und verbreitete Zahlungsmittel etablieren werden, kann getrost verneint werden; mit Jilch müsste man die Betonung aber auf das Wort absehbar legen. In einem Interview mit den Oberösterreichischen Nachrichten zog er kürzlich einen symbolischen Vergleich mit dem Internet in den späten 90er-Jahren: „Es haben schon ein paar Leute E-Mail-Adressen, aber es weiß eigentlich keiner so richtig, was er damit anfangen soll.” Bitcoin gebe es erst seit zwölf Jahren; Jilch glaubt, dass die älteste und nach wie vor wichtigste Kryptowährung, deren Börsenwert 2021 zeitweise jenen von Tesla oder Facebook überstieg, „in den nächsten Jahren neben dem klassischen Geldsystem erhalten bleibt”. Sollte sich Bitcoin als System durchsetzen, sei „das Zahlungsmittel sicher ein Teil des Ganzen, aber da wird es noch technologische Veränderungen geben müssen”, so seine Prognose.
Krypto aus dem Automaten
Während die angebotene Zahlung via Kryptowährungen für Onlineshops primär als PR-Maßnahme eingestuft werden kann, machte sich zuletzt eine andere Variante der Krypto-Implementierung als Frequenzbringer für den stationären Handel einen Namen: Die in Wien ansässige Kurant GmbH ist europäischer Marktführer für den Betrieb von Bitcoin-ATMs; ihre Automaten bieten einen niederschwelligen Zugang zum Kauf von fünf der bekanntesten Coins (einschließlich Bitcoin und Ether), die dort ganz klassisch via Geldscheine gekauft werden können.
MediaMarkt, Post und ARBÖ
2017 als Ausgliederung des Bitcoin-Brokers Coinfinity entstanden, betreibt das Unternehmen mittlerweile landesweit über 140 Automaten. Zum wichtigsten Kunden neben Post und ARBÖ avancierte jüngst die Elektronikhandelskette MediaMarkt, die nach einem längeren Testlauf kürzlich Automaten in ihren zwölf umsatzstärksten Filialen aufstellen ließ – darunter jene in den Einkaufszentren Gerngroß, Millennium City, SCS, Shopping City Seiersberg und Pasching Plus City.
„Der Bitcoin-Automat in Wien Mitte war 2019 der erste Schritt, um das Konzept zu testen – mit Erfolg. Da die Frequenz und das Interesse der Kunden sehr hoch sind, wurden nun elf weitere Automaten bei MediaMärkten installiert, um Kunden im ganzen Land diesen Service anzubieten”, so Richard Zweimüller, Vertriebsleiter bei MediaMarkt Österreich.
38.000 Bitcoin-ATM weltweit
„Für den Einzelhandel ergeben sich hier interessante Chancen, einerseits neue Kundschaft anzuziehen und andererseits finanziell am stationären Verkauf von Kryptowährungen zu partizipieren”, erklärt Kurant-Geschäftsführer Stefan Grill. Dem Wiener Unternehmen kommt in Österreich mit einem Marktanteil von über 90% fast schon eine Monopolstellung zu, auch in Griechenland und Deutschland ist man der Platzhirsch. Angesichts des starken Marktwachstums – die Anzahl aller Krypto-ATMs weltweit beläuft sich auf rd. 38.000 in 77 Ländern – scheint es nur eine Frage der Zeit, bis der nächste große heimische Händler einen Automaten in seinem Geschäft aufstellt.