WIEN. In den vergangenen Wochen wurden zahlreiche Prognosen zu den Auswirkungen des Chipmangels auf die Automobilhersteller angestellt. Eine besonders alarmierende veröffentlichte vor wenigen Tagen die Beratungsfirma Alix Partners. Demnach kommen die fehlenden Halbleiter die Industrie fast doppelt so teuer zu stehen wie bisher gedacht.
Der Branche dürften heuer Einnahmen in Höhe von 210 Mrd. USD (knapp 180 Mrd. €) entgehen. Im Mai war Alix Partners noch von 110 Mrd. USD (94 Mrd. €) ausgegangen.
Langfristige Auswirkungen
Hauptverantwortlich für die erwarteten Ertragseinbrüche sind die durch den Chipmangel ausgelösten Produktionsrückgänge in diesem Jahr von bis zu 7,7 Mio. Fahrzeugen weltweit. Im Mai war das Beratungsunternehmen noch von einem Rückgang von 3,9 Mio. Wagen ausgegangen, das britische Forschungsinstitut IHS Markit hat in seiner aktuellen Schätzung die erwartete Jahresproduktion kürzlich um fünf Mio. Autos auf 75,8 Mio. Fahrzeuge gesenkt.
Die IHS-Experten haben gleichzeitig aber auch ihre Erwartungen für das nächste Jahr revidiert: Sie gehen nun von 82,6 Mio. gebauten Fahrzeugen 2022 aus – das sind um neun Prozent weniger als bisher gedacht.
Zulieferer stärker betroffen
Während die Autobauer dies zum Teil mit höheren Fahrzeugpreisen kompensieren könnten, täten sich die Zulieferer damit aber schwerer, analysierte Marcus Kleinfeld von Alix Partners in Deutschland. Deshalb treffe der Chipmangel sie noch stärker als die Autobauer, wie aktuell das Beispiel von Hella zeigt. Der deutsche Scheinwerfer- und Elektronikspezialist strich kürzlich seine Geschäftsprognosen zusammen. Hella rechnet nun mit einem Umsatz im laufenden Geschäftsjahr bis 31. Mai 2022 von 6 bis 6,5 Mrd. €, bisher war der Vorstand von 6,6 bis 6,9 Mrd. € ausgegangen.
Auch der französische Autozulieferer Faurecia kappte seine Jahresziele. Faurecia ist derzeit dabei, Hella zu übernehmen. Der Umsatz werde mit 15,5 Mrd. € rund eine Mrd. € niedriger ausfallen als bisher gedacht, hieß es von den Franzosen.
Kapazitäten-Aufbau schwierig
Die Chipflaute belastet die Branche mittlerweile seit Monaten. Zunächst hatten sich die großen Auftragsfertiger in der Coronakrise auf Halbleiter für Verbraucherelektronik verlegt, um die hohe Nachfrage zu decken. Hinzu kamen heuer Produktionsausfälle bei Chipherstellern in Japan und Texas sowie Corona-Lockdowns in Malaysia und anderen asiatischen Staaten.
Weltweit sind Halbleiter derzeit knapp, der von den Chipfertigern für viel Geld angestoßene Aufbau neuer Kapazitäten gestaltet sich langwierig. (red)