WIEN. Die Lieblingsmusik streamen, E-Mails verschicken und Stauinformationen in Echtzeit erhalten: Längst ist das mobile Internet auch ins Auto eingezogen und macht Fahrzeuge zu persönlichen Assistenten auf vier Rädern – vernetzt mit dem Fahrer, seiner Umgebung und untereinander. Theoretisch, denn laut dem zweiten „Connected Vehicle Trend Radar” von Capgemini Invent kann die Branche die Potenziale, die sich durch die rasante Entwicklung von Connected Services ergeben, noch immer nicht voll ausschöpfen.
Geringe Marktdurchdringung
Der Untersuchung zufolge verfügen erst 56% der weltweit befragten 3.000 Verbraucher über vernetzte Dienste in ihren Fahrzeugen und nur jeder zweite davon nutzt diese häufig oder sehr häufig, 29% immerhin gelegentlich. Zudem sagen zwei Drittel, dass vernetzte Dienste den Wert eines Autos erhöhen und das Fahrerlebnis verbessern würden. „Dies zeigt, dass die OEMs den Markt für vernetzte Dienste noch nicht umfassend durchdringen konnten”, sagt Simon El Dib, Head of Capgemini Invent Austria und Experte für datengetriebene Geschäftsmodelle bei Capgemini in Österreich.
Um verlorenes Terrain aufzuholen, müssten die Hersteller nun laut dem Capgemini-Experten schnell handeln – die Kluft zwischen ihnen und ihren digitalen Wettbewerbern werde nämlich mit jedem Tag größer.
Wertschöpfung zurückholen
Dabei könnte auch eine Öffnung des Connected Services-Portfolios für Anwendungen von Drittanbietern für die Hersteller eine Möglichkeit sein, um ihre Poleposition gegenüber ihren digitalen Wettbewerbern zurückzuerobern, wie El Dib erklärt. Viele Nutzer würden bereits auf Anwendungen von großen Technologieunternehmen zurückgreifen, sodass der Zugang zu diesen Anwendungen über die Benutzeroberfläche des Fahrzeugs ein wichtiger Schlüssel sein könnte, um sich die Schnittstelle zum Kunden und seiner Daten zu sichern.
Simon El Dib weiter: „Die meisten Hersteller neigen dazu, die Wertschöpfung von vernetzten Diensten genauso anzugehen, wie sie Fahrzeuge produzieren. Sie erledigen die meisten Arbeiten selbst, indem sie Komponenten – und auch Services – von Zulieferern zusammenbauen, anstatt ihr Connected Car-Ökosystem für Premium-Partner zu öffnen, die hier schon weiter sind. Doch der Verlust von Marktanteilen bei vernetzten Diensten schlägt sich in verloren gegangenen Umsätzen nieder – oder, noch gravierender, kann dazu führen, dass Hersteller zum Lieferanten für Technologieunternehmen werden.”
Unterschiedliche Bewertung
Die Studie zeigt ein weiteres Problem auf; demnach werden vernetzte Dienste der Hersteller von vielen Verbrauchern auch gar nicht angenommen. Von den 23 untersuchten Kategorien würden sicherheitsbezogene Angebote im Auto wie intelligente Assistenzsysteme am meisten geschätzt. Großen Wert messen die Verbraucher Diensten wie der Kollisionswarnung und Gefährdungswarnung (z.B. bei Glätte oder Straßenschäden) sowie Diebstahlerkennungssystemen/Fahrzeugfinder bei. Die Lieferung von Einkäufen oder Paketen ins Fahrzeug (In-Car Delivery) stoße hingegen auf das geringste Interesse.
Die Zahlungsbereitschaft ist dabei in allen Kategorien relativ gering: 39% der Verbraucher gaben an, dass die Dienstleistungen nützlich, aber nicht ausreichend entwickelt sind, während weitere 23% sich ihrer Vorteile nicht bewusst sind.
„Die traditionellen Hersteller müssen daher sicherstellen, dass sie die Verbraucher mit den von ihnen gewünschten Dienstleistungen ansprechen und auch über die Vorteile informieren”, sagt Simon El Dib abschließend. „So können sie ihre vernetzten Dienste und Tools zu einem Alleinstellungsmerkmal machen.” (red)