„Wir bringen das Netflix-Modell in den Automarkt”
© Raphael Just
MOBILITY BUSINESS Redaktion 16.09.2022

„Wir bringen das Netflix-Modell in den Automarkt”

Christian Clerici von Vibe über das Auto-Abo-Konzept seines Unternehmens und die Zukunft der Mobilität.

••• Von Jürgen Zacharias

Die Zahl der neu zugelassenen Elektroautos wird heuer wohl nur leicht ansteigen. Bestenfalls. Denn mit Stand Ende Juli liegen die Stromer-Neuzulassungen sogar um 2,5 Prozent unter dem Vorjahreswert. Das Minus ist angesichts eines um knapp 20% rückläufigen Neuwagenmarkts zwar moderat und der Marktanteil mit 16.911 verkauften Fahrzeugen sogar gestiegen, für Christian Clerici ist die Entwicklung aber trotzdem zu langsam. „Wir müssen die Mobilitätswende schneller vorantreiben”, sagt der umtriebige Automobil-Enthusiast im Gespräch mit ­medianet automotive business. Wie das Team von vibe dabei helfen will, die Zahl der Elektro-Neuzulassungen deutlich zu steigern, verrät er im nachfolgenden ­medianet-Interview.


medianet:
Herr Clerici, Sie gelten seit Jahrzehnten als einer der umtriebigsten Köpfe in der heimischen Automobilszene. Warum hat es Ihnen das Auto dermaßen angetan?
Christian Clerici: (lacht) Weil ich aus einer Generation komme, in der ein Führerschein und das erste Auto noch große Ziele waren und beides mit Freiheit konnotiert wurde. Die Urlaubsreisen mit der Familie haben immer im Auto stattgefunden und mein Vater hat dabei stets viel Wert auf das richtige Auto gelegt. Das färbt natürlich ab und über die Jahre entwickelte sich dann in mir eine unglaubliche Lust auf Autos – wobei mich Design, Heritage und Motorsport ebenso faszinieren wie die Technik und das mit einem Auto verbundene Gefühl von Freiheit. Ein Auto ist im Grunde eine der schönsten Formen der individuellen Fortbewegung und ich würde mich durch und durch als Car Guy bezeichnen.

medianet:
Mit dem Auto in Berührung gekommen sind Sie aber in einer Zeit, als Fahrzeuge noch ausschließlich mit Diesel und Benzin angetrieben wurden. Heute drängen immer mehr Elektroautos in den Markt.
Clerici: Gut so! Wenn wir etwas verändern wollen, können wir nicht mehr so weitermachen wie in den vergangenen Jahrzehnten. Es braucht die Mobilitätswende besser gestern als morgen und dazu wollen wir mit vibe unseren Teil beitragen.

medianet:
vibe ist eine seit etwa zwei Jahren am heimischen Markt agierende Plattform für Elektroauto-Abos, bei der Sie für den Bereich Content & Creation und Networking verantwortlich sind.
Clerici: Richtig, wobei ich noch ergänzen würde, dass unsere Unternehmensgeschichte fast ein Jahrzehnt zurückreicht. Damals wurde unter anderem Namen ein Start-up von Leuten gegründet, die schon sehr früh erkannt haben, dass sich der Neuwagenverkauf immer mehr in den digitalen Bereich verlagern wird. Damals wurden wir dafür belächelt, aber heute zeigt sich, dass unser Ansatz richtig war. Wir haben damit eine ganz wichtige Marktentwicklung vorweggenommen.

medianet:
vibe hat mit seinem Auto-Abo-Modell frühzeitig auch noch auf eine andere Marktentwicklung gesetzt, die nun verstärkt aufkommt.
Clerici: Auch das ist richtig, wobei ich sogar noch einen Schritt weitergehen würde: Wir verfolgen mit vibe nämlich nicht nur neue Ansätze im Vertrieb, sondern bekennen uns ganz klar zum immer offensichtlicheren Wandel am Automarkt. Daher unser klarer Fokus auf Elektroautos. Daher aber auch unser Ansatz, Mobilität zum Fixpreis anzubieten und dabei auf Wunsch sogar die Stromkosten zu inkludieren. Versteckte Kosten gibt es bei uns nicht. Kunden sollen zu jeder Zeit ganz genau wissen, was sie das Auto in diesem Monat, aber auch im nächsten Monat oder in einem Jahr kosten wird. Das schließt alle Kosten für Abgaben und Gebühren, Servicearbeiten, die Bereifung und Versicherungen mit ein. Wir kümmern uns sogar um Werkstatttermine und die Abwicklung von Schadensfällen.

medianet:
Bei vibe bekommt man also alles aus einer Hand?
Clerici: Ja, und dazu noch das gute Gewissen, emissionsfrei unterwegs und höchst flexibel zu sein. Mit unserem Sechs-Monats Abo können Kunden schon nach einem halben Jahr ihr Elektroauto wechseln oder die Laufzeit verlängern und von geringeren Kosten profitieren. Wir bringen damit das von Streamingdiensten wie Netflix oder Spotify bekannte Prinzip in den Automarkt.

medianet:
Wie kommt der Ansatz am Markt an? Wie viele Auto-Abos konnte vibe in Österreich bereits abschließen?
Clerici: Wir sprechen prinzipiell über keine Zahlen, sehen uns mittlerweile aber im B2B-Bereich als Marktführer mit starken Zuwachsraten. Das ist für uns aber auch nicht überraschend, denn wir nehmen das Thema Elektromobilität wirklich ernst und haben längst verstanden, dass das Abo-Geschäft mit Mobilität keine Resterampe aus dem Verbrenneruniversum ist. Es braucht vielmehr einen echten Technologie-Change, um die Mobilitätswende hinzubekommen. Wollen wir in Zukunft möglichst CO2-neutral fahren, sind Elektroautos ein ganz wichtiges Puzzlestück.

medianet:
Haben das die potenziellen Kunden am Markt bereits verstanden? Oder müssen Sie noch viel Überzeugungsarbeit leisten?
Clerici: Beides, wobei wir die Mobilitätswende lustvoll betrachten und die Emotionalität der Technologie in den Vordergrund stellen, anstatt unsere Energie in eine Antriebsdiskussion zu stecken. Wer einmal ein Elektroauto gefahren ist, will ohnedies nichts anderes mehr. Diese Begeisterung wollen wir auch für alle anderen spürbar machen und unsere Community bei der Kommunikation ihres Umstiegs auf vibe mit einer eigenen Storyline unterstützen. Dafür haben wir mit ‚Beyond' eine eigene Cotentplattform, auf der unterschiedlichste Formate noch mehr Akzeptanz und Verständnis für die Antriebsart schaffen. Gute, authentische und humorvolle Geschichten überzeugen einfach. Wandel darf Spaß machen!

medianet:
vibe wirbt marken- und modellunabhängig mit kurzen Lieferzeiten. Wie lassen sich diese realisieren, wo es am übrigen Markt unter mehreren Monaten Wartezeit praktisch nichts mehr geht?
Clerici: Das ist nur möglich, weil wir rechtzeitig gut eingekauft haben. Dazu kommt, dass wir nur eigene Autos anbieten und unsere Flotte mittlerweile so groß ist, dass wir immer auch neuwertige Fahrzeuge im Rücklauf haben. Wenn beispielsweise jemand auf ein anderes Modell umsteigt, können wir einem neuen Kunden sofort ein E-Fahrzeug anbieten, das sonst nirgendwo verfügbar ist. Und sollte doch einmal ein bestimmtes Modell nicht sofort lieferbar sein, stellen wir ein vergleichbares Übergangsfahrzeug zur Verfügung. So kann bei uns jeder, der sich für Elektromobilität begeistert, nahezu sofort einsteigen und losfahren.

medianet:
Sie haben zuvor die heimische Marktführerschaft im B2B-Bereich angesprochen. Wie sehen vor diesem Hintergrund die nächsten Ziele aus?
Clerici: Natürlich haben wir die Zielsetzung, weiter zu wachsen und den Erfolg im B2B-Geschäft auch auf den B2C-Markt auszudehnen. Wie schnell das geht, hängt neben unseren eigenen Ideen und Strategien auch maßgeblich von der Verfügbarkeit der Fahrzeuge ab, aber auch davon, wie konsequent der Ausbau von Ladeinfrastruktur voranschreitet, wie sich der Energiemarkt entwickelt. Wir merken aber: Das Abo ist ein wirklich guter Begleiter. In einer Zeit, in der sich Dinge schnell und unberechenbar verändern, bleibt man damit extrem flexibel. Und wir pflegen guten Kontakt zu Herstellern und Händlern, haben wir doch ein übergeordnetes, gemeinsames Interesse: den Wandel so schnell und attraktiv wie möglich auf die Straße zu bringen.

medianet:
Inwieweit beschäftigen Sie sich auch mit einer Internationalisierung ihrer Geschäftsidee?
Clerici: Das ist auch Teil unserer Agenda, und es gibt schon wirklich spannende Ideen. Die Vorbereitungen für die Skalierung von vibe in anderen europäischen Märkten laufen bereits.

BEWERTEN SIE DIESEN ARTIKEL

TEILEN SIE DIESEN ARTIKEL