„Bei Werbung wird zu leichtfertig gekürzt”
© Martina Berger
PRIMENEWS Redaktion 12.06.2020

„Bei Werbung wird zu leichtfertig gekürzt”

IAA-Präsident Walter Zinggl erklärt im medianet-Talk, ­warum gerade jetzt in die Marke investiert werden muss.

••• Von Dinko Fejzuli

Es ist wie ein gelernter Mechanismus. Kaum werden die Zeiten wirtschaftlich schwieriger, ziehen Marketingverantwortliche die Notbremse und stoppen oftmals als erste Sparmaßnahme die Marketing-Aktivitäten, die dann wie ein Dominoeffekt viele angrenzende Branchen und vor allem die Medien hart treffen.

Warum dies der falsche Weg ist und man stattdessen gerade in Zeiten wie wir sie gerade jetzt erleben etwa in die eigene Marke investieren sollte, darüber spricht IP Österreich-Geschäftsführer und IAA-Präsident Walter Zinggl im ausführlichen medianet-Gespräch.

medianet:
Herr Zinggl, man sagt immer, das erste Opfer einer Wirtschaftskrise seien stets die Marketing-Budgets, die reflexartig gekürzt würden. Worauf führen Sie das zurück und wie sehr haben Sie das in Ihrer Funktion als Geschäftsführer der IP gespürt?
Walter Zinggl: Die Ursache dieses Übels ist wahrscheinlich die falsche Zuordnung: Werbe- und Kommunikations-Ausgaben werden immer noch als Kosten behandelt – und nicht als Investitionen. Keinem Unternehmen würde es so leicht fallen, Investitionen in z.B. Forschung & Entwicklung zu kürzen, wie es offensichtlich leichtfällt, bei Einsparungsnotwendigkeiten die ‚Kosten' für Kommunikation und Markenaufbau ‚zusammenzustreichen'. Und ja, wir haben in der IP alleine im März und April Storni von 3,9 Mio. von gebuchter TV-Werbung erhalten. Im Zeitraum 13. März bis Ende Juni hat sich das dann auf 6,2 Mio. Euro summiert …

medianet:
Um genau diesem Reflex entgegenzuwirken, hat die IAA, deren Präsident Sie ja sind, eine groß angelegte Multichannel-Kampagne gestartet, die die Werbetreibende Wirtschaft genau vom Gegenteil überzeugen soll, nämlich genau jetzt zu investieren. Warum zahlt es sich aus, kommunikativ gerade jetzt die Stimme lauter zu drehen?
Zinggl: Da sind viele Faktoren: In einem verringertem Gesamtwerbedruck sind Kampagnen sicht- und hörbarer, die Mediennutzung ist nie so hoch wie in Krisensituationen, wo Menschen nach Informationen und Unterhaltung lechzen, die Re-Assurance von bestehenden Verwendern und das Gewinnen von neuen; am Ende des Tages zeigen unzählige Untersuchungen aus vergangenen Krisen (und die Finanzkrise 2008/9 ist ja allen noch in guter Erinnerung), dass Unternehmen, die keinen Kommunikations-Stopp eingelegt haben, den Aufschwung nach einer Krise (und jede Krise endet) viel schneller ‚mitnehmen' und dadurch Umsatz, Marktanteile und ROI steigern.

medianet:
Jene, die das nicht tun, führen ja als Grund für die Kürzungen die Nachteile antizyklischen Werbens an, nämlich, dass sie entweder außerhalb der eigenen Saison werben würden bzw. dass aufgrund der derzeit schlechteren Konjunktur die Konsumenten eher weniger ausgeben würden und so der Werbe-Euro unnütz aus­gegeben sei. Was sagen Sie denen?
Zinggl: Gehen Sie einfach auf https://www.iaa-austria.at/iaa-jahreskampagne/ und sehen Sie sich die Untersuchungen, die als Quelle angegeben sind, persönlich an: Starten Sie einfach Ihren persönlichen desk-research unter den wissenschaftlich erwiesenen Effekten und machen Sie sich selbst ein Bild (und übersehen Sie keinesfalls ‚Binet/Fields' im Auftrag der IPA (The Institute of Practitioners in Advertising, Großbritannien).

medianet:
Gibt es Beispiele für Unternehmen, die Ihrem Rat folgen und gerade in Zeiten der Krise die Vorteile der geringeren Werbekosten, der kleineren Konkurrenz oder der höheren Aufmerksamkeit und Sichtbarkeit folgen?
Zinggl: Ja, sowohl international als auch in Österreich – ein Blick in den Werbeblock eines TV-Senders reicht.

medianet:
Generell gefragt: In welche Parameter zahlen Marketingmaßnahmen in so schwierigen Zeiten wie diesen vor allem ein beziehungsweise für welche wären sie besonders geeignet? (Marktanteile, Imagewerte, …)
Zinggl: Das ist natürlich von Segment zu Segment unterschiedlich, aber ganz simpel ausgedrückt: Wenn Sie einem Menschen vertrauen und genau dieser Mensch stoppt in einer ihrer persönlichen Krise die Kommunikation zu Ihnen, was halten Sie dann von so einem Menschen? Und jetzt ersetzen Sie ‚Menschen' durch ‚Marke'.

medianet:
Manche Unternehmen würden vermutlich Ihrem Rat folgen, können es sich aber aufgrund ihrer derzeitigen Lage einfach nicht leisten. Was raten Sie in so einem Fall, bzw. gibt es u.U. seitens der IP spezielle An­gebote für diese Kundenschicht?
Zinggl: Wenn man gerade ums Überleben des Unternehmens kämpft, dann sind solche Ratschläge Nonsens. Aber auch die IP Österreich versucht, ihren Beitrag zu leisten, um die (Post)-Covid-19-Krise zu bewältigen: Wir haben natürlich spezifische Angebote entwickelt, die wir gerne in im persönlichen Kontakt erläutern.

medianet:
Bleiben wir bei der IP: Der Lockdown hat u.a. dazu geführt, dass der TV-Konsum gestiegen ist. Wie sehr kann man das aber überhaupt kapitalisieren?
Zinggl: Einfache Antwort, gar nicht und wie zu Beginn schon erwähnt: Auch wir wurden von der Krise erwischt und mussten unsere Umsatzerwartung deutlich nach unten revidieren. 2020 wird wohl für niemand in der Kommunikations-Industrie ein Jubeljahr … Ich hoffe nur, dass ich jetzt nicht mehr ‚TV stirbt' oder ‚die jungen Menschen schauen kein TV' hören oder dagegen argumentieren muss: Wir – und alle TV-Vermarkter – verzeichnen und verzeichneten Rekordreichweiten in allen Zielgruppen!

medianet:
Sie vermarkten neben großen TV-Sendern auch Angebote wie Sky Sport Austria, R9 und schauTV und nun auch krone.tv. Wie bewerten Sie die Bedeutung dieser Werbeflächen für Kunden und für wen sind sie besonders geeignet?
Zinggl: krone.tv ist eines der spannendsten Medien-Projekte der letzten Jahre, und wir sind sehr froh, das begleiten zu dürfen. In der Entwicklung aus einem Medienhaus, das höchst erfolgreich Print-, Online- und Hörfunk-Medien führt, wird ein TV-Sender entstehen, der für jeden Werbetreibenden einen Mehrwert anbieten kann. Ich freue mich sehr auf den Start des Senders am 1. September dieses Jahres. Und für uns in der IP ist es nun bereits der vierte Sender, in dem wir unseren Kunden österreichischen Content als Umfeld ihrer Botschaften anbieten können. Trotzdem werden uns die ‚Auskenner' weiterhin ‚Fenster-Vermarkter' nennen, aber die Frage nach dem cui bono beant­wortet sich immer mehr von selbst …

medianet:
Zum Schluss die Frage nach einer ersten Zwischenbilanz mehrere Wochen nach Beginn des Lockdowns. Wie beurteilen Sie die derzeitige Lage und sehen Sie Anzeichen einer ersten Entspannung bei der Buchungslage?

Zinggl: Wir werden glücklicherweise das zweite Quartal weit über unseren Erwartungen abschließen, speziell die ­Buchungslage im Juni zeigt sehr deutliche Zeichen der Erholung.

Die schwierigen Monate September bis Dezember kommen aber noch – und da wird sich erst weisen, wie tief die wirtschaftliche Krise nach der Pandemie wirklich geht. Let’s keep our fingers crossed!

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