Lustige Ideen allein ­reichen nicht aus
© medianet/Katharina Schiffl
PRIMENEWS Dinko Fejzuli 30.06.2017

Lustige Ideen allein ­reichen nicht aus

GGK Mullenlowe sicherte sich den SPÖ-Wahlkampf-Etat. Wir baten die beiden Geschäftsführer zum Interview.

••• Von Dinko Fejzuli

Mit Ende 2016 verließ Rudi Kobza die Agenturgruppe, um sich ganz seiner Kobza Media Group widmen zu können. Seitdem führen Michael Kapfer, Chief Executive Officer, und Dieter Pivrnec, Chief Creative Officer, die GGK Mullenlowe Group (Lowe GGK, McCann und FCB Neuwien) operativ als Duo.

Gerade aktuell holten die beiden, für viele überraschend, den Wahlkampf-Etat der SPÖ. Aber dazu später mehr.
medianet bat die beiden um eine erste Zwischenbilanz, was so im letzten halben Jahr in und um die Agentur herum passiert ist.
„Grundsätzlich haben wir uns, neben all der Arbeit, die uns beschäftigt hat, überlegt, wie wir uns als Agentur in einem sich stark veränderten Umfeld und gänzlich neuen Anforderungen an die Branche aufstellen wollen”, so Dieter Pivrnec über das letzte halbe Jahr und die Fragen aller Fragen, nämlich wie eine Agentur der Zukunft aussehen soll. Denn: Die Branche und die Möglichkeiten für Kunden, zu kommunizieren, werden immer fragmentierter, Auftraggeber holen immer mehr Spezialisten on Bord, doch „je mehr Agenturen an Bord sind, desto mehr wird eigentlich der Markenkern verwässert”, so Pivrnec über ein neues Phänomen. „Diese Spezialisten kennen sich alle technisch aus und die machen das alle ganz gut, aber jeder erzählt eine andere Geschichte. Aus diesem Learning heraus haben wir gesagt, okay, wir stellen uns neu auf, ohne zu sagen wir wollen jetzt auch alle Kanäle bedienen und wir machen jetzt auch eine Content-Agentur, etc.; wir positionieren uns mit unserem Können, Marken erfolgreich strategisch führen zu können.”
Es wäre auch unmöglich, das gesamte Spektrum der Kundenanforderungen abdecken zu wollen, ohne vermutlich 250 Spezialisten in der Agentur sitzen zu haben, denn „das bezahlt kein Kunde”.
Auf der anderen Seite kommen Kunden dann aber zur Agentur und bitten ob dieser Zersplitterung um eine sortierende ­Einschätzung für das Gesamtbild und zwar vom Onlineauftritt über die klassische Werbung, Sponsoring, Events bis Social Media, so Michael Kapfer über die neuen Probleme auf Kundenseite, die es nun zu lösen gilt.

Markendenken zählt

Und genau hier sei der Platz ­einer Agentur wie der GGK Mullen­lowe, so beide gegenüber medianet. „Wir sagen dem Kunden, wir helfen dir, behalte alle diese ­Spezialisten, aber nimm uns dazu, damit wir diesen Agenturen dein Markendenken vermitteln können. Damit all die lustigen Ideen, die da kommen, Markenfit haben. Damit sind wir sehr erfolgreich, und das schätzen unsere Kunden besonders, weil sie, so wie in der vorher beschriebenen Geschichte, völlig überfordert sind und überhaupt nicht wissen, brauch ich jetzt noch eine Content-Agentur, warum sagt die Content-Agentur was anderes als Social Media, und erzählt mir ein dritter, der nur Snapchat bespielt, er weiß genau, wie es dort geht, und im Normalfall ziehen sie dann nicht an einem Strang und erzählen viele unterschiedliche Geschichten, anstatt einer”, so Pivrnec. „Und deshalb haben wir das Thema ‚Branded Interaction' für uns als Kommunikationstool entdeckt.”

„Das ist kein Agenturclaim, sondern ein strategisches Verkaufsversprechen”, ergänzt Kapfer.
Und was heißt das für die Arbeitsweise der Agentur? Hier bekräftigt Kapfer, dass man bestrebt sei, im Gegensatz zu anderen, die viel mit Freelancern arbeiten und den Kunden das Chaos als kreative Interruption verkaufen, das Fachwissen im Haus zu bündeln, um mit den Auftraggebern auf Augenhöhe sprechen zu können. Dazu brauche es eben Know-how und Erfahrung, die nur durch eine gewisse Seniorität vorhanden sein kann.
Aber auch auf der Kundenseite können sich Kapfer und Pivrnec nicht über mangelnden Zuspruch beklagen. So hat man bereits im Spätsommer 2016 zwei große, prestigeträchtige Etats, A1 und OMV, gewinnen können, aktuell einen Zweit­etat der OMV geholt und nimmt an über einem halben Dutzend ­Pitches teil.
Ein echter Coup ist den beiden mit dem Wahlkampf-Etat der SPÖ gelungen, denn manche hat es ja durchaus überrascht, dass dieser Etat trotz des Weggangs von Rudi Kobza an die Kreativen an der Mariahilfer Straße gegangen ist.
Michael Kapfer über den symbolträchtigen Etatgewinn: „Ich persönlich denke, das hat sehr viel mit der Person Christian Kern zu tun, dem Inhalt und Kompetenz wichtiger ist als Vernetzung.”
„Wir sehen ja jetzt auch Christian Kern als Marke, und ich glaube, das ist genau das, was uns dort ins Spiel gebracht hat, weil wir nicht über eine politische Ecke da reinkommen sind, sondern erklärt haben,wir wollen das tun, was wir immer anstreben – die beste Arbeit liefern”, so Pivrnec ergänzend.
„Um den SPÖ-Etat zu bekommen, wurden wir auch nicht gefragt, wen wir kennen, sondern wie wir die Situation rund um den Wahlkampf einschätzen”, so Kapfer über die Ausgangssituation. „Ich glaube, gewonnen haben wir das Vertrauen des Kunden, weil wir auch ganz klar im Gespräch kommuniziert haben, was wir nicht leisten können, statt unhaltbare Versprechen abzugeben.”

Kenne deine Fähigkeiten

Die Reaktion des Kunden beschreibt Kapfer folgendermaßen: „‚Wenn Sie wissen, was Sie können und was Sie nicht können, und das so kommunizieren, dann gehe ich davon au, dass Sie das, was Sie können, richtig gut können.' Und das wars, so haben wir dann das erste Projekt bekommen und seitdem sind wir im Dauereinsatz.”

Das erste Projekt war übrigens ein sehr persönliches Video von Christian Kern, in dem er über sein Leben spricht und das in der Zwischenzeit mehr als 1,2 Mio. Views generiert hat. Aktuell gibt es ein weiteres mit dem Thema Pflegeregress (s. Screenshots r.).
Generell wird das Projekt ‚Wahlkampf für die SPÖ' eine echte Challenge, denn gemessen an anderen Kampagnen steht man unter enormem Zeitdruck.
Kapfer dazu: „Politik ist ein anderes Tempo. Das ist sehr positiv, weil Entscheidungen wahnsinnig schnell getroffen werden und, auch toll, durch das ständige Monitoring bekommst du sehr schnelle Feedbackschleifen, die auch keine Bauchentscheidungen sind, sondern alle validiert sind.”
Vieles habe sich auch verändert, so Pivrnec: „Wahlkampf vor zehn Jahren hat komplett anders ausgesehen als heute. Ich muss ganz ehrlich sagen, ich finde es wahnsinnig interessant, so nah dran zu sein. Schnell waren wir schon immer, wir haben auch A1 in zwei Monaten auf die grüne Wiese gestellt, kika/Leiner das Jahr davor ebenfalls, also wir können das prinzipiell und ich glaube, wir sind schon als Agentur sehr gut aufgestellt, um mit solch großen und schnellen Aufträgen sehr gut umgehen zu können.”
In Wahrheit sei der SPÖ-Wahlkampf aber „auch wie eine Markenführung – mit dem Unterschied, dass die Strategie, in diesem Fall die politischen Themen, vom Auftraggeber kommen”, so Pivrnec. Und das sei gut so, so Kapfer, denn: „Ich finde es absurd und anmaßend, wenn eine Werbeagentur glaubt, sie kann politische Themen vorgeben.”

Kooperation im Vordergrund

Im Fall der SPÖ kommen diese Themen auch von einem Kollegen aus der Kommunikationsbranche, Stefan Sengl, Gesellschafter der PR-Agentur Skills, den Christian Kern ebenfalls an Bord geholt hat.

Diesem streuen Kapfer und Pivrnec bereits jetzt Rosen: „Es ist alles super professionell aufgezogen, und wir sind quasi die verlängerte Kommunikations­abteilung, die in allen Kanälen mitarbeitet. Also eigentlich genau die Branded Interaction, die wir uns auf die Fahne schreiben”, so Kapfer.
Es ist ein Glück für die Agentur, dass die intensive Arbeit für die SPÖ in die Sommerzeit fällt und man somit nicht Gefahr läuft, den ­Fokus von den bestehenden Kunden wegzulenken.
Gefragt, ob der SPÖ-Auftrag auch wirtschaftlich ein Geschäft sei, mein Pivrnec: „Es ist ein fairer Deal in einer intensiven Zusammenarbeit mit dem Kunden.”
Eher in Richtung wenn auch hart erarbeitetem Lottogewinn geht der Ausblick auf das laufende Jahr für die Agentur insgesamt: „Es ist eine sehr stabile Situation, eine Situation, die insofern auch viel Spaß macht, wenn man sieht, wir müssen dem Geschäft jetzt nicht nachlaufen. Ich glaube, jeder Agentur, die verzweifelt ist, weil sie keine Möglichkeit hat, zu pitchen oder zu gewinnen, geht es wirklich dreckig. Es ist schwer genug, aber wir haben zumindest die Chance, mit Arbeit zu gewinnen. Also die New Business-Pipeline ist gefüllt, und wenn man im Sommer das Gefühl hat, wir können unser gesamtes New Business Goal mit dem, was jetzt da ist, plus einem Gewinn dieser Etats bis August erreichen, dann ist das ein sehr gutes, angenehmes Gefühl”, so Kapfers Ausblick auf das restliche Jahr.
„Man muss aber auch sagen, die GGK ist eine der ältesten und kreativsten Marken, die es am österreichischen Agenturmarkt gibt, und ich glaube, dass wir als Geschäftsführung auch dieses Reframing ganz gut umgesetzt haben”, so Pivrnec.

Keine Glücksritter, bitte

Und Kapfer ergänzt in Richtung der Kollegenschaft in der Branche durchaus kritisch: „Ich glaube, wir profitieren durchaus von unseren starken Marken, die jetzt wieder im Vordergrund stehen. Die Zeit von Egoshootern und Glücksritter, die bei Kunden kurz vorbeischauen und ein bisserl Zaubersalz streuen, ist definitiv vorbei. Ich glaube, wenn du in den letzten Jahren eine Agenturmarke aufgebaut hast und sie ausschließlich an deine eigene Person verknüpft hast, dann führt das mittelfristig zu Problemen. Das sieht man auch an den Neugründungen am Agenturmarkt; für mich war DDFG die letzte erfolgreiche Neuagenturgründung. Alles, was nachher gekommen ist, firmiert alle zwei Jahre um, hat ständig neue Konstellation oder gründet dauernd irgendwelche Subunternehmen, die nach zwölf Monaten am Markt wieder verschwinden, oder siecht im Scheintod dahin.”

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