ROG besorgt über Medien-Entwicklung in Europa
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"Reporter ohne Grenzen" zeigt sich besorgt über die Mediensituation in Europa.
PRIMENEWS Redaktion 07.05.2018

ROG besorgt über Medien-Entwicklung in Europa

Marton Gergely zu Orban-Politik: "Ungarns Medienlandschaft ist kaputt".

WIEN. Die Österreich-Sektion von Reporter ohne Grenzen (ROG) ist besorgt über die Mediensituation in Europa. Die Lage in Ungarn und in der Slowakei stand Sonntagabend in Wien im Zentrum einer Diskussion. In einer pessimistischen Bestandsaufnahme hieß es, dass "die Medienlandschaft in Ungarn kaputt gemacht wurde“, und dass in der Slowakei "auch die heimische Mafia gefährlich ist".

Im internationalen ROG-Medienranking sind zuletzt fünf europäische Staaten abgestürzt; neben Ungarn sind dies die Slowakei, Tschechien, Malta und Serbien. Der frühere Vizechefredakteur der von Premier Viktor Orban geschlossenen ungarischen Traditionszeitung "Nepszabadsag", Marton Gergely, sprach Klartext: "Nicht nur unsere wirtschaftliche Grundlage wird kaputt gemacht, sondern die ganze Medienlandschaft."

2016 wurde "die kritische Zeitung Nummer eins eliminiert, seither veränderte sich alles zum Schlechten". Nach den Worten Gergelys hat die Presse in Ungarn ein Problem mit der Glaubwürdigkeit. Die Regierungsseite inklusive öffentlicher Rundfunk und Fernsehen verbreite in den linientreuen Medien Fake News. Es gebe xenophobe und islamfeindliche Aufrufe.

Die Medien reagierten oft falsch darauf, gingen in die Falle der Regierung. "Wir Journalisten müssen nachdenken, was wir falsch gemacht haben." Gergely bedauerte auch mangelnde Kollegialität unter den Journalisten, selbst bei den wenigen noch relativ unabhängigen Medien. Bei den jüngsten Wahlen hätten die Ängste der Menschen Orban in die Hände gespielt.

Anders verhält es sich in der Slowakei: Die Medienbeschimpfung durch den inzwischen abgetretenen Premier Robert Fico und die Ermordung des Aufdeckungsjournalisten Jan Kuciak mit seiner Verlobten habe die Öffentlichkeit mobilisiert, so der Radiojournalist Tibor Macak von rtv. Die Journalisten stünden nun im Fokus des Interesses. Es gab eine Welle der Solidarität und "kein Ende des investigativen Journalismus". Eine Gruppe von internationalen Journalisten formierte sich, die mit Kuciaks Online-Portal Aktuality kooperiere und dessen Recherchen fortsetze.

Macak ist überzeugt: "Die Machenschaften der Politiker und Oligarchen kommen ans Licht." In der Slowakei sei "nicht nur die italienische Mafia gefährlich, sondern auch die heimische". Es gehe um die Abzweigung von Geldern aus dem Brüsseler Kohäsionsfonds und die damit verbundenen Schweigegelder. In der Regierung seien nur einige Köpfe ausgetauscht worden, der Forderung nach Neuwahlen wurde nicht nachgekommen; Macak erwartet demnach kein Ende der Proteste.

Der Glaube an die Justiz ist in Ungarn und der Slowakei gleichermaßen erschüttert: "Die Qualität der Journalisten steht zur Debatte", betonte Macak. Es gelte, die Mörder Kuciaks zu finden und vor allem die Auftraggeber für den Mord. Er erinnerte daran, dass in der Slowakei schon vorher zwei Journalisten verschwanden, über deren Schicksal man nichts wisse. Gergely betonte: "Wir arbeiten gut, denn wir können uns Klagen nicht leisten." Nach Ausschaltung der Opposition suche die Regierung Orban immer nach Gegnern. Als Beispiel nannte er den US-Millionär George Soros, der zusammen mit einigen NGOs zum Feindbild gestempelt worden sei.

Den europäischen Institutionen stellen Gergely und Macak ein relativ gutes Zeugnis aus. In die Slowakei sei rasch eine EU-Parlamentarier-Delegation entsandt worden, so Macak; Gergely erinnerte daran, dass Orban sofort nach seinem ersten Sieg 2010 den Umbau der Medien in Angriff genommen habe. In Sachen Mediengesetz sei Ungarns Premier zwei Mal von der EU-Kommission gestoppt worden.

Auf österreichischer Seite kamen der frühere Medienminister Thomas Drozda (SPÖ) und "Falter"-Chefreporterin Nina Horaczek zu Wort. Drozda führte auf der Negativliste an, dass Regierungsmitglieder oft nicht zu Interviews beim ORF erscheinen, und verwies auf die Turbulenzen im Stiftungsrat. Horaczek sprach die FPÖ-Angriffe auf ORF-Moderator Armin Wolf an. Dem "Falter" habe schon Werner Faymann (SPÖ) als Bundeskanzler Interviews verweigert, ergänzte sie. (APA)

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