Reformdruck am Mietmarkt
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Igor Strehl, CEO Dunaj Family Office Consulting, zu befristeten Mietverträgen.
FINANCENET REAL:ESTATE Redaktion 19.09.2025

Reformdruck am Mietmarkt

Was institutionelle Investoren in Wohnimmobilien jetzt beachten sollten, welche Chancen sich auftun, erklärt Igor Strehl, CEO Dunaj Family Office Consulting.

WIEN. Der Sommer 2025 war nicht nur heiß, was die Temperaturen betrifft, sondern auch in den Debatten rund um den Immobilienmarkt. Besonders im Fokus: die befristeten Mietverträge. Die Arbeiterkammer (AK) fordert, dass institutionelle Vermieter künftig ausschließlich unbefristete Verträge anbieten dürfen. Im Herbst soll zudem die gesetzliche Mindestbefristungsdauer von drei auf fünf Jahre angehoben werden. Ziel ist es, mehr Stabilität für Mieter zu schaffen.
Auf der anderen Seite warnen Branchenvertreter vor den wirtschaftlichen Auswirkungen solcher Maßnahmen. Im Zentrum der Kritik steht die Sorge um Investitionssicherheit, Planungsspielräume und die langfristige Erneuerung des Wohnraumbestands. Für Investoren ist es entscheidend, diese Entwicklungen nüchtern zu analysieren – und ihre Strategien entsprechend anzupassen.

Längere Laufzeiten
Fünfjährige oder unbefristete Mietverträge können zu stabileren Einnahmen führen. Weniger Mieterwechsel bedeuten geringere Vermarktungskosten, eine bessere Planbarkeit von Cashflows und reduzierte Leerstandsrisiken. In gut etablierten Mikrolagen mit hoher Nachfrage kann das Modell gut funktionieren – vorausgesetzt, die Anfangsmiete und die Indexierung sind langfristig wirtschaftlich tragfähig kalkuliert.

Gleichzeitig wird mit dem Wegfall kurzfristiger Befristungen die Flexibilität eingeschränkt, auf Marktveränderungen zu reagieren. Für Neubauprojekte oder aufwendig sanierte Altbauten bedeutet das, dass mögliche Mietanpassungen im laufenden Betrieb nicht mehr über Neuabschlüsse realisierbar sind. Investoren müssen verstärkt auf Vertragsdetails achten – etwa Staffelungen, Wertsicherungsklauseln und Kündigungsregelungen.

Kalkulationssicherheit
Die Diskussion betrifft nicht nur Bestandsvermieter, sondern auch Projektentwickler. Eine gesetzliche Bindung an unbefristete Verträge oder längere Mindestmietdauern verändert die Wirtschaftlichkeit geplanter Objekte. Wenn Erhöhungen nicht regelmäßig über neue Verträge abgebildet werden können, gewinnt die anfängliche Preisfestsetzung an Bedeutung. Auch Standortanalysen und Zielgruppenansprache müssen in diesem Zusammenhang präziser werden.
Bereits heute lassen gedeckelte Richtwerte und indexgebundene Grenzen bei Mieterhöhungen nur wenig Spielraum – ein weiterer Eingriff könnte daher zu einer spürbaren Zurückhaltung bei neuen Projekten führen.

Alternative Wohnformen
Einige institutionelle Anbieter prüfen bereits seit Längerem alternative Nutzungskonzepte wie möblierte Apartments, Business Living oder Co-Living-Modelle. Diese Formate bieten neben klassischen Mietverhältnissen zusätzliche Leistungen oder zeitlich befristete Aufenthalte – oft auf Basis anderer Vertragsmodelle (z. B. Dienstleistungsverträge, Beherbergungsmodelle). Sie können helfen, flexiblen Wohnbedarf zu decken, ohne in direkte Kollision mit mietrechtlichen Vorgaben zu geraten.

Auch Zielgruppen wie Young Professionals, Projektmitarbeiter oder Pendler, die temporären Wohnraum suchen, profitieren von solchen Angeboten. Für Investoren bietet das die Chance, Nischen zu besetzen – allerdings mit erhöhtem Verwaltungsaufwand und spezifischen rechtlichen Rahmenbedingungen.

Potenzielle Nutznießer
Die AK schlägt vor, dass ausschließlich Privatpersonen weiterhin befristet vermieten dürfen – etwa für den Eigenbedarf von Kindern oder Enkeln. Sollte diese Differenzierung in das Mietrechtsgesetz aufgenommen werden, entsteht ein klarer Vorteil für kleine private Vermieter: Sie könnten gezielt in Lücken stoßen, die institutionelle Anbieter nicht mehr bedienen dürfen – vor allem im Bereich befristeter, flexibler Mietverhältnisse.
Dies betrifft insbesondere kleinere Objekte in urbanen Lagen, die nicht dem Vollanwendungsbereich des Mietrechtsgesetzes unterliegen. Ob sich hier aber tatsächlich ein Renditevorteil ergibt, hängt stark von der zukünftigen gesetzlichen Definition und der Umsetzungspraxis ab.

Chancen nutzen
Auch wenn der Ausgang der Debatte noch offen ist, zeichnen sich erste Trends ab: Investoren müssen sich auf ein Umfeld einstellen, in dem Planungssicherheit stärker gewichtet wird als kurzfristige Anpassungsfähigkeit. Portfolios sollten auf nachhaltige Nachfrage, solide Lagequalität und langfristige Mietverhältnisse hin optimiert werden.
Gleichzeitig eröffnen sich Chancen in Nischenmärkten, Spezialnutzungen oder im privaten Bereich – dort, wo Flexibilität weiterhin möglich bleibt. Wer strategisch agiert und regulatorische Entwicklungen mitdenkt, kann auch unter veränderten Rahmenbedingungen erfolgreich investieren.

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