Bierbrauen in wirklich ungewöhnlichen Zeiten
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RETAIL Redaktion 07.07.2023

Bierbrauen in wirklich ungewöhnlichen Zeiten

Wie geht es den Brauereien Österreichs, wie reagieren sie auf Teuerung und Co.? Ein Rundruf in der Branche.

••• Von Georg Sander

Die Lebensmittel in Österreich sind teurer geworden. Das betrifft auch das Bier. Zwar ist der Bierabsatz 2022 gestiegen, und dieser Trend hält an, aber eine Branchenumfrage des Brauereiverbands hat ergeben, dass der Kostendruck hoch ist. Zum Teil stiegen die Preise vergangenes Jahr im Vergleich zu 2021 bei Energie um 100%, bei den Rohstoffen um 40%, bei den Verpackungen um 20%. Auch weitere Hilfs- und Betriebsstoffe wie beispielsweise Reinigungsmittel stiegen um 50% an, selbiges gilt für den Bereich Logistik (Transport, Paletten, Treibstoff).

medianet hat einige der wichtigsten Player kontaktiert und präsentiert ein Stimmungsbild der Bierbrauer.

Effiziente Brau Union

Die erste Frage, die sich aufdrängt, ist, wie die Brauereien mit den dargelegten Teuerungen umgegangen sind. „Die Kostensteigerungen versuchen wir laufend durch interne Einsparungen und erhöhte Effizienzmaßnahmen aufzufangen. Ende des letzten Jahres sahen wir uns durch die externen Entwicklungen auch dazu gezwungen, die Preise anzuheben”, erklärt etwa Gabriela Maria Straka, Director Corporate Affairs & ESG Sustainability bei der Brau Union Österreich.

Die Zeiten wären eben außerordentlich, mit Inflationsraten, die man sonst in den vergangenen Jahrzehnten nicht gekannt hatte, und das treffe auch die Brauwirtschaft. Allerdings: „Unser Vorteil ist sicherlich, dass wir viel regionaler funktionieren als viele andere Branchen – die Rohstoffe, Gerste und Hopfen, kommen zum überwiegenden Teil aus Österreich.” Helfen würden langjährige Beziehungen zu den Lieferanten, daher sei die Brau Union weniger stark von internationalen Entwicklungen betroffen: „Auch setzen wir schon lange auf eine gewisse Autarkie, was die Energie betrifft, die wir etwa durch riesige Photovoltaik-Anlagen auf vielen unseren Brauereien oder andere smarte Lösungen und Kooperationen im Energiebereich erzeugen.”

Plus auch bei Stiegl

Dieter Moser, Geschäftsführer der Stiegl-Brauerei, registriert ein zweistelliges Wachstum für 2022 sowie den Gewinn von Marktanteilen, vor allem im zweiten Halbjahr. Doch auch er jubelt nicht ohne Einschränkung: „Klar ist, dass der Pro-Kopf-Bier-Konsum seit vielen Jahren sukzessive rückläufig ist. Dieser Trend setzt sich auch fort.” Natürlich belaste die überdurchschnittlich hohe Inflation in Österreich „uns als Produktionsbetrieb und unsere Konsumenten in Bezug auf ihre Kaufkraft”.

Daraus müssten Konsequenzen gezogen werden: „Die Gesamtsituation wird uns vermutlich zwingen, dass wir die Preise künftig dem volatilen wirtschaftlichen Umfeld anpassen werden müssen. Wir setzen jedoch auf eine forcierte Wachstumsstrategie; damit gelingt es uns besser, mit dem Kostendruck umzugehen.” Gleichzeitig arbeite man daran, Abhängigkeiten vor allem im Energiesektor weiter zu reduzieren. Hier setzt die Privatbrauerei auf nachhaltige Lösungen, „etwa auf die Kraft der Sonne und des Wassers, um unsere Unabhängigkeit auch auf diesem Sektor zu stärken”.

Gutes Jahr für Zwettler

Auch Zwettler und die zum Unternehmensverbund gehörende Bierwertkstatt Weitra blicken auf ein gutes Jahr zurück, trotz der Rahmenbedingungen. „So konnte auch 2022 – zum zweiten Mal in Folge – das Vorkrisen-Niveau absatz- und wertmäßig übertroffen werden. In Summe wurden 216.800 Hektoliter Bier und alkoholfreie Getränke aus Zwettl sowie Weitra abgesetzt”, attestiert Karl Schwarz, Eigentümer und Geschäftsführer. Die Ausgaben für Energie, Rohstoffe, Treibstoffe, Logistik und Verpackung nahmen Dimensionen an, die nach wie vor schwer abbildbar wären. Daraus folgende Preisanpassungen waren „unausweichlich”. Zugute kommt dem Unternehmen aber, dass Bierkonsumenten „immer bewusster zu Produkten von unabhängigen Privatbrauereien greifen”. Immerhin: Nach Ende der Corona-Beschränkungen stiegen die Gastronomie-Umsätze deutlich an.

Das erste Halbjahr

Wie gestaltet sich nun 2023 aus Sicht der Brauereien? „Teuerung und Energiekrise führen dazu, dass wir alle Systeme und Abläufe kontinuierlich auf Einsparungspotenziale überprüfen und beispielsweise die Kapazitäten für Ökostrom deutlich ausbauen”, so Schwarz. Aufgrund der leicht sinkenden Energiekosten ist auch keine weitere Preisanpassung nötig. Das Resümee der Privatbrauerei Zwettl zum ersten Halbjahr 2023 sowie der Ausblick auf die zweite Jahreshälfte fallen durchwegs positiv aus: Trotz der herausfordernden Situation in der Gastronomie sehen die Waldviertler in diesem Bereich wie auch im Einzelhandel „gute Möglichkeiten, die Erfolge der Vergangenheit zu prolongieren”.

Der positive Trend des Vorjahres setzt sich für Stiegl auch 2023 verstärkt fort: „Wir gewinnen weiter Marktanteile, inzwischen zweistellig, sowohl im Handel und noch deutlicher in der Gastronomie.” Das außergewöhnlich schlechte Wetter im April und Mai sowie die anhaltende hohe Inflation drücken jedoch die Kauflaune: „Daher rechnen wir mit einer Verlangsamung unseres Wachstums bis zum Jahresende.” Das nasskalte Wetter betraf natürlich auch die Brau Union, allerdings verlief das erste Halbjahr laut Straka „in etwa unseren Planungszielen. Für den Rest des Jahres sind wir vorsichtig optimistisch, aktuell befinden wir uns ja in der bierigen Hochphase.” Produktion und Konsumation laufen demzufolge auf Hochtouren. Aber die diversen genannten Herausforderungen und auch die „Holprigkeiten am Arbeitskräftemarkt werden auch noch in den kommenden Monaten ein Thema sein”. Zum Teil auch mittelbar, wenn beispielsweise die Gastronomen mit Personalmangel zu kämpfen haben und zusätzliche Ruhetage einführen.

Mit Politik zufrieden?

Bei vielen erwähnten Themen kann die Regierung lenkend eingreifen und die lokale Wirtschaft unterstützen. Aller bisherigen Einigkeit bei den aktuellen Themen zum Trotz sehen Stiegl und die Brau Union hier Unterschiede. „Mit Freude sehen wir den positiven Trend im Bereich der sinkenden Energiekostenpreise, die durch politische Intervention und auch durch makroökonomische Einflüsse angestoßen wurden”, so Moser.

„Wir unterstreichen hier die Forderungen des Brauereiverbands – etwa nach Halbierung der Mehrwertsteuer auf Fassbier und auf eine Halbierung der Biersteuer auf das Niveau der bieraffinen Nachbarländer”, fordert hingegen Straka. Zwettler lässt die Frage unbeantwortet, richtet den Blick in die Zukunft und zeigt sich „durchaus optimistisch – sind doch gerade lokale Lebensmittel sehr begehrt und werden bewusst nachgefragt”.

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