„Das klare Ziel ist eine starke Positionierung”
© Rewe Group/Stefan Gergely
RETAIL Redaktion 28.04.2023

„Das klare Ziel ist eine starke Positionierung”

Rewe International AG-Vorstandsmitglied Espen B. Larsen über Mentalitätsunterschiede und Investitionspläne.

••• Von Sabine Bretschneider

Das mittlerweile dritte Krisenjahr und eine anhaltend hohe Inflation machen sich deutlich im Kaufverhalten bemerkbar. Davon kann auch der Handelskonzern Rewe ein Lied singen. medianet führte dazu im retail conversations-Studio ein Interview mit Espen B. Larsen, als Vorstand der Rewe International AG zuständig für das Vollsortiment in CEE – Billa in Bulgarien, Tschechien und Slowakei sowie die Supermarktkette Iki in Litauen.

medianet: Ein kurzer Rückblick – Sie sind im Jänner 2021 in den Vorstand der Rewe International aufgerückt, als die zweite große Coronawelle durch Europa gerollt ist, mit Lockdowns, Maskenpflicht, Ausgangsbeschränkungen … Wie haben Sie das damals beruflich erlebt?
Espen B. Larsen: Ja, Sie haben recht, das war nicht einfach. Damals war es schon recht schwierig, überhaupt die Länder zu besuchen. Es war nur mit Sondergenehmigungen möglich, mit einem Stapel von Dokumenten pro Land. Letztendlich war ich in der Zeit wahrscheinlich unter den letzten Reisenden der Rewe Group …


medianet: Inzwischen haben wir das dritte Krisenjahr in Folge, nach der Pandemie kam der Ukrainekonflikt, dann sind die Energiekosten explodiert, dann ist die Inflation gestiegen. Inwiefern hat sich das Kundenverhalten in Ihren vier Ländern verändert?
Larsen: Die Länder haben sich unterschiedlich entwickelt, allgemein ist Pessimismus eingetreten. In Ländern wie Bulgarien oder Litauen wird seitens der Kunden und Mitarbeiter eher moderat reagiert, während wir in Tschechien und der Slowakei eine deutliche Bewegung bemerken. Klar ist: Überall wird gespart. Die Energiekosten sind in allen Ländern deutlich angestiegen, und Kunden orientieren sich neu. Dabei geht es auch um Sortimentsentscheidungen. Die Kunden entscheiden sich für einheimische Produkte und werden vermehrt von Eigenmarken angezogen sowie von regionalen Artikeln. Wir passen uns hier bestmöglich an.

medianet:
Das heißt auch, dass Sie unter diesen Rahmenbedingungen nicht nur eine neue oder angepasste Strategie gebraucht haben, sondern mindestens vier …
Larsen: Das war eine klare Entscheidung in der Geschäftsleitung: Die Länder individuell zu betrachten und auch der Landesgeschäftsführung mehr Zuständigkeit zu geben, selbstverständlich bei vollem Support.

medianet:
Haben sich durch diese Krisenphase auch interessante Erkenntnisse ergeben?
Larsen: Es gibt laufend spannende Erkenntnisse, wir haben die Planungen auch ständig angepasst. Ich glaube, für die Controlling-Abteilung ist das die schwierigste Zeit überhaupt gewesen. In diesem Umfeld Prognosen, Forecasts oder Budgets zu machen, ist sehr aufwendig.

medianet:
Gleichzeitig aber eine gute Vorbereitung für weitere schwierige Zeiten …
Larsen: Ja, das stimmt. Wir haben gelernt, flexibel zu sein und vor allem nicht an Dynamik zu verlieren. Das bedeutet auch, dass es ein agiles Management braucht. In solchen Zeiten ändert sich der Typus Manager – man braucht die Nähe zum Team und man braucht Mitarbeiter und Kollegen, die selber mit entscheiden. Und diese Nähe haben wir in der Rewe Group glücklicherweise.

medianet:
Kommen wir jetzt weg von Krisen und Spardruck hin zu Erfreulicherem. Rewe hat kürzlich die Geschäftszahlen für 2022 präsentiert, das internationale Handelsgeschäft der Rewe Group hat den Umsatz recht beachtlich gesteigert. Könnten Sie uns kurz umreißen, wie das Geschäft in den einzelnen osteuropäischen Ländern läuft? Gibt es Ausreißer nach oben oder nach unten?
Larsen: Es gibt positive Trends. Wir haben einen Umsatzzuwachs von 11,5 Prozent für 2022. Erfreuliche Ausreißer nach oben sind ganz klar Bulgarien mit fast 25 Prozent und Iki in Litauen mit über 14 Prozent. Selbstverständlich muss man in Betracht ziehen, dass auch in unseren Ostländern die Inflationsraten sehr hoch sind, also zweistellig. 

medianet:
Inwiefern ist der Bereich eCommerce dafür schon relevant?
Larsen: Das ist eine spannende Frage. Während der ­Corona-Zeit hatte man das Gefühl, dass jeder, wo es möglich war, Online-Lieferungen nutzt. Jetzt bemerken wir, dass Kunden sparen müssen, was für den eCommerce eine leichte Ernüchterung bedeutet. Das ist vielleicht sogar gesund für die Branche. Wir als Rewe Group setzen auf eCommerce. Im Baltikum haben wir vor zwei Jahren das Unternehmen ‚Last Mile', übernommen; Markt, Plattform und Belieferung funktionieren gut. In Tschechien stehen wir mit Billa kurz vor dem Launch. Die Omnichannel-Plattform ist fertig, genauso wie ein Lager mit über 10.000 Quadratmetern. In der Slowakei und Bulgarien setzen wir auf Partnerschaften, mit Wolt in der Slowakei und mit Glovo in Bulgarien. Sie merken schon, wir haben auch hier unterschiedliche Strategien für die jeweiligen Länder.

medianet:
Arbeiten Sie auch schon mit dem Konzept der autonomen Stores?
Larsen: Ja, das tun wir. Und wir haben in Vilnius, Litauen, auch schon die ersten Filialen eröffnet und damit gute Erfahrungen gesammelt. Wir arbeiten hier mit einem lokalen Start-up zusammen.

medianet:
Sie haben das Thema Eigenmarken erwähnt. Wie entwickelt sich das Geschäft mit Ihren Eigenmarken? Führen Sie dieselben Eigenmarken in allen Ländern?
Larsen: Hier muss man zwischen den übergeordneten Eigenmarken, die wir in zwei oder mehr Ländern führen, und landesspezifischen Eigenmarken trennen. Diese bauen wir gerade weiter auf, da es – nicht zuletzt aufgrund der Krise – eine hohe Nachfrage seitens der Kunden gibt. Man möchte gerne das eigene Land unterstützen, auch Nachhaltigkeitsperspektiven fließen hier ein. Die Preiskomponente gewinnt natürlich ebenfalls an Bedeutung. Damit sind sie, wie ‚Clever' in Österreich, einer der Top-Treiber und ein Anziehungspunkt für eine Supermarktkette. Dank dieser Eigenmarken können wir den Diskontern Paroli bieten.

medianet: Nachhaltigkeit ist im Kontext des Klimawandels das Gebot der Stunde – und die Konsumenten legen großen Wert auf Regionalität, Nachhaltigkeit, Tierwohl. Gleichzeitig ist der Konsument aber sehr preissensibel. Kann dieser Spagat gelingen?
Larsen: Ja, der kann gelingen. Die Prioritäten der Kunden in den Ländern sind unterschiedlich, wobei Regionalität und Lokalität immer relevante Kriterien sind. Unser Ziel ist ganz klar, auch in Zukunft in Osteuropa einer der Antreiber in Nachhaltigkeitsthemen zu sein. Es geht ja um mehr als um Plastikverpackungen oder Energiesparmaßnahmen. Der Fokus liegt auch auf den Mitarbeitenden. Die osteuropäischen Länder hinken hier nicht nach, sie sind mitunter auch Vorreiter. Litauen etwa ist sehr weit fortgeschritten, bei Nachhaltigkeit und deren Umsetzung, bei der Digitalisierung und auch in der Gesetzgebung.

medianet: Ein Blick in die Zukunft – zum Jahresauftakt hat Rewe International eine große Investitionsoffensive angekündigt. Es geht insgesamt um ein Volumen von einer Milliarde Euro. Was steht in CEE im Fokus?
Larsen: Wir haben – es laufen einige Projekte dazu –, ein klares Ziel für die nächsten Jahre, nämlich die Positionierung zu stärken. Das heißt, bis 2025 rechnen wir mit ungefähr 800 Millionen Euro Investitionen nur für Billa CEE und Iki.

medianet:
Zum Abschluss noch ein Themenwechsel. Alle Welt redet von ChatGPT und Künstlicher Intelligenz. Wird KI auch den Handel auf den Kopf stellen?
Larsen: Was ich bislang gesehen habe und auch privat getestet habe, ist erstaunlich. Ich bin überzeugt, dass es unser Leben verändern wird und dass diese Technologie auch den Handel ändern wird, speziell dort, wo es um zahlenbasierte Entscheidungen geht. Somit brauchen wir auch Leute, die kritisch mit Informationen umgehen können und Lösungsmöglichkeiten zur Effizienzsteigerung und als Entscheidungshilfe sehen. Gleichzeitig müssen wir den Kernfokus behalten – und da steht der Kunde für mich immer an erster Stelle. Ich denke, in dieser Positionierung gegenüber dem Kunden und auch bei der Problemlösungsorientierung haben wir als Händler immer eine Lösung. Da wird es, denke ich, noch dauern, bis dieses ‚Persönliche' auch ersetzt werden kann.

Den gesamten retail conversations Talk sehen Sie ab Dienstag,
2. Mai 2023 auf:  medianet.tv

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