Kunde, gib uns Daten!
© dpa/Sven Hoppe
Der gläserne Kunde will was haben für seine Daten-Durchsichtigkeit – am liebsten einen Preisnachlass.
RETAIL christian novacek 27.05.2016

Kunde, gib uns Daten!

Kundendaten helfen, sich am Kunden auszurichten. Aber die geben ­Daten nicht so gern preis. Eine Studie zeigt, wie man rankommt.

••• Von Christian Novacek

WIEN/ZÜRICH. Kunden wünschen individuelle Leistungen. Ergo wünschen sich Unternehmen, so viel als möglich über ihre Kunden zu wissen, um den Hebel für die individuelle Leistung richtig justieren zu können. Das ist nicht ganz leicht, denn Kunden geben ihre Daten nicht gern preis. Soweit das Ergebnis einer aktuellen Studie der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften ZHAW und dem Software-Unternehmen BSI Business Systems Integration AG. Die Studie wurde unter jungen Konsumenten durchgeführt, die als Digital Natives in einer „Share Economy” aufgewachsen sind.

Dabei wird nicht jede Kaufart und -situation von den Studienteilnehmern gleich bewertet: Beim Prestige-Kauf zeigen 65% der Befragten eine mittlere oder höhere Bereitschaft, ihre Daten zu teilen. Bei Alltags- oder Impuls-Käufen sowie bei intimen Käufen sinkt die „willingness to share” aber auf bis zu elf Prozent.

Vom richtigen Zeitpunkt

Neben der Kaufsituation wurde der optimale Zeitpunkt fürs Daten-Herausrücken erfragt. Im Verlauf eines Prestige-Kaufprozesses sind 61% der Teilnehmer bereit, sich zu erkennen zu geben. Bei den Prestige-Affinen wird bereits bei der Suche des Artikels (27%) und während des Verkaufsgesprächs (30,6%) ein Vorteil in der Identifikation gesehen.

Beim Impuls- oder Intimkauf wollten die Studienteilnehmer lieber anonym bleiben – im gesamten Kaufprozess. Beim Alltagskauf geben sich 22,1% der Befragten an der Kasse freiwillig zu erkennen. Das dürfte hauptsächlich auf die hohe Verbreitung und Akzeptanz von Kundenkarten zurückzuführen sein. Die gute Nachricht: 90% der Umfrageteilnehmer lassen sich überzeugen, ihre Daten zu teilen – Voraussetzung ist, dass ein Mehrwert geboten wird. Interessant ist nun, in welchen Situationen die Kunden welche Anreize zur Datenpreisgabe schätzen.

Der Sinn monetärer Anreize

Erwartungsgemäß geht nichts über einen fetten Rabatt: 85% der Probanden geben ihre Daten preis, wenn sie dadurch individuelle Preisnachlässe erhalten. „Der Nachteil ist, dass geldwerte Vorteile unpersonalisiert und nicht nachhaltig sind; sie sind einfach kopierbar und schaffen keine Basis für eine langfristige Kundenbeziehung”, meint Catherine Crowden von BSI, Co-Autorin der Studie. Die Gewichtigkeit des monetären Arguments veranschaulicht ein Beispiel: Bereits bei fünf Prozent Preisnachlass (auf ein Konzertticket) sind 21% der Konsumenten bereit, ein Facebook-Fan zu werden.

Spannender seien aber die nicht-monetären Anreize, also Mehrwerte, die erst durch verfügbar werdende Daten entstehen und mit der gebotenen Leistung verschmelzen. Diese liefern den Unternehmen Wettbewerbsvorteile (ggf.: Alleinstellungsmerkmale) und dem Kunden persönlichen Nutzen. Nicht-monetäre Leistungen sind schwerer kopierbar und verursachen geringere direkte Kosten. In der Studie schneiden sie ebenso wirksam ab wie die monetären: 85% würden demnach für eine Benachrichtigung, dass ihre Ware abholbereit ist, ihre persönlichen Daten bereitstellen, 78% verraten für persönliche Beratung und 77% für schnellere Abwicklung des Einkaufs, wer sie sind.
Auch die automatisierte Erkennung vorausgefüllter und personalisierter Formulare, persönliche Geschenke sowie das Entfallen der Notwendigkeit des Aufbewahrens des Kassenzettels sind Argumente jenseits der Rabattitis. Weniger attraktiv ist hingegen die Wiedererkennung der Einkaufsgewohnheiten oder die Möglichkeit einer Wettbewerbsteilnahme.

Eine Frage des Vertrauens

Daten sind eine Sache des Vertrauens. Am Vertrauen scheitert es bei 76% der Studienteilnehmer. 71% fürchten, dass ihre Daten weiterverkauft werden, 64% haben Datenschutzbedenken. Der Handel „Daten gegen Mehrwert” muss für den Kunden sehr stimmig sein, damit die Vertrauensfrage ihre Dringlichkeit verliert. Wenn letztlich die Situation konkret und der Nutzen erkennbar hoch ist, zeigen die Studienteilnehmer große Bereitschaft, ihre Daten zu teilen.

Daten sind nicht alles

Dass die Daten, die man generiert hat, noch nichts über den richtigen Umgang damit aussagen, zeigt das Beispiel des Schweizer Händlers Coop. Dieser wurde für die Einführung eines dynamischen Pricings hart angegriffen. Obwohl von individuellen Rabatten zu individuellen Preisen kein großer Schritt notwendig ist, und das dynamische Pricing bei internationalen Einzelhändlern wie Amazon oder Best-Buy längst Standard ist, musste Coop einen Rückzieher machen.

Dieses Beispiel zeigt vor allem die Bedeutung sorgfältiger Kommunikation und vorgängiger Akzep-tanztests solcher Maßnahmen, und dennoch ist die tatsächliche Reaktion der Kunden oder gegebenenfalls der Presse schwer voraussehbar.

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