WIEN. Fortune-500-Unternehmen und weltbekannte börsennotierte Marken scheinen ebenso betroffen wie die US-Bundesregierung, das EU-Parlament und eine Vielzahl kleinerer Werbetreibender – mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit auch aus Österreich. In einem umfassenden Report, der gedruckt knapp 200 Seiten füllen würde, deckt Adalytics gravierende Missstände in der Ausspielung von Video Ads durch Google auf.
Werbetreibende haben sogenannte TrueView InStream Ads gekauft, die als überspringbare Werbung auf YouTube laufen sollten. Dort wurden tatsächlich nur 16 Prozent der untersuchten Impressions ausgespielt. Weitere elf Prozent entfielen auf gültige TureView Ads auf Google Video Partner Websites. Das bedeutet, dass nur 27 Prozent der untersuchten Impressions als gültige TrueView Ads zu werten sind. Oder im Umkehrschluss: 73 Prozent, also rund drei Viertel aller untersuchten Video Ads landeten als OutStream Ads auf externen und teils fragwürdigen Google Video Partner Websites. Dort wurden sie teilweise nicht überspringbar, stummgeschalten, außerhalb des Website Contents und mittels Autoplay ausgespielt – jedenfalls ohne die gewünschten und gebuchten YouTube-Inhalte und nicht nach den gebuchten Ausspielungs-Kriterien.
Von Google in fragwürdige Umfelder optimiert
Besonders betroffen sind Kampagnen, die von Google mittels PMax selbst verteilt und optimiert werden. In den Standardeinstellungen werden Kampagnen nicht nur auf YouTube, sondern auch auf den Google Video Partner Websites ausgespielt. Laut Adalytics landeten in diesem Fall sogar 84 Prozent der Ads außerhalb des YouTube-Umfelds. Werbetreibende haben erst nach Einstellung der Kampagne auf Ad-Ebene die Möglichkeit, die Ausspielung auf YouTube zu begrenzen.
„Werbetreibende sind gut beraten, ihre Kampagnen detailliert zu überprüfen und gegebenenfalls ihr Geld zurückzuverlangen. Grundsätzlich empfiehlt es sich, YouTube Reports mit externen Tools zu evaluieren und sich gegen derartige Praktiken zur Wehr zu setzen. Sie können nicht nur finanziellen Schaden anrichten, sondern durch die Ausspielungen in fragwürdigen Umfeldern einen enormen Imageverlust verursachen. Google bietet kein ansatzweise vergleichbares Brand-Safety-Niveau wie österreichische Publisher und Vermarkter“, sagt Eugen Schmidt (AboutMedia), Leiter des Online-Vermarkterkreises.
Google verstößt gegen die eigenen Richtlinien
Im aktuellen Fall verstößt Google gegen seine eigenen Richtlinien für TrueView InStream Ads. Die Ausspielung der Anzeigen in kleinen OutStream-Playern in der Ecke oder an der Seite des Bildschirms mit Stummschaltung und kaum Video Content zwischen den Anzeigen – oft in Dauerschleife der Ads – ohne Interaktion der User widerspricht der eigenen Definition von Google. In einer ersten Stellungnahme auf den Adalytics-Report geht die globale Plattform auf einen Großteil der erhobenen Vorwürfe kaum ein und versucht, die Problematik durch Falschbehauptungen zu kaschieren.
Gefahr für Werbetreibende
Neben den finanziellen Einbußen zeigen sich noch weitere Gefahren für Werbetreibende. Betrügerische Websites generieren fast immer mehr Klicks als seriöse Seiten. Bots laden die Anzeigen nicht nur, sondern sind auch in der Lage, sie zu klicken. Auf Google Video Partner Websites führt dies dazu, dass Kampagnen mehr Klicks und weniger Skips ausweisen als durch User-Interaktion überspringbare Video Ads auf YouTube.
Trotz der Vorgaben durch Google für die Google Video Partner Websites, kann eine erfolgreiche Manipulation des Systems kaum ausgeschlossen werden. Zwar gibt Google an, im Jahr 2022 über 143.000 Websites wieder aus dem Partner-Programm ausgeschlossen zu haben. Über Sanktionierungen und die ursprüngliche Zulassung der Seiten als Google Video Partner Website schweigt sich die globale Plattform aus – ebenso über die Refundierung fälschlich verrechneter Schaltungen.
Kontrolle über Kampagnen zurückgewinnen
„Wer YouTube buchte, hat augenscheinlich etwas anderes bekommen: keine User im gewünschten Umfeld, dafür zu einem großen Teil betrügerische Bot-Aufrufe. Die vermeintlich einfache Buchung von Video Ads bei einer globalen Plattform erweist sich als problematisch, zumal Werbetreibende dem AdTech-Anbieter ausgeliefert sind und sich auf dessen Reports verlassen müssen, die in diesem Fall offensichtlich sehr wenig mit der gebuchten Leistung zu tun hatten. Werbetreibende müssen den Druck auf Google erhöhen, um zukünftig auch jene Leistung zu bekommen, die tatsächlich gebucht wurde“, ist Schmidt überzeugt.
Österreichische Publisher und Vermarkter verpflichten sich im eigenen Interesse hohen Qualitätsstandards, von denen sowohl User als auch Werbetreibende profitieren. Brand Safety im vertrauenswürdigen Umfeld zählt zu einem zentralen Versprechen, auf das sich die werbetreibende Wirtschaft verlassen kann. Transparenz in der Messung und Auswertung sowie lokale Ansprechpartner geben Werbetreibenden zu jedem Zeitpunkt Kontrolle über ihre Kampagne.