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© Richard Tanzer

Redaktion 25.06.2024

Die Republik braucht eine politische Renaturierung

Gastkommentar von Hans Harrer, Vorstandsvorsitzender des Senats der Wirtschaft Österreich

WIEN. Grün ist bekanntlich die Farbe der Hoffnung. Nach fünf Jahren in der österreichischen Regierung ist allerdings die Hoffnung sehr groß, endlich wieder ohne die Grünen und ihre Ideologie auszukommen. Was unter Zweifeln und Ächzen begann, endet nun in einem skandalösen Showdown, in welchem die selbsternannten Klimaretter nicht nur die komplette Regierung, sondern auch den Kanzler und die Republik brüskiert haben.

Der schweigende Präsident und der vorgeführte Kanzler
Und Bundespräsident Van der Bellen tut das, was er am besten kann: Er schweigt. Und selten hat sich ein Bundeskanzler und ÖVP-Bundesparteiobmann von einem Juniorpartner so sehr vorführen lassen wie Karl Nehammer. Seine nach dem Ibiza-Skandal mit 37 Prozent wieder in den Nationalrat eingezogene Partei hatte 2019 die einmalige Chance, endlich Dinge voranzubringen und den jahrelangen Reformstau des Landes abzuarbeiten. Was geschah stattdessen: Das Klimaticket, die verwässerte Öko-Steuerreform und Rekordinvestitionen in den Klimaschutz, und nun noch die Zustimmung zum EU-Renaturierungsgesetz trotz lautem Widerstand der Kanzlerpartei.

Teure Kompromisse und verpasste Chancen
Die Abschaffung der Kalten Progression musste den Grünen abgekauft werden durch die jährliche Erhöhung diverser Sozialleistungen, und die vom Senat der Wirtschaft schon lange geforderte Modernisierung des Gesellschaftsrecht hängt sich nun der Regierungspartner am Soziussitz als eigener Verdienst um. Dabei hinkt das Gesetzeswerk rund um die neue FlexKapG/FlecXo mit seinen Minimalerfordernissen den Gesellschaftsformen der anderen OECD Staaten immer noch nach. Dafür ist es durchgehend in weiblicher Form geschrieben - als ob das der Knackpunkt eines modernen Gesellschaftsrechts wäre!

Die einzelnen Bundesminister taten, was sie konnten: Arbeitsminister Kocher scheiterte aber mit seiner wohldurchdachten und überfälligen Arbeitsmarktreform am Grünen-Veto genauso wie Finanzminister Brunner mit seinen Reform Ambitionen im Kapitalmarkt. Sie wichen, da wo es möglich war, mit Verordnungen aus, die den Wirtschaftsstandort vereinzelt unterstützen. Auch Verteidigungsministerin Tanner konnte aufgrund der russischen Bedrohung eine Erhöhung ihres Budgets durchsetzen. Aber selbst Kanzler Nehammer war nicht in der Lage, der grünen Irrwege Herr zu werden. Sein Anfang des Jahres groß angekündigter „Österreichplan“ wurde vom Koalitionspartner kaum kommentiert und als lose „Absichtserklärung“ verkleinert, für die Nationalratswahl nicht mehr relevant. Und die gerade mit dem Klimabonus geköderten Gutverdiener müssen nun die Hälfte des Klimabonus zurückzahlen.

Nun hat die ÖVP sogar zwei Klagen an Umweltministerin Gewessler eingereicht, und Vizekanzler und grüner Spitzenkandidat Kogler erklärte, er fühle sich nicht mehr an Side-Letters der Koalition gebunden, in der er z.B. auch die Unterstützung zu einem EU-Kommissar der ÖVP zugesichert hatte. Kogler betonte noch einmal, das Regierungsprogramm hieße nach wie vor „Verantwortung für Österreich“, und es gäbe noch viel zu tun: Lohn statt Taschengeld für behinderte Menschen, Gemeindemilliarden oder Besserstellungen für Studierende.

Österreichs Abstieg im internationalen Wettbewerb

Seit der grünen Regierungsbeteiligung stürzt Österreichs Ranking im internationalen Wettbewerb ab. Der „World Competitiveness Report“ des IMD-Instituts reiht Österreich nur noch auf Rang 26 von 67 Ländern. 2020 lag Österreich noch auf Rang 16. Bei der Subkategorie „wirtschaftliche Leistungsfähigkeit“ tauchten wir gar vom 15. auf Platz 33 ab. Die Inflation ist dabei ein wesentlicher Faktor und die ist zu einem wesentlichen Teil auf die von den Grünen geforderten CO2 Ausgleichszahlungen und die Anhebung der bereits zuvor im internationalen Spitzenfeld liegenden Sozialleistungen zurückzuführen.

Politische Rahmenbedingungen verschlechtern sich
Auch die politischen Rahmenbedingungen geben Grund zur Sorge: Österreich rangiert hier nur noch auf Platz 40, ein Abfall um 15 Positionen seit 2020. In der Steuerpolitik liegt Österreich gar nur auf Rang 64. Die hohe Besteuerung des Faktors Arbeit und die mangelnde Flexibilität – unternehmerisch, politisch und gesellschaftlich – drücken zusätzlich auf die Wettbewerbsfähigkeit.

Einziger Lichtblick bleibt die Produktivität, die trotz Kostensteigerungen relativ konstant geblieben ist. Österreichs Infrastruktur und Wissenschaftsstandorte sind im Spitzenfeld etabliert, doch fehlende Top-Universitäten in internationalen Rankings bleiben ein Manko.

Mit Apokalypse-Propheten ist kein Staat zu machen
Nicht nur in Österreich, sondern auch in Deutschland, ja sogar auf Europaebene ist klar geworden, dass mit den Grünen kein Staat zu machen ist. Wer mit voller Überzeugung die Klimaapokalypse herbei schwört und damit jeden Alleingang, jeden vermeintlichen Rechtsbruch, ja jedes demokratiefeindliche Auftreten vom Klimakleben bis zum möglicherweise ministeriellen Verfassungsbruch rechtfertigt, hat als Regierungspartei nichts verloren. Wer getrieben von Angst und Panik staatliche oben-herab-Planwirtschaft als einzigen Rettungsanker sieht, versteht die Menschheit nicht. Denn nur mit den Menschen und deren Engagement, mit positiver Motivation, mit freien Entscheidungen und marktwirtschaftlichen Anreizen, sind echte Veränderungen möglich.

Außerdem: Selbst wenn Europa und alle seine Staaten die CO2 Vorgaben erfüllen, werden die von Anfang an unrealistisch gesetzten Klimaziele nicht erreichbar sein. Die Politik sollte also mehr Augenmerk darauflegen, wie wir zukünftig mit dem Klimawandel umgehen werden, und sollte tunlichst soziale Verwerfungen als Ergebnis von nicht rechtsstaatskonformen Verhalten vermeiden, andernfalls liefern wir auch den rechtsradikalen die Legitimation rechtswidrig zu agieren, um unser Gemeinwohl vor was auch immer zu schützen. Die Apokalypse ist dann eher das Resultat einer polarisierten Gesellschaft als des Klimawandels!

Es ist ein Segen, dass in Österreich Nationalratswahlen unmittelbar bevorstehen. Die wahlwerbenden Parteien mögen sich bei den darauffolgenden Koalitionsverhandlungen der Bedeutung von Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Vertrauen vergegenwärtigen. Die Grünen sollten diesbezüglich mit sich selbst ins Gericht gehen.

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