••• Von Dinko Fejzuli & Gianna Schöneich
Das Wahl-Triple ist geschafft. Nun geht es an die Arbeit. medianet traf ORF-Generaldirektor Alexander Wrabetz zum großen Interview.
medianet: Herr Wrabetz, angeblich herrscht seit der Wahl, ‚Krieg' am Küniglberg, weil nach Lesart mancher die ÖVP bei der Postenvergabe leer ausging.
Wrabetz: Ich habe das nicht gehört, lediglich auch nur gelesen. Ich merke nichts davon. Es waren bei der Programmpräsentation wichtige Stiftungsräte da. Ich habe den Eindruck, es gibt eine normale und gute Gesprächsbasis. Die Stellungnahmen im Parlament seitens der ÖVP waren mit einem gewissen kritischen Unterton, grundsätzlich aber mit einem Bekenntnis zum ORF verbunden. Daher merke ich nichts von Krieg.
medianet: Kritik gab es auch zu zwei Neubesetzungen in den Landesstudios. Es heißt, es wurden Wünsche erfüllt.
Wrabetz: Man wird bald sehen, dass ich zwei Mitarbeiter aus den Landesstudios in meinen engeren Kreis hole und zwei aus meinem engsten Umfeld in Landesstudios schicke. Werner Herics und Christoph Takacs sind Mitarbeiter der Generaldirektion gewesen, sie sind anerkannte Fachleute. Es stimmt, dass diese Rochade auch bei Landeshauptleuten auf Zustimmung stieß. Die bisherigen Amtsinhaber werden die in der Zentrale wichtige Aufgaben übernehmen.
medianet: Gab es in der Bewerbung von Richard Grasl Punkte, wo Sie sagen, es würde sich lohnen, diese genau anzusehen? Beispielsweise ‚Guten Morgen Österreich' ins Studio zu holen.
Wrabetz: Ich bin zufrieden mit Guten Morgen Österreich. Wir sind dabei, die 20er-Zone immer häufiger Richtung 30er-Zone Marktanteil zu verlassen. Es spielt sich alles immer besser ein. Man hat Erfahrungen gemacht und gelernt. Mein Eindruck ist, dass es nach Ländern auch unterschiedlich funktioniert. Die Art und Weise, wie regionale Geschichten erzählt werden, damit sie überregional ankommen, hat sich verbessert. Die Früh-ZIBs entwickeln sich gut. Es gibt auch immer eine Lernphase, bis die Menschen wissen, dass es das Angebot gibt, und beginnen es zu nutzen. Da sind wir auf einem guten Entwicklungsweg, der noch nicht abgeschlossen ist. Wir werden kein Morgen-CNN entwickeln, in Österreich gibt es hierfür keinen Markt. Wer die ganze Welt in all ihrer Komplexität in einer reinen Info-Sendung erklärt haben will, kann soll sich weiterhin das ‚Ö1-Morgenjournal' anhören.
medianet: Als Generaldirektor ist Ihnen als erstem das Triple an der ORF-Spitze gelungen. Wo wird der ORF am Ende Ihrer dritten Amtsperiode stehen?
Wrabetz: Wir sind das unbestrittene digitale Leitmedium für die Österreicher. Und das wollen wir auch in fünf Jahren sein. Der ORF soll außer Streit gestellt sein, unser Produktportfolio soll so weiterentwickelt sein, dass wir auch in Zukunft die Gesamtbevölkerung gut erreichen. Gerade angesichts der Herausforderungen der Googles dieser Welt wollen wir die österreichische Stimme und auch die Instanz sein, wo sich die Österreicher informieren oder mit österreichischem Programm unterhalten wollen.
medianet: In Ihrer Bewerbung schreiben Sie: ‚Der ORF braucht adäquate Rahmenbedingungen, vor allem auch in rechtlicher Hinsicht.' Was ist damit gemeint?
Wrabetz: Ich denke das ist mittelfristig ein Thema. Kurzfristig sehe ich keine Änderungen – das liegt auch daran, dass Medienminister Drozda eine Enquete im Frühjahr 2017 zum ORF-Gesetz ansetzen will. Daher ist in dieser Legislaturperiode nicht mit Gesetzesänderungen zu rechnen. Durch die aufgeheizte Stimmung rund um die Generaldirektorenwahl ist die Diskussion um die Finanzierung und Rahmenbedingungen des ORF nicht in die richtige Richtung gelaufen. Wir sind ein gut aufgestelltes Unternehmen, was man auch mit Zahlen sehr gut belegen kann. Wir müssen uns natürlich in unserer Aufstellung immer weiter optimieren und im Angebot weiterentwickeln. Natürlich muss man hinsichtlich der TVthek-Lücke, also der höchstgerichtlich aufgehobenen Gebührenpflicht für das Streamen von ORF-Angeboten, nachdenken. Die Menschen konsumieren unsere Inhalte, aber nicht auf klassischen Radio- und Fernsehplattformen, und haben dann keine Gebührenpflicht. Ob man das als erweiterter Gerätebegriff oder Haushaltsabgabe löst, sind zwei Seiten der gleichen Medaille, und darüber wird man sich einigen müssen.
medianet: Wäre Ihnen eine Haushaltsabgabe lieber?
Wrabetz: Ich bin da eigentlich agnostisch. Es geht darum, dass wir bei einer staatsfernen Finanzierung bleiben. Ich hielte es für verheerend, wenn man die ORF-Finanzierung jährlich aus dem Bundesbudget mit dem Finanzminister verhandeln muss, wie es ja zuletzt auch vorgeschlagen wurde; dann ist man als ORF vollkommen von der Politik erpressbar. Das hielte ich für grundfalsch. Was auch sichergestellt sein muss, ist, dass wir nicht am Ende weniger Mittel haben als es jetzt der Fall ist, weil sich alle möglichen Trittbrettfahrer auch daran beteiligen wollen. Das wird nur in limitiertem Maß möglich sein.
medianet: Diese Abhängigkeit, von der Sie sprachen, gibt es, allerdings nur, wenn es um die Gebührenerhöhung geht.
Wrabetz: An dieser Stelle kann ich nur an die Politik appellieren, die gesetzliche Regelung ernst zu nehmen. Es ist, wie der Medienminister ja auch klargestellt hat, nicht Aufgabe der Politik und auch nicht ihre Verantwortung, zu überprüfen, was der ORF tut. Das ist Aufgabe der ORF-Gremien, der weisungsfreien Medienbehörde und der von ihr bestellten Prüfungskommission.
medianet: Wann kommt denn der Antrag auf Gebührenerhöhung?
Wrabetz: Bis Jahresende muss ein entsprechender Antrag für die Gebührenregelung der nächsten fünf Jahre eingereicht werden.
medianet: Vor welchen finanziellen Herausforderungen steht denn der ORF künftig?
Wrabetz: Unabhängig von einer Gebührenvalorisierung, haben wir einen Spardruck. Wir haben bei den Werbeeinnahmen bestenfalls stabile Entwicklungen, aber sicher keine Steigerung.
Wir haben gesetzliche Beschränkungen, die uns Probleme machen. Beispielsweise die Schwarzblendenregelung, die auf unsere Kosten geht und die Werbeerlöse weiter reduziert. Wir haben natürlich Kostensteigerungen über bestimmte Rechtekosten und generell inflationsbedingte Kostensteigerungen wie jedes Unternehmen.
Das bedeutet wiederum, dass wir auf der Kostenseite viel tun müssen. Wir werden die seit Jahren laufenden Einsparungsprogramme und Effizienzsteigerungsprogramme fortsetzen müssen.
medianet: In welchen Bereichen werden Sie sparen müssen?
Wrabetz: Es geht letztlich um alle Bereiche. Das sind viele Einzelmaßnahmen. Die muss man ausarbeiten und das heißt natürlich auch eine restriktive Vorgangsweise bei Personalkosten, Sachkosten und Abläufen, die man verbessern kann. Auch bei den Investitionen müssen wir uns sehr genau ansehen, was lohnend und finanzierbar ist.
medianet: Sehen Sie zusätzliche Erlösströme, die Ihnen das Gesetz verwehrt?
Wrabetz: Es ist müßig, darüber nachzudenken. Diese Beschränkungen gibt es und sie werden sich nicht oder nur marginal ändern. Es gibt für uns auch außerdem keine maßgeblichen großen Erlösströme am Markt, die interessant oder rechtlich zulässig wären.
medianet: Die Aufregungen der Privaten, der ORF sei eine Bedrohung für den Markt, ist also überproportional groß?
Wrabetz: Wir werden mit allen Branchenkollegen Gespräche führen, haben nun auch mit den Zeitungsherausgebern wieder Gespräche vereinbart. Das ist zwar nicht mein unmittelbarer Bereich, aber es sind Missverständnisse auch bezüglich unserer Start-up-Initiative entstanden.
Ich werde mit den Zeitungsherausgebern darüber sprechen, über welche Rahmenbedingungen, in denen sich der ORF bewegt, man sich verständigen kann. Es wäre unsinnig, wenn wir mit kommerziellen Mitbewerbern einen Wettlauf um die attraktivsten Unternehmensbeteiligungen starten würden. Das kann nicht sein und wir müssen deutlich machen, wenn wir in Start-ups investieren, dann sehr zielgerichtet im Zusammenhang mit dem Kerngeschäft des ORF, und diese Beteiligungen werden nicht in das Territorium anderer Medien gehen.
medianet: Meine Frage zum VÖP haben Sie jetzt elegant umschifft. Dennoch: Warum ist dieses Thema für den ORF wichtig?
Wrabetz: Ich glaube, dass wir vor einem riesigen Technologie- und Veränderungssprung stehen. Es ist wichtig, Know-how von außen hereinzubringen und sich zu vernetzten mit Unternehmen, die Forschung und Entwicklung betreiben. Forschung und Entwicklung wird ein entscheidender Schwerpunkt sein, der über rein klassische Programmentwicklungen hinausgeht. Da können Start-ups und Kooperationen im tertiären Bildungsbereich eine Rolle spielen. Nicht, um in Zukunft damit Geld zu verdienen. Das wird vielleicht vereinzelt möglich sein, aber nichts, worauf man eine Finanzplanung aufbaut.
medianet: Diese Dinge sollten sich dann logischerweise auf das Programm auswirken …
Wrabetz: … darum geht es. Wie kann man ein Enrichment für klassische Medien, durch den Einsatz neuer Technologien, generieren? Das ist das Thema, das uns interessiert. Das zweite Thema ist, wie können wir unsere Abläufe und Workflows durch Einsatz neuer Technologien verbessern und kosteneffizienter machen. Das sind zwei Bereiche, wo ich auch glaube, dass wir weder mit den Privaten, noch mit den Zeitungen in einen Konflikt kommen.
Wrabetz: Hat man hier mit dem VÖZ eine bessere Gesprächsgrundlage als mit dem VÖP?
Wrabetz: Das kann man so nicht sagen. Ein Problem ist, dass der VÖP den größten österreichischen Privatsender nicht vertritt, nämlich ATV, der ja ausgetreten ist. Deswegen muss man hier parallel reden. Was das Radio betrifft, ist mein Eindruck und mein Wille, dass man mit dem VÖP-Präsidenten Svoboda konstruktive Gespräche führt. Lediglich mit der deutschen ProSieben-Gruppe ist es eher schwierig.
medianet: Ein aktueller Aufreger hier ist die APA-Videoplattform, bei der der ORF aufgrund der Vorgaben de facto als einziger Content liefern kann.
Wrabetz: Ich weiß nicht, ob da nicht auch andere kommen werden. Natürlich haben wir den meisten Content, daher sind wir wahrscheinlich für die Abnehmer der Plattform der interessanteste Partner. Wir wollen nicht nur von Schulterschluss reden, sondern setzen ihn auch um, indem wir Content mit digitalen Plattformen sharen.
medianet: Kommen wir zum Fernsehen, wo vor allem bei ORF eins eine große Aufgabe auf Sie wartet.
Wrabetz: Durch die entfachte Gebührendiskussion ist es extrem schwer, einen Veränderungsprozess einzuleiten. Wir haben bei der Programmpräsentation viele Produkte für ORF eins gezeigt und in der Richtung müssen wir uns weiterentwickeln. Das kann aber nicht nur im aufwendigsten Produktionsbereich, der eigenproduzierten Fiction, sein. Die großen Flächen, die wir mit US-Ware bespielen müssen, wird man nicht ersetzen können. Deshalb müssen wir hier mehr im Bereich Information und Dokus machen, denn das ist ja auch wirtschaftlich bei den Minuten-Kosten günstiger als Eigenfilmproduktionen. Mein Auftrag an den ORF lautet hier: Schafft Flächen, schafft Österreich-Bezug, schafft innovative Formate. Ich möchte rasch das neue Channelmanagement aufsetzen, dieses muss sich entlang der von der Geschäftsführung vorgegebenen strategischen Leitplanken, Programmstrategien und Umsetzungen überlegen.
medianet: Was ist die Idee hinter dem Channelmanagement?
Wrabetz: Auch das ist etwas, wo wir in den kommenden Wochen die Grobstruktur, den Zeitplan festlegen. Dann werden wir die Channelmanager besetzen, und dann wird es einige Zeit dauern, bis es funktioniert und die neue Struktur implementiert ist. Ich habe das schon einmal gemacht, indem ich Peter Schöber zum TW1-Geschäftsführer berufen habe; er hat dann seinen Sender ORF III aufgestellt und so wird es im Fall der Channelmanager auch sein.
medianet: Bis wann soll die neue Struktur stehen?
Wrabetz: Im ersten Quartal 2017 sollen Grobstruktur und Besetzung feststehen.