RETAIL
© Spar/Eva trifft Fotografie

Spar-Vorstandssprecher Hans K. Reisch

Redaktion 14.06.2024

„Kundenzufriedenheit war bei uns immer da!”

Spar-Vorstandssprecher Hans K. Reisch im Interview über Kundenvertrauen und Krisenmanagement.

••• Von Chris Radda und Christian Novacek

Spar steht zum 70-jährigen Jubiläum bestens da. Präsident Hans K. Reisch berichtet im großen medianet-Interview, wie in der Inflationskrise mittels Margenverzicht Konsumentenvertrauen generiert werden konnte – und warum die Wachstumsführerschaft bleiben und die Marktanteile 2024 weiter zulegen werden.

medianet: 70 Jahre Spar ist eine große Nummer – wie groß wird denn gefeiert?
Hans K. Reisch: Grundsätzlich haben wir uns entschieden, selbst kein großes Spar-Fest zu machen, dafür aber ein Spar-Fest für unsere Konsumentinnen und Konsumenten. Wir haben ein regelrechtes Preis-Feuerwerk gestartet. Das wird das ganze Jahr über aufrechterhalten. Darüber hinaus haben wir den Mitarbeitenden einen zusätzlichen Urlaubstag geschenkt und die Staffelung des Mitarbeiterrabatts ausgesetzt – er liegt jetzt einheitlich bei fünf Prozent.

medianet:
Welche Rolle spielt die App in diesem Belang? Wie ist sie aufgenommen worden?
Reisch: Die Akzeptanz war unglaublich. Die Spar-App ist über unseren Erwartungen gestartet. Im Oktober eingeführt, haben wir uns eine Million User als Ziel gesetzt – inzwischen haben wir über 2,2 Millionen und das Ende der Fahnenstange sehen wir noch lange nicht als erreicht an. Wir attraktivieren unsere Spar-App ununterbrochen.

medianet:
Zusammengefasst – Spar ist auch im Jubiläumsjahr erfolgreich und wird die Marktführerschaft behaupten?
Reisch: Wenn wir uns weiter so entwickeln wie in den ersten vier Monaten 2024, dann werden wir die Marktführerschaft sogar weiter ausbauen können.

medianet:
Ein Fundament für die starke Position wurde nicht zuletzt in der Pandemie gelegt – was hat Spar da anders gemacht?
Reisch: Wir haben einfach viel besser agiert als alle anderen. Wir haben die Maske verschenkt, andere haben sie verkauft. Wir haben da nicht lange gefackelt. Auch mit Hygienestationen waren wir von Beginn weg sehr gut aufgestellt. Der Umstand, dass es bei uns im Vergleich zu den Diskontern ein echtes Vollsortiment gibt, war ebenfalls vorteilhaft. Außerdem haben wir nicht zugelassen, dass in der Pandemie irgendwelche Feinkostabteilungen geschlossen werden nur aufgrund der Mitarbeitersituation.

medianet:
Gibt es mittlerweile einen Gegentrend, kann man sagen, die Diskonter sind wieder am Vormarsch?
Reisch: Die Erfahrung machen wir Gott sei Dank bis jetzt nicht. Die Diskonter werden natürlich immer mehr zum Vollsortimenter. Aber umgekehrt forcieren wir unsere Diskontschiene – wir haben jetzt über 900 S-Budget-Produkte mit einer Milliarde Euro Umsatz. Wir wachsen mit unserer Diskontmarke permanent im zweistelligen Bereich.

medianet:
Stichwort Inflation – wurden Sie kalt erwischt?
Reisch: Ja, erst mal wird man davon überrascht. Dass das plötzlich im zweistelligen Bereich sein wird, hat niemand vorhergesehen. Vielleicht haben das im Nachhinein ein paar Zukunftsforscher gewusst, aber wir haben nicht damit gerechnet. Speziell die Energiekos-tenthematik ist über uns hereingebrochen. Infolge kamen die Lieferanten – vor allem die multinationalen Konzerne – und wollten ihre erhöhten Kosten im Preis unterbringen. Das waren keine Verhandlungen auf Augenhöhe – es wurde uns oktroyiert und wir mussten einen Margenverzicht hinnehmen. Wir mussten dann eine Umsatzrendite von nur einem Prozent hinnehmen, was natürlich nie und nimmer akzeptabel ist.

medianet:
Wie ist die Situation mit den Lieferanten heute?
Reisch: Wir haben der Tatsache, dass die Multis ihr Problem einfach an uns überwälzt haben, Einhalt geboten und gesagt, wir müssen neu verhandeln.

medianet:
Die Neuverhandlungen laufen positiv?
Reisch: Wenn wieder schönes Wetter herrscht, kann man ganz anders verhandeln, weil der Zugzwang abgeschwächt ist. Auch die Energiepreissituation ist jetzt entspannter.

medianet:
Hat aus Ihrer Sicht die Kundenzufriedenheit in den letzten Jahren abgenommen?
Reisch: Das glauben wir nicht. Die Kundenzufriedenheit war bei uns immer da. Eben, weil wir massiv auf Marge verzichtet haben.

medianet:
Die Darstellung seitens Medien und Politik war eine andere. Stärkt Ihnen die Entscheidung der Bundeswettbewerbsbehörde zu Ihren Gunsten jetzt den Rücken?
Reisch: Ja. Ich sage mal, wir wurden völlig unverschuldet in eine politische Diskussion hineingezogen und wurden als Preistreiber zum Generalschuldigen erklärt – aus einer Hilflosigkeit der Politik heraus, die dann sogar eine Preisvergleichsplattform gefordert hat.

Insgesamt ist der Eindruck ungünstig, weil zuerst ist nahezu ein Jahr lang getrommelt worden, der Handel sei ein Preistreiber, und dann wird knapp festgestellt, wir sind es nicht. So gesehen war das ein Learning, wie man zum Handkuss kommen kann, ohne etwas dafür zu können.

medianet: Kommen wir zur Spar-Expansion – Ihr größter Mitbewerber schließt Geschäfte; droht das auch bei Spar?
Reisch: Im Gegenteil, wir setzen auf schnelle Expansion und schnelle Entscheidungen, wo weiße Flecken sofort lokalisiert und gemanagt werden und genug Investitionsmaterial zur Verfügung gestellt ist, um all diese Dinge durchführen zu können. Wir haben auch immer ein Auge darauf, möglichst viele Standorte auf Eurospar-Niveau zu bringen.

medianet:
Das heißt in Bezug auf Wachstumsführerschaft und Marktanteile?
Reisch: Die Wachstumsführerschaft haben wir jetzt schon sehr lange und sie hat uns dann auch 2020 zur Marktführerschaft gebracht. Wir sind weiter im Vormarsch, besonders in Wien, wo wir die 30 Prozent erreichen wollen.

medianet:
Inwieweit beruhen denn diese Spar-Erfolge dann auch auf den Schultern der Kaufleute?
Reisch: Sehr, sehr stark! Wir geben auch immer wieder sehr gute Filialen an gute, selbstständige Kaufleute ab. Oft sind das ehemalige Markt- oder Gebietsleiter. Die Kaufleute waren bei uns intern 2023 der Marktführer.

medianet:
Trotzdem wirbt Ihnen die Adeg Kaufleute ab?
Reisch: Die Adeg braucht Substanz und Substanz kostet Geld.

medianet:
Wie gesichert ist denn aus Ihrer Sicht die Nahversorgung in Österreich?
Reisch: Ab 300 Haushalte, die dort einkaufen, kann ein Geschäft leben. Wenn’s das nicht mehr hergibt, liegt es an der Bevölkerung und nicht am Kaufmann – also wenn der Ort nur noch als Schlafstätte genutzt wird.

medianet:
Können wir noch das Thema E-Commerce ansprechen – Spar positioniert sich da nicht so forciert wie der Mitbewerb. Warum?
Reisch: Wenn man wie wir eine derart hohe Dichte an stationären Handelsflächen in Österreich hat, dann ist der E-Commerce eigentlich kontraproduktiv. Daher läuft das bei uns unter Forschung und Entwicklung und ist dort gut aufgehoben. Wenn wir sehen, dass sich in der Entwicklung etwas ändert, sind wir die ersten, die das entsprechend umsetzen. Aber derzeit ist E-Commerce im LEH – um es mal flapsig zu sagen – hauptsächlich Bierkisten und Klopapier.

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