••• Von Alexander Haide
Künstliche Intelligenz als Dauerbrenner – in Unternehmen, in Medien und an den Universitäten. Doch wie gehen Österreichs Unis mit dem Thema KI um? Zeigt sich der Lehrbetrieb noch eher ratlos, oder ist das Arbeiten mit Künstlicher Intelligenz bereits bei den Studierenden und Vortragenden angekommen? Stefan Vorbach ist Vizerektor für Lehre an der TU Graz und umreißt im Interview den Stand der Dinge an „seiner” Universität, der TU Graz.
medianet: Dürfen Studierende KI während des Studiums verwenden?
Stefan Vorbach: Die Letztentscheidung trifft die Lehrveranstaltungsleitung. Es gibt eine Leitlinie, die rechtlich nicht verbindlich ist, aber empfehlenden Charakter hat: Wir begrüßen prinzipiell den Einsatz von KI in der Lehre seitens der Studierenden, aber auch seitens der Lehrenden. Das gilt vor allem für Themen wie die Rechtschreibkontrolle, Übersetzungshilfe, etc. Über einen darüber hinaus gehenden Einsatz, wie sich zum Beispiel in der Informatik Programmzeilen von der KI schreiben zu lassen, entscheidet die Lehrveranstaltungsleitung.
medianet: Wie sehr wird KI bereits in den einzelnen Studien im Unterricht aktiv gelehrt?
Vorbach: Das ist pauschal ein bisschen schwierig zu beantworten. Es gibt einzelne Bereiche in Fakultäten, die das Thema nicht erst mit ChatGPT in der Lehre eingesetzt haben, sondern die seit Längerem damit arbeiten. In der Informatik und Mathematik wurde mit Deep Learning, neuronalen Netzwerken und Large Language Models bereits sehr früh begonnen, vor mehr als zehn Jahren. Das hat jetzt, auch durch die öffentliche Wahrnehmung und die Leistungsfähigkeit von generativer KI, wie beispielsweise ChatGPT, einen Turbo bekommen. Das passiert seit etwa einem Jahr. Wir haben ausgewählte Lehrveranstaltungen zu diesem Thema, die sich tief mit der Technik der KI beschäftigen. Und wir haben Anwendungsfälle in anderen Fakultäten und Lehrveranstaltungen, die nicht die Technik verstehen, sondern sie anwenden. Das zieht sich eigentlich durch alle Fakultäten, von Architektur bis Chemie. Die TU Graz hat sieben Fakultäten, von denen sich zwei tief mit der Technik beschäftigen, die fünf anderen sind Transferempfänger und interessierte Anwender. Es hat sich eine vor allem technische Forschungsgruppe von 50 bis 70 Personen formiert, von der ein Impuls ausgeht, KI in die unterschiedlichsten Lehrveranstaltungen quer über die gesamte Universität einzubringen.
medianet: Wie weit ist das bereits gediehen?
Vorbach: Es gibt an der TU Graz einen kleinen medizintechnologischen Bereich, in dem es eher um Mensch-Maschine-Interaktion, also um Brain-Computer-Interfaces, geht. Dort ist KI unter anderem auch ein Thema. Eine größere Rolle spielt KI etwa bei der Bilderkennung, die in der Informatik zum Einsatz kommt.
Wir haben begonnen, unsere wissenschaftlichen Praxislehrveranstaltungen mit dem Rüstzeug für ‚Wie arbeite ich korrekt wissenschaftlich?' mit dem Thema KI und der Verwendung in der Forschung und Lehre anzureichern. Das sind in einigen Bachelor-Programmen zweistündige Lehrveranstaltungen. Es wurde aber noch keine eigene Lehrveranstaltung daraus kreiert. Die Lehrenden sind derzeit selbst am Experimentieren, wo in ihren Lehrinhalten und Lehrkonzepten die KI ihren Platz finden könnte.
medianet: Wie lange dauert es noch, bis KI breitflächig abseits der IT bei Lehrveranstaltungen eingesetzt wird? Ist man an den Unis am aktuellen Stand der Dinge?
Vorbach: Ob es Aufholbedarf gibt, ist schwer zu sagen. Nachdem sich das Thema so turbulent und dynamisch entwickelt und es fast alle paar Wochen einen neuen Stand der Technik gibt, ist man immer etwas hinten.
Prinzipiell gibt es keine ablehnende Haltung, es ist ein relativ freundlicher, offener Zugang, der natürlich seine Grenzen hat. Etwa bei Prüfungen wollen wir, dass nicht die KI die Prüfung schreibt, sondern sie selbstverständlich mit den Kompetenzen des Studierenden absolviert wird. Wenn wir KI verwenden, müssen wir es flächendeckend kennzeichnen. Ich muss aber anmerken, dass es schwierig ist, zu erkennen, ob eine KI bei Ergebnissen beteiligt war oder nicht. Die Technik kann das nicht gut kontrollieren.
medianet: Erachten Sie das Vermitteln und den Einsatz von KI-Kenntnissen in allen Bereichen als Bildungsauftrag der Unis?
Vorbach: Ich würde es als Teil der Aufgabe von Universitäten sehen, diesen Umgang mit KI kritisch zu reflektieren, ihn ethisch-moralisch zu hinterfragen. Gerade Technische Unis neigen dazu, die Technik unreflektiert einzusetzen und zu verwenden, weil man es kann.
medianet: Finden Sie in Zeiten des IT-Fachkräftemangels ausreichend Lehrpersonal für KI?
Vorbach: Nachdem wir bereits jahrelang in den Themen forschen, haben wir ja das richtige Personal vor Ort, das sich vermehrt grundlagenorientiert mit dem Thema KI beschäftigt. Wir tun uns also nicht schwer, Lehrpersonen zu akquirieren. Aber bei uns steht die Industrie auf der Matte und fragt, wo die IT-Absolventen sind. Wir benötigen für unseren eigenen Betrieb IT-Fachkräfte, Programmierer, die wir selbst ausbilden und versuchen, so lange wie möglich an der Uni zu halten. Die wandern aber immer wieder durch attraktive Industrieangebote ab. Es ist also ein sehr dynamischer und für unsere Personalabteilung einer der derzeit herausforderndsten Märkte.