So soll Wien zum Hotspot der Forschung werden
© WWTF/Lukas Beck
Michael Stampfer
CAREER NETWORK Redaktion 17.05.2024

So soll Wien zum Hotspot der Forschung werden

Der Wiener Wissenschafts-, Forschungs- und Technologiefonds (WWTF) ­unterstützt zahlreiche Projekte. Geschäftsführer Michael Stampfer im Interview.

••• Von Alexander Haide

WIEN. Mehr als 550 Projekte hat der WWTF mit 265 Mio. € in den vergangenen 20 Jahren unterstützt. Michael Stampfer unterstreicht im großen ­medianet-Interview, wie wichtig es ist, Spitzenforscher aus den unterschiedlichsten Fachgebieten nach Wien zu bringen und heimische Wissenschaftler in der Stadt zu halten.

medianet:
Die Aufgabe des WWTF ist es, ‚herausragende Forschungsarbeiten über kompetitive Forschungsförderung zu unterstützen'. Was darf man unter dieser sperrigen Formulierung verstehen?
Michael Stampfer: Es gibt grundsätzlich zwei Arten, um Forschung zu finanzieren. Entweder man gibt einer Forschungsgruppe oder einer Institution ein Grundbudget in der berechtigten Erwartung, dass dabei etwas G’scheites herauskommt, denn das sind intelligente und ehrgeizige Menschen. Ein System, das zu wenig Grundbudget hat, ist schlecht und falsch aufgestellt. Daneben gilt es – sowohl aus thematischen Gründen als auch, um den Wettbewerb anzuspornen –, besonders gute Forscher und Ideen mit projektorientiertem Geld zu versorgen. Das ist die sogenannte kompetitive Förderung. Dazu veranstalten wir Wettbewerbe. Dabei gibt es eine externe Instanz, das sind internationale Jurys und Gutachter, die sich eingereichte Projekte vergleichend ansehen.

medianet:
Schließt das rein akademische Projekte, die keinen Praxisnutzen haben, aus?
Stampfer: Nein, denn kompetitiv heißt nur, dass die Forscher gegeneinander antreten müssen; das bedeutet aber keine Wettbewerbsfähigkeit im Sinn von Produktentwicklung oder Ähnlichem. Wo wir auf eine Art Nützlichkeit achten, ist die Themenauswahl. In relevanten Bereichen wie etwa den Biowissenschaften und Life-Science finanzieren wir freilich auch sehr grundlegende Projekte. Da geht es etwa um Populationsgenetik oder darum, weshalb der Goffinkakadu als einziges Nicht-Säugetier ganze Werkzeugsets bei der Futtersuche verwenden kann. Das wird den Wirtschaftsstandort Wien morgen nicht vorantreiben, aber das sind tolle Projekte.

medianet:
Arrivierte Forscher, etwa im Feld der KI, beklagen, dass es in Österreich zu wenig Fördermittel gibt …
Stampfer: Ja, hier fehlt etwas, vor allem für die Finanzierung der nächsten Generationen – erfahrene Forscher brauchen auch junge Doktoranden, die sich dann zu Wissenschaftlern entwickeln. Uns geht es sehr stark darum, dass hochtalentierte Menschen sehr früh eine Unabhängigkeit erreichen und nicht jahrelang in unsicheren Verhältnissen für jemanden arbeiten, sondern möglichst früh gute Ideen selbstständig umsetzen können. Das ist ebenfalls eine unserer Missionen, diese Menschen zu erkennen, oder, wenn sie noch nicht in Wien sind, sie in die Stadt zu holen und sie finanziell zu unterstützen.

medianet:
Besonders im Bereich der IT monieren Unternehmen den Fachkräftemangel. Gibt es hier eine Konkurrenz zwischen dem WWTF und dem privaten Sektor, wenn es um das Gewinnen der besten Köpfe geht?
Stampfer: Was die Anzahl der Talente betrifft, ist es zwischen den Unis und den Unternehmen brutal, selbst auf der lokalen Ebene. Wenn im Bereich Machine Learning hier nur eine Handvoll Menschen im Top-Segment ihr Doktorat abschließt, sind sie überall gefragt und können entweder eine tolle Karriere in der Wissenschaft oder in der Industrie machen. Der Wettbewerb um Talente ist auf internationaler Ebene natürlich noch brutaler. Dass Wien eine schöne Stadt ist, reicht dabei als Argument nicht aus. Es braucht attraktive finanzielle Gehaltsangebote, aber es muss auch genügend Geld für die Forschungsprojekte selbst vorhanden sein. Wir besitzen insgesamt in diesem Bereich noch nicht die Strahlkraft, die wir haben sollten.

medianet:
Weshalb ist Ihnen der Digitale Humanismus ein großes Anliegen?
Stampfer: Zum einen sind das die Gefahren, zum anderen die Schönheit unserer zivilisatorischen Institutionen. Es gibt den Rechtsstaat und unabhängige Gerichte, die Gewaltenteilung, eine Regierung, die aktive Politik machen kann, es können Steuern auf Wertschöpfung eingehoben werden, es gibt Redefreiheit, ohne dass uns gleich ein Mikrofon belauscht. All diese Dinge sind durch die Mischung von Plattformökonomie bzw. Internet mit Machine Learning und durch Gier- und Machtstreben stärker bedroht als wir glauben. Ich möchte keinen transhumanistischen Fortschritt damit erkaufen, dass ich bei Rechtsstreitigkeiten nicht mehr zu unabhängigen Gerichten gehen kann, weil sie mittlerweile automatisiert sind und den Firmen gehören. Ich möchte bei allen Unzulänglichkeiten unserer demokratischen Prozesse auch in zehn Jahren noch unmanipuliert wählen können. Für mich ist Digitaler Humanismus, dass die Informatiker auf ihrem Weg, möglichst schnell zum Ziel zu kommen und elegante, digitale Lösungen zu bauen, auch über mögliche Konsequenzen ihres Tuns schon von Beginn weg nachdenken.

BEWERTEN SIE DIESEN ARTIKEL

TEILEN SIE DIESEN ARTIKEL