Gastkommentar ••• Von Nery Alaev
WIEN. Acht Jahre nach dem Ausbruch der globalen Finanzkrise hat die Weltwirtschaft noch immer nicht zu einem dynamischen Wachstum zurückgefunden. Auch in politischer Hinsicht – siehe Brexit – wird die Welt immer unruhiger. Das macht viele Menschen zunehmend nervös, weil sie nicht wissen, was in Zukunft auf sie zukommt. Faktum ist, dass die Gesamtnachfrage insbesondere in den Krisenländern weiterhin stagniert, viele Einlagen abgezogen wurden und die hohe Arbeitslosigkeit aufrecht bleibt.
Zwang zur Kreditvergabe
Mit einem genialen Schachzug will EZB-Chef Mario Draghi deshalb der Euro-Zone wieder neue Lebenskräfte einhauchen. Strafgebühren für Guthaben, auch „Negativzinsen” genannt, sollen die Banken dazu zwingen, wieder mehr Kredite zu geben und damit das Wirtschaftswachstum zu beleben.
Inzwischen haben bereits sechs Notenbanken Negativzinsen eingeführt, darunter die Europäische Zentralbank (EZB) sowie die Zentralbanken in Dänemark, Schweden, der Schweiz und Japan. Kritiker bewerten dieses Experiment als Zeichen der Verzweiflung, in dessen Fokus erneut die großen, systemrelevanten Banken stünden.
Demnach sei dies das falsche Signal, da es sich dabei genau um jene Finanzinstitute handelt, deren übermäßige Risikobereitschaft und missbräuchliche Praktiken die Finanzkrise von 2008 erst verursacht hätten.
KMU nicht austrocknen
Notwendig sei vielmehr die Konzentration auf den Kreditfluss. Die Notenbanken und zuständigen Regulatoren sollten daher dringend die Bereitschaft der lokalen Banken, Kredite an europäische KMU zu vergeben, wiederherstellen und bewahren, lautet ihr Argument.
Natürlich ist die Fähigkeit der Geldpolitik, in einer einbrechenden Volkswirtschaft wieder Vollbeschäftigung herzustellen, selbst unter optimalen Umständen begrenzt. Aber es leuchtet ein, dass angesichts der Systemrelevanz einer großen Anzahl kleiner Banken die Kreditvergabe an KMU zur Ankurbelung von Investitionen, Beschäftigung und Wachstum keinesfalls vernachlässigt werden darf.