Die Pleitewelle rollt  ungebremst übers Land
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FINANCENET Redaktion 22.08.2025

Die Pleitewelle rollt ungebremst übers Land

Gläubigerschutzverband Creditreform hat die Zahlen – es droht ein neuer Negativrekord für das heurige Jahr.

Der Gläubigerschutzverband Creditreform hat die Zahlen bei den Firmeninsolvenzen für das erste Halbjahr 2025 in Österreich analysiert. Die Firmeninsolvenzen steigen weiter stark an und zwar um 8,9% auf 3.662 Verfahren. Die Zahl der eröffneten Verfahren steigt dabei um 3,4% auf rund 2.170. Die mangels Vermögen abgewiesenen Insolvenzen erhöhen sich um 18,0% auf fast 1.500. Gerhard M. ­Weinhofer, Geschäftsführer von Creditreform, fasst den aktuellen Insolvenztrend zusammen: „Es scheint, dass Österreich auf ein Insolvenzrekordjahr zusteuert. So viele Insolvenzen gab es noch nie in der Geschichte der Zweiten Republik. Die Stimmung bei den Unternehmen ist am Tiefpunkt und immer weniger meistern die Herausforderungen. Nun sind rasche Lösungen gefragt, die den Wirtschaftsstandort und die Wettbewerbsfähigkeit stärken.“ Laut einer Umfrage vom Frühjahr unter 1.400 österreichischen Unternehmen ist das Geschäftsklima der heimischen Unternehmen das zweite Mal in Folge sogar negativer als am Höhepunkt der Pandemie.

Arbeitsplätze gefährdet
Die Mehrzahl der Unternehmen berichtet von rückläufigen Aufträgen, sinkenden Erträgen und einer sehr geringen Investitionsbereitschaft. Die Insolvenzpassiva belaufen sich auf rund fünf Milliarden Euro. 8.000 Arbeitsplätze sind betroffen. Den stärksten Zuwachs verzeichnen Tirol (+29,4%), Salzburg (+24,2%) und Wien (+14,6%).

Hingegen sinken die Insolvenzen in Vorarlberg (–20,2%), im Burgenland (–15,0%) und in Niederösterreich (–4,4%).
Die höchste Insolvenzbe­troffenheit herrscht in der Bundeshauptstadt mit fast 17 Insolvenzen pro 1.000 Unternehmen, die geringste in Vorarlberg mit fünf von 1.000 Unternehmen. Generell sind Unternehmen im Osten stärker insolvenzge­fährdet. Österreichweit müssen rund zehn von 1.000 Unternehmen einen Insolvenzantrag stellen.

Industrie & Bau konsolidieren
Die beiden wichtigsten Branchen für die allgemeine Wirtschafts- und Arbeitsmarktentwicklung Sachgütererzeugung/Industrie und Bauwesen dürften aber das Schlimmste überstanden haben. In der Sachgütererzeugung sinken die Insolvenzen um 2,7%, im Bau sogar um fast zehn Prozent, auch wenn dieser mit 22 Insolvenzen je 1.000 Branchenunternehmen nach wie zu den Top 3 der am stärksten betroffenen Branchen zählt. Die meisten Insolvenzen werden im Handel (642), in den Unternehmensbezogenen Dienstleistungen (617) und im Bauwesen (539) angemeldet.
Die größte relative Insolvenzbetroffenheit herrscht im Transportwesen mit jeweils 26 Insolvenzen von 1.000 Branchenunternehmen, gefolgt von der Branche Kredit- und Versicherungsvermittlung mit knapp 25 von 1.000 Branchen­unternehmen.

Trüber Jahresausblick
„Seit dem Ende der Corona-Pandemie ist eine Insolvenzwelle über Österreich hereingebrochen und dauert weiter an. Jeden Tag verlieren immer mehr Unternehmen den Kampf gegen die Wirtschaftslage mit hohen Preisen und rückläufiger Nachfrage“, fasst Gerhard Weinhofer die aktuelle Lage zusammen. Für 2025 rechnet der Experte mit einem Rekordjahr mit mehr als 7.500 Firmeninsolvenzen. So viele gab es in der 2. Republik noch nie.

Privatinsolvenzen rückläufig
Die Gesamtzahl der Privatinsolvenzen sinkt ungeachtet der Wirtschaftskrise weiter um 0,6% auf 4.975 Verfahren. Das sind um rund 740 Insolvenzverfahren weniger als im Vor-Pandemie-Jahr 2019.

Die Zahl der eröffneten Schuldenregulierungsverfahren geht sogar um 2,5% auf rund 4.500 zurück, während die mangels Vermögen abgewiesenen Insolvenzen um 21,7% auf 477 Verfahren ansteigen.

„Trotz zahlreicher Unternehmensschließungen und Firmeninsolvenzen und weiterhin steigender Preise des täglichen Bedarfs haben sinken die Privatinsolvenzen. Die Österreicherinnen und Österreicher erweisen sich als weniger insolvenzgefährdet als vor der Pandemie“, so Weinhofer.

Sorgloser Umgang mit Geld
Der Hauptgrund für eine Privatinsolvenz liegt nicht in der allgemeinen Teuerung, sondern im nachhaltigen sorglosen Umgang mit Geld. Gerade bei jüngeren Menschen besteht ein Konsum­druck trotz höherer Preise.

Der plötzliche Jobverlust, eine Scheidung oder Krankheit sind dann nur der endgültige Auslöser der Insolvenz. Ein Drittel der Schuldner sind gescheiterte Selbstständige. Die bereinigte Durchschnittsverschuldung liegt bei rd. 55.000 €.

Acht von 10.000 sind insolvent
Der Bundesländer-Vergleich zeigt den stärksten Rückgang im Burgenland (–21,1%), gefolgt von der Steiermark (–15,3%) und Tirol (–14,0%). Wien trotzt diesem positiven Trend mit einer starken Zunahme um 8,8%. Mehr als ein Drittel (36,4%) aller Privatinsolvenzen wird in der Bundeshauptstadt eröffnet.
Wien ist damit sowohl Spitzenreiter bei der absoluten Zahl an Insolvenzen (1.811 Fälle) als auch bei der relativen Insolvenzbetroffenheit: Fast 14 von 10.000 erwachsene Wiener bestreiten den Gang zum Insolvenzgericht. Österreichweit sind knapp acht von 10.000 Erwachsene zahlungsunfähig.
Der aufgrund der demographischen Entwicklung und des anhaltenden Fachkräftemangels nach wie vor stabile Arbeitsmarkt sowie eine eingedämmte Inflation werden weiterhin für rückläufige Privatinsolvenzen sorgen. Dazu Gerhard Weinhofer: „Für das Gesamtjahr 2025 ist mit weniger als 10.000 Privatinsolvenzen zu rechnen.“

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