Heimischer M&A-Markt ist weiterhin stabil
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FINANCENET Redaktion 27.01.2023

Heimischer M&A-Markt ist weiterhin stabil

Weltweit rückläufige Zahlen bei den Firmenübernahmen – nicht so bei uns. Die Politik ist nun gefordert.

••• Von Reinhard Krémer

Die „Glückliche Insel” (Papst Paul VI.), später von Kanzler ­Bruno Kreisky in „Insel der Seligen” umformuliert – sprich Österreich –, scheint auch in einem weiteren Teilaspekt des Krisentrommelfeuers mit einem blauen Auge davonzukommen: Denn steigende Inflation und die steigenden Zinssätze haben den Höhenflug bei den Firmenübernahmen (M&A) wieder deutlich abgekühlt. Die rückläufigen Zahlen reflektieren das allgemein gedämpfte Geschäftsklima.

Dieser Rückgang ist auch auf die geopolitischen Spannungen zurückzuführen. Exemplarisch dafür steht ein Rückgang der Deal-Aktivität von China nach Nordamerika um 62%.
Davon war Österreich als kleines Land im Jahr 2022 noch weitestgehend unberührt, da Österreich nur selten in interkontinentale Deals involviert ist. Der heimische Deal-Markt hält sich damit ungebrochen stabil: Die Anzahl der Übernahmen mit österreichischer Beteiligung ist 2022 im Vergleich zum Vorjahr leicht von 293 auf 297 gestiegen.

Fünf Deals dominierten Markt

Dies entspricht einem Anstieg um 1,4%. Das Volumen wurde im Wesentlichen von den Top Fünf-Deals getrieben, die rund 70% des Gesamtvolumens ausmachten, während sich die übrigen rund 30% auf 24 weitere Deals aufteilten: Die Top Fünf-Deals setzten sich zusammen aus dem anteiligen Kauf von 12,7% der Immofinanz AG durch die CPI Property Group S.A. um 403,5 Mio. €, der Übernahme von Essentra Packaging durch die Mayr-Melnhof Karton AG um umgerechnet 363,5 Mio. €, dem Kauf von 24,5% der S Immo AG durch die Immofinanz AG um 337,5 Mio. €, der Übernahme eines diversen Portfolios von 53 Retail-Immobilien durch die Immofinanz AG um 324,2 Mio. € sowie dem Kauf des „D90” Hochhaus in Wien Brigittenau durch Greystar Real Estate Partners, LLC um 180 Mio. €.

Was nicht auf der Liste ist

Nicht berücksichtigt im Volumen sind drei öffentliche Übernahmeangebote in Höhe von bis zu 1,1 Mrd. €, deren Ausgang noch nicht final feststeht. Darunter fallen auch die Übernahmepläne von XXXLutz am Online-Möbelhändler Home24.

Das sind die Ergebnisse des 14. österreichischen M&A-Index der Prüfungs- und Beratungsorganisation EY. Für die Analyse untersucht EY halbjährlich alle veröffentlichten Transaktionen mit österreichischer Mehrheits- und Minderheitsbeteiligung.
„Weltweit geht der M&A-Markt gerade, bedingt durch das wirtschaftlich herausfordernde Umfeld, stark zurück. In Österreich ist von diesem Abwärtstrend bisher aber wenig zu spüren”, sagt Eva-Maria Berchtold, Partnerin und Leiterin der Strategie- und Transaktionsberatung (Strategy and Transactions) bei EY Österreich.

Heimischer Markt konstant

„Der Markt hält sich hier konstant und konnte 2022 sogar eine leichte Steigerung verbuchen. Insgesamt nähern wir uns wieder langsam dem Vor-Corona-Niveau, wir gehen allerdings davon aus, dass sich das 2023 ändern wird und auch in Österreich die Deal-Aktivität etwas zurückgehen wird. Was wir aber auch hierzulande spüren, ist, dass 2022 einige Unternehmen finanziell unter Druck geraten sind, sodass wir 2023 weltweit auch in Österreich einen Anstieg an Deal-Aktivität im Distressed-Bereich erwarten. Zusätzlich könnte eine Neugewichtung des Portfolios durch die CEOs zum Verkauf von Non-Core-Geschäftsbereichen führen”, so Berchtold.

M&A-Deals verändern sich

„Rund um den Globus stehen Unternehmensführungen durch die anhaltend hohe Inflation vor einer Vielzahl an Herausforderungen wie die damit verbundenen stark gestiegen Lohn und Energiekosten”, sagt Robert Hufnagel, Partner und Leiter M&A Advisory bei EY Österreich.

„Diese makroökonomischen und geopolitischen Veränderungen werden Spuren in den Unternehmensergebnissen hinterlassen. Das führt auch zu Veränderungen bei M&A-Deals. Für Käufer wird es aufgrund dieses Umfelds in den kommenden Jahren deutlich schwerer werden, Übernahmekandidaten richtig zu bewerten. Gleichzeitig werden sich Verkäufer schwerer tun, eine hohe Bewertung zu argumentieren”, so Hufnagel.

Die dominanten Player

Die überwiegende Mehrheit der Transaktionen entfiel 2022 mit 286 Deals auf strategische Transaktionen – das entspricht einem erneuten Plus von zehn Transaktionen im Vergleich zum Vorjahr. Demgegenüber gab es lediglich elf Transaktionen durch Finanzinvestoren (Private Equity, „PE” bzw. Venture Capital, „VC”) mit österreichischer Beteiligung. Im Vorjahr konnten hier noch 17 Deals verzeichnet werden.

Im Gegensatz zum weltweiten Transaktionsmarkt spielt in Österreich privates Risikokapital damit unverändert eine untergeordnete Rolle.

Wo Österreichischer zukaufen

Der österreichische M&A-Markt erfährt zudem eine steigende Internationalisierung, denn Deals innerhalb Österreichs sind weiter rückläufig und 2022 um 12,5% gesunken.

Ausländische Investoren waren 2022 im Gegenzug erneut in Österreich aktiv: Die Anzahl der Transaktionen stabilisierte sich im Bereich „Inbound” nach einem außerordentlichen starken Vorjahr bei 115 Deals – ein Minus von 13,5%.

Deutsche Nummer 1 bei uns

Österreichische Investoren kündigten 2022 zur Verfolgung ihrer internationalen Wachstumsziele 133 M&A-Transaktionen an. Damit gab es deutlich mehr Übernahmen von ausländischen Unternehmen („Outbound”) als im Vorjahr (plus 27,9%).

31,3 aller Käufe von österreichischen Unternehmen durch ausländische Investoren – dies entspricht 36 Deals – gingen 2022 auf das Konto von deutschen Investoren; Deutschland verteidigt somit den ersten Rang als stärkstes Herkunftsland inländischer Investitionen und bleibt gleichzeitig beliebtestes Zielland für einheimische Invests mit 27,8%.

Industrie & Immos im Fokus

Bei der Anzahl der Transaktionen lag der Industriesektor 2022 mit 89 Deals vorne, gefolgt von Unternehmen aus dem Immobiliensektor mit 68 Deals sowie dem Technologiesektor mit 60 Transaktionen.

Bei den veröffentlichen Transaktionsvolumina rangiert der Immobiliensektor mit 1,5 Mrd. € auf Platz eins vor dem Indus-triebereich mit 0,5 Mrd. €.
Diese Entwicklung ist vor allem auf den milliardenschweren Kauf der Anteile der Immofinanz AG durch die CPI Property Group S.A. zurückzuführen.

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