Private Banking wird (auch) digital
© Erste Bank/Hinterramskogler
Wolfgang Traindl will Kunden „auch digital abholen, indem wir ihnen Tools und Infos mediengerecht zur Verfügung stellen”.
FINANCENET 23.10.2015

Private Banking wird (auch) digital

Die Anforderungen an die Banken steigen, die Kunden sollen davon profitieren – Wolfgang Traindl, Head of Erste Private Banking & Asset Management, im Gespräch.

WIEN. Der Private Banking-Markt befindet sich in einem großen Veränderungsprozess: Zunehmend wird z.B. die passende Größe zur Überlebensvoraussetzung für die Institute. Darüber wie auch über die fortschreitende Digitalisierung sprachen wir mit Wolfgang Traindl, dem Chef des Private Banking bei der Erste Bank.

medianet:
Warum wird die Nachfrage nach Vermögensverwaltung immer stärker?
Wolfgang Traindl: Das niedrige Zinsniveau wird uns die nächsten Jahre begleiten. Mit Spareinlagen, aber auch mit traditionellen festverzinslichen Wertpapieren, ist das Vermögen des Kunden nicht mehr real erhaltbar. Deshalb ist eine starke Tendenz zur Beimischung von Anlagekategorien mit mehr Ertragspotenzial gegeben – Aktien, Immobilienwertpapiere, Unternehmensanleihen.

Die Komplexität und Vielzahl der Produkte nimmt aber gleichzeitig zu. Aufgrund der Notwendigkeit der Beimischung volatilerer und risikoreicherer Anlagekategorien ist ein starker Trend von Beratungsportfolios hin zu gemanagten Portfolios, also zur Vermögensverwaltung, gegeben.
Hier zeigen sich Vorteile für eine Vermögensverwaltung, wo die Bank treuhändig für den Kunden dieses ‚laufend Neugewichten' ­automatisch macht, ohne dass sich der Kunde selbst darum kümmern muss.

medianet: Dabei werden die Bankgeschäfte für Kunden ja immer transparenter?
Traindl: Definitiv. In der Umsetzung der EU-Direktive MIFID2 werden für Kunden sämtliche Kosten voll transparent gemacht und den Banken hohe Anforderungen auferlegt, was Beratung und Dokumentation angeht. Kontenwechsel werden ab 2016 für Kunden leicht gemacht.

Große Banken haben hier Vorteile gegenüber kleinen Privatbanken, weil sie diese Aufwände auf die einen großen ‚Apparat' überwälzen können. Wir haben uns in der Erste Bank bereits MIFID2-fit gemacht und speziell im Private Banking einen ‚State of the art'-Vermögensbericht fertigentwickelt, wo der Kunde alle relevanten Informationen inkl. Gesamtbrutto- und Netto-Performance, Kostenübersicht und steuerlich relevanten Infos geliefert bekommt.

medianet: Spüren Sie den Digital-Trend auch in Ihrem Geschäft?
Traindl: Es ist absehbar, dass ‚Online' und ‚Digital' immer mehr Bereiche erfasst – und auch Private Banking wird sich besser auf die digitale Zukunft vorbereiten müssen. Die Digitalisierung veranlasst viele Menschen, immer mehr online zu recherchieren, zu vergleichen, nachzuschauen und sogar zu kaufen. Eine aktuelle Analyse zeigt, dass etwa Google-Suchen nach ‚Private Banking' sprunghaft angestiegen sind: + 120% allein im letzten Jahr, mobil sogar +400%.

Ich denke, dass wir Kunden auch digital abholen müssen, indem wir ihnen Tools und Infos mediengerecht zur Verfügung stellen. Zum Beispiel haben wir in der Erste Bank mit unseren Apps für Online-Banking, Spenden, Kartenservice und viele mehr das wohl breiteste Angebot am österreichischen Markt. Darüber hinaus bringen wir Anfang 2016 ein interaktives Vermögensreporting für unsere Private Banking-Kunden auf den Markt, bei dem unsere Kunden am Tablet dynamisch durch ihren persönlichen Vermögensbericht surfen können.

medianet: Viele dieser Herausforderungen sind mit zum Teil großen Aufwänden und Kosten verbunden?
Traindl: Nach meiner Einschätzung werden einige kleinere Privatbanken kostenmäßig massiv unter Druck kommen. Eine aktuelle Studie von McKinsey hat gezeigt, dass etwa 40% von 120 untersuchten Privatbanken in Europa operativ nicht mehr profitabel betrieben werden. Aber selbst wir als Erste Bank – mit Vorteilen bei der Kostenverteilung – haben die Steigerung von Effizienz und Produktivität ganz groß auf unserem strategischen Radar. (pj)

BEWERTEN SIE DIESEN ARTIKEL

TEILEN SIE DIESEN ARTIKEL