Wo die Unternehmen jetzt der Schuh drückt
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FINANCENET Redaktion 13.05.2022

Wo die Unternehmen jetzt der Schuh drückt

Energieversorgung, dringende Steuersenkungen und Flexibilisierung des Arbeitsmarkts im Fokus.

••• Von Reinhard Krémer

WIEN. Das neue Deloitte ­Radar belegt: Der österreichische Wirtschaftsstandort ist mit großen Herausforderungen konfrontiert. Die Folgen der Coronapandemie sind noch nicht bewältigt. Gleichzeitig erschüttert der Ukrainekrieg die Wirtschaft.

Die Stimmung in den Unternehmen ist gedrückt, vor allem die Sicherheit der Energieversorgung bereitet den Führungskräften Sorgen. Um die Krisensituation zu meistern, fordert die überwiegende Mehrheit eine Senkung der Lohnnebenkosten, eine Flexibilisierung des Arbeitsmarktes und eine stringente Pandemiebekämpfung.
Im Rahmen des Deloitte Radar werden jährlich die Attraktivität und Wettbewerbsfähigkeit des Standorts Österreich untersucht. In die Studie fließen die Einschätzungen von mehr als 230 befragten heimischen Top-Führungskräften sowie die analysierten Indizes globaler Rankings ein. Aus den Ergebnissen lassen sich die wichtigsten Handlungsfelder ableiten.

Nicht im Spitzenfeld

Bei Betrachtung der Rankings ist zu erkennen, dass die Alpenrepublik seit Jahren nur die Plätze 15 bis 20 einnimmt.

Im wichtigsten Ranking, dem World Competitiveness Index (IMD), liegt Österreich global auf Platz 19, im Europa­vergleich auf Platz 11. In Europa belegen die Schweiz, Schweden und Dänemark die ersten drei Ränge; sie punkten mit einer umfassenden Digitalisierung und einer geringeren Steuerbelastung der Unternehmen.
„Damit Österreich wettbewerbsfähig und für Investoren attraktiv bleibt, muss es unser Ziel sein, es in den nächsten fünf Jahren unter die Top Fünf-Länder in Europa zu schaffen. Wir müssen uns an den Besten messen”, sagt Harald Breit, CEO von Deloitte Österreich. Hierzulande überwiegen derzeit aber die Sorgenfalten. Die vierte Corona-welle sowie der Ukraine­krieg haben die Stimmung unter den Führungskräften gedämpft.

Pessimismus als Gefahr

Während im vergangenen Spätsommer noch 86% die Stimmung im Management positiv bewertet haben, teilen aktuell nur mehr 52% diese Meinung. Ein Fünftel schätzt die Stimmung sogar als (sehr) negativ ein. In der Belegschaft sowie unter den Kunden und Lieferanten zeigt sich ein ähnlich pessimistisches Bild.

„Die Besorgnis hat in den Unternehmen seit Beginn des Krieges gegen die Ukraine spürbar zugenommen. Wir laufen Gefahr, dass sich dieser Pessimismus verfestigt und zu einer Abwärtsspirale wird – der Hut brennt am Standort Österreich, es muss dringend gegengesteuert werden”, warnt Breit.

Sorgenkind Energieversorgung

Generell wird die Resilienz des Standorts von der Hälfte der Führungskräfte noch immer als (sehr) positiv betrachtet. Schaut man genauer hin, gibt es aber ein wichtiges Handlungsfeld: Die Sicherheit der Energieversorgung bereitet den Befragten im Moment die größte Sorge. 90% befürchten aufgrund des Ukrainekrieges in der nächsten Zeit nachteilige Folgen. „Neben der Energieversorgung wird die geopolitische Krise weite Kreise ziehen: Fast alle Studienteilnehmer gehen davon aus, dass der Krieg schwerwiegende Auswirkungen auf Lieferketten, Rohstoffverfügbarkeit sowie Transportpreise haben wird”, so Breit.

Steuersenkung & Erneuerbare

Der Standort zeigt sich derzeit zwar resilient, dennoch herrscht laut den Befragten dringender Handlungsbedarf, um ihn nachhaltig zu stärken. Als effizienteste Maßnahmen werden der Umbau des Energiesystems in Richtung erneuerbare Energien (92%), die Digitalisierung der Verwaltung (85%), die Senkung der Lohnnebenkosten (87%) und Einkommensteuern (78%) sowie die Förderungen von Investitionen für Umwelttechnologien (87%) genannt.

„Der Staat nimmt durch die Redkordinflation derzeit viele Steuern ein. Um den negativen Dominoeffekt in der Wirtschaft zu unterbrechen, braucht es rasche Erleichterungen für die Betriebe. Der Großteil der Befragten sieht in der Senkung der Lohnnebenkosten einen zentralen Hebel”, sagt Herbert Kovar, Partner bei Deloitte Österreich.

Mehr Geld für Forschung

„Die Erhöhung der Forschungsprämie wäre ein weiteres hervorragendes Mittel, um den Umbau der Wirtschaft vor dem Hintergrund der geänderten globalen Rahmenbedingungen voranzutreiben”, so Kovar. Die Situation am Arbeitsmarkt wird von den Unternehmen derzeit kritisch gesehen. Für die Verfügbarkeit von Fachkräften vergeben 69% die Noten „Genügend” oder „Nicht genügend”, nur drei Prozent bewerten diese mit einem „Gut”. Die Flexibilität des Arbeitsmarkts beurteilen lediglich 16% als „gut” oder „sehr gut”. Einigkeit herrscht beim Thema Integration von Geflüchteten: Beinahe alle befragten Unternehmen fordern hier verstärkte Anstrengungen und Vereinfachungen.

Elisa Aichinger, Partnerin bei Deloitte Österreich, sagt: „Vor dem Hintergrund des allgegenwärtigen Fachkräftemangels ist die flexible Gestaltung von Arbeitszeit und -ort essenziell. Auch gilt es den Zugang für Geflüchtete zum Arbeitsmarkt zu erleichtern – das bestätigen uns 90 Prozent der Führungskräfte.”

Sinkende Zufriedenheit

Auch bei der viel gelobten Lebensqualität muss Österreich Einbußen verzeichnen. Beim Vergleich der Umfrageergebnisse vor der Pandemie mit den aktuellen sieht man, dass die Zufriedenheit mit dem Gesundheitssystem und dem sozialen Zusammenhalt in den letzten zwei Jahren jeweils um 20 Prozentpunkte gesunken ist. „Dieser Rückgang ist ein Alarmsignal. Um eine weitere Verschlechterung zu verhindern, müssen Maßnahmen zur Stärkung dieser Assets gesetzt werden”, so Aichinger.

Es wird nun entscheidend sein, welche Schritte seitens der Regierung in den nächsten Monaten gesetzt werden. „Die heimische Wirtschaft hat fünf zentrale Forderungen: Senkung der Steuern zur Entlastung der Unternehmen, Förderung von Forschung und Innovationen, Umbau des Energiesystems, Flexibilisierung des Arbeitsmarkts sowie die stringente Bekämpfung der Pandemie. Es gibt viel zu tun und jetzt ist Leadership gefragt”, fasst Deloitte-CEO Harald Breit zusammen.

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