Alpbach: Mythen belasten das Gesundheitswesen
© Andrei Pungovschi/Congress Centrum Alpbach
HEALTH ECONOMY Redaktion 26.08.2016

Alpbach: Mythen belasten das Gesundheitswesen

Die Gesundheitsbranche diskutierte beim Forum Alpbach über Innovationen und längst überholtes Wissen.

ALPBACH. Es ist nicht alles Gold, was glänzt und nicht alles, wo Gesundheit draufstehe, ist auch gleich ein Geschäft, betonten Experten bei den diesjährigen Gesundheitsgesprächen in Alpbach. Sie räumten dabei mit vielen Mythen auf und gleichzeitig auch dem Anspruch vieler Patienten auf Heilung und vieler Investoren auf sichere Gewinne.

Falsche Versprechungen

„Wir haben das Bild projiziert, dass wir alles heilen und alle gesund machen können. Dieses Bild bekommen wir wieder zurück. Das sind die Ansprüche, welche die Patienten an uns stellen”, sagte die Innsbrucker Intensivmedizinerin Barbara Friesenecker. Gerade in der Intensivmedizin könne man oft Patienten über lebensbedrohliche Krisen hinüberretten, aber sie würden eben nicht wieder ausreichend gesund. Friesenecker forderte: „Wir müssen das Sterben wieder zum Gespräch machen. Wir müssen Sterbebegleitung als Kompetenz erlernen.” 40% der Patienten würden in ihren letzten sechs Lebensmonaten sinnlose Therapien erhalten.

„Nicht zu wenig und nicht zu viel Medizin”, stellte Gerald Gartlehner, Leiter der Abteilung für Evidenz-basierte Medizin der Donau-Universität Krems, als Ziel der Zukunft vor. Der Knackpunkt sei der Zugang zu verlässlichen Gesundheitsinformationen – für Fachkreise genauso wie für Patienten.

Verantwortung von Medien

Mehrere Experten setzten hier an und warten vor der unreflektierten Übernahme von medizinischen Sensationsmeldungen auch durch die Medien. „Die Internationale Agentur für Krebsforschung hat verarbeitetes Fleisch als karzinogen eingestuft. Das Problem liegt darin, dass es damit mit dem Rauchen und Asbest in eine Kategorie fällt”, sagte Ian Johnson vom Britischen Institut für Ernährungswissenschaften in Norwich. Der Unterschied im Beitrag von Fleischkonsum zu Dickdarmkrebs und dem Rauchen beim Lungenkrebs sei enorm, werde aber so nicht in Relation gestellt. Immerhin ist Tabakkonsum für rund 20% aller Krebserkrankungen (85% der Lungenkarzinome) verantwortlich. Starker Fleischkonsum wird mit einem Risikoanteil für Dickdarmkarzinome von um die 20% kalkuliert. Das seien eklatante Unterschiede. Ein anderes Beispiel sei der Body Mass Index. Jeffrey Hunger von der Abteilung für Psychologie und Hirnforschung der Universität von Kalifornien sagte: „Der BMI ist ein schlechter Prognosefaktor für Gesundheit. In den USA fallen dadurch 74 Millionen Menschen in eine falsche Kategorie.”

Im Nachhinein bewertet, stellen sich jedenfalls viele Dogmen der Medizin nach wie vor als Mythen heraus, betonte der finnische Orthopäde und Unfallchirurg Teppo Järvinen. 38% der „Behandlungsstandards” hätten sich als unwirksam oder schädlich herausgestellt. (iks)

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