••• Von Martin Rümmele
WIEN. Weil eine EU-weite Einigung mit allen Mitgliedsländern zu lange dauern würde, kommt es nun zu einer ungewöhnlichen Situation: Mehrere Mitgliedsländer preschen vor und bestellen einen Corona-Impfstoff. Das Kuriose dabei: Es gibt noch gar keinen Impfstoff. Sollte aber einer gefunden werden, wird die Produktion noch einmal lange dauern. Und da gelten die Prinzipien: „Wer zuerst kommt, malt zuerst” oder anders: „Den letzten beißen die Hunde”. Und weil die USA und Großbritannien schon aktiv waren, kommt die EU unter Zugzwang.
AstraZeneca profitiert
Deutschland, Frankreich, Italien und die Niederlande haben deshalb einen ersten Vertrag über mindestens 300 Mio. Impfdosen gegen das Coronavirus geschlossen. Das teilte der deutsche Gesundheitsminister Jens Span in Berlin mit. Die Entwicklung eines Impfstoffs könnte im günstigen Fall schon Ende des Jahres abgeschlossen sein, hieß es aus dem Ministerium.
Vertragspartner ist der Pharmariese AstraZeneca. Profitieren sollen alle EU-Staaten, die dabei sein wollen. Die Impfdosen würden relativ zur Bevölkerungsgröße aufgeteilt. Dabei geht es nach Angaben des Konzerns um den an der Universität Oxford entwickelten Covid-19-Impfstoff AZD1222, der derzeit in einer großen Studie geprüft wird. AstraZeneca hatte nach eigenen Angaben vor Kurzem schon ähnliche Vereinbarungen unter anderem mit Großbritannien und den USA abgeschlossen. Die USA zahlen ebenfalls für 300 Mio. Impfdosen umgerechnet 1,1 Mrd. €.
„Viele Länder der Welt haben sich schon Impfstoffe gesichert, Europa noch nicht”, erklärte Spahn. „Durch das zügige koordinierte Agieren einer Gruppe von Mitgliedsstaaten entsteht in dieser Krise Mehrwert für alle EU-Bürger. Wir wollen gemeinsam mit der Kommission künftig noch schneller und verhandlungsstärker werden.” Die vier Staaten haben sich nach Angaben des deutschen Gesundheitsministeriums zu einer Impfallianz zusammengeschlossen und sind mit mehreren Unternehmen im Gespräch, die an aussichtsreichen Impfstoffen forschen.
Lieferdatum völlig offen
Weltweit gab es nach Angaben des deutschen Verbands forschender Pharma-Unternehmen (vfa) im Mai mehr als 120 Impfstoffprojekte – von kleinen Firmen wie Biontech aus Mainz oder Curevac in Tübingen bis zu Konzernen wie Sanofi, Pfizer und GlaxoSmithKline. Möglicherweise könnten viele Anbieter zugleich oder kurz aufeinander Impfstoffe auf den Markt bringen, sagte vfa-Präsident Han Steutel damals. Doch wann tatsächlich ein Corona-Impfstoff zugelassen wird, weiß derzeit niemand.