••• Von Katrin Grabner
Genauere Analysen, mehr Effizienz bei der Diagnose und personalisierte Therapien – Künstliche Intelligenz (KI) bringt laut etablierten Health-Tech- und Pharma-Unternehmen zahlreiche Vorteile für die moderne Medizin. Beim deutschen Pharma- und Agrarkonzern Bayer erwartet man für den weltweiten KI-Markt für medizinische Bildgebung bis 2026 ein durchschnittliches jährliches Wachstum von 26% auf insgesamt 1,25 Mrd. €. Der Konzern investiert selbst vermehrt in KI-basierte Radiologietechnologie, ähnlich wie Philips. Laut dem deutschen Handelsblatt möchte das Unternehmen noch in diesem Jahr seine KI-Plattform für Radiologie, „AI Manager”, über Pilotprojekte in deutschen Kliniken etablieren.
Mögliche Gefahren
Künstliche Intelligenz kann allerdings viele Gesichter haben. Seit ChatGPT das Internet erobert hat, ist die Aufregung groß. Der Chatbot beantwortet Fragen und verfasst auf Anfrage informative – und gut formulierte – Texte. Die Krux: Wenn man ChatGPT nach der Quelle fragt, kann es sein, dass die KI einfach Webseiten erfindet, also „lügt”. Dass Künstliche Intelligenz nicht nur Vorteile bietet, wurde spätestens dann klar, als mehrere namhafte Experten wie Elon Musk in einem offenen Brief davor warnten und einen weltweiten Entwicklungsstopp von KI forderten. Stellt sich die Frage, wie gefährlich der Einsatz von KI in der Medizin ist. Joachim Bogner, Geschäftsführer von Siemens Healthineers in Österreich, sagt allerdings im medianet-Gespräch, dass man sich hier im Moment keine Sorgen machen muss.
Langsame Digitalisierung
Dass künstliche Intelligenzen Ärzte ersetzen und auf eigene Faust diagnostizieren oder Behandlungsentscheidungen treffen, sei unwahrscheinlich. Das läge auf der einen Seite daran, dass die Entwicklung von KI-Modellen, zumindest im Bereich der medizinischen Bildgebung, sehr lange dauert. Auf der anderen Seite gäbe es im Bereich Digitalisierung des Gesundheitssystems in Österreich laut Bogner zwar „sehr positive Entwicklungen”, aber dennoch viel zu tun – und auch für KI brauche es die passenden Rahmenbedinungen.
Mögliche Gefahren der Nutzung von Künstlicher Intelligenz in der Medizin schätzt Bogner als gering ein: „Künstliche Intelligenz kann im Bereich der medizinisches Bildgebung helfen, effizienter zu werden und Zeit zu sparen. Die Systeme funktionieren in erster Linie als Sicherheitsgurt und unterstützen Workflows und/oder die Ärzte bei ihrer Arbeit”, erklärt Bogner. Gefährlich würde es nur dann werden, wenn man sich komplett auf die KI verlässt, ohne die Meinung von Fachpersonal einzuholen.
Hybrides Modell
Ähnlich sieht dies auch Mathias Goyen, Chief Medical Officer für Europa, dem Nahen Ostern und Afrika von GE Healthcare. Er denkt, dass „hybride Entscheidungssysteme” – also die Zusammenarbeit von Fachpersonal und KI – in Zukunft eine immer wichtigere Rolle spielen werden, „um die Genauigkeit und Effzienz der Diagnose- und Behandlungsentscheidungen zu verbessern”. Als Beispiel nennt er Künstliche Intelligenz, die große Mengen an Radiologiebildern analysieren und Muster identifizieren kann, die Ärzten aufgrund des Ausmaßes möglicherweise entgehen könnten. Sowohl Goyen als auch Bogner sind sich einig, dass die endgültige Entscheidung aber auch in den nächsten Jahren noch bei den Ärzten liegen wird.
Eines der wichtigsten Anwendungsgebiete für KI wird ihrer Meinung nach die Präzisionsmedizin sein. Durch eine schnelle Auswertung einer großen Menge an Daten und das Erkennen von Mustern könne die Erstellung von personalisierten Behandlungsplänen forciert werden. Wo derzeit vergleichsweise erst wenige Daten gesammelt werden, erhofft sich Siemens Healthineers „in einigen Jahren aussagefähige Digital Twins”.