Markt für Gesundheitsdaten verspricht gute Geschäfte
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HEALTH ECONOMY 30.10.2015

Markt für Gesundheitsdaten verspricht gute Geschäfte

Wenn es der Gesundheit hilft, stellen die meisten Menschen ihre Daten gern zur Verfügung. Eine neue Studie sieht enormes Potenzial.

••• Von Ina Karin Schriebl

Mit dem Datenschutz im Gesundheitssystem scheint es für die Patienten ähnlich zu sein, wie in Sachen Gentechnik: Dient etwas der eigenen Gesundheit, ist man zu nahezu allem bereit. So erklärt sich etwa, warum Menschen die sogenannte grüne Gentechnik in der Landwirtschaft und bei Lebensmitteln ablehnen, die rote Gentechnik, die medizinische Fortschritte ermöglicht, aber großteils begrüßen.

Neue Studie

Ähnlich verhält es sich mit der Digitalisierung, wie nun eine neue Studie aus Deutschland zeigt. Welldoo, ein Full-Service-Anbieter von Gesundheits-Apps, hat zusammen mit dem Medienriesen Gruner+Jahr auf dem Digital Health Forum in Berlin die Studie „Future Trends – Zukunft der digitalen Gesundheitsversorgung” vorgestellt. Fazit: Die Gesundheitsbranche wandelt sich nachhaltig durch die Digitalisierung. Demnach würden 47% Gesundheitsdaten an die Krankenkasse weitergeben, 61% würden eine Apple Watch zur Auswertung von Gesundheitsaktivitäten bei geringeren Krankenkassentarifen tragen, und 32% würden sich sogar von einem digitalen Arzt behandeln lassen. Über die Hälfte der Befragten wäre sogar dazu bereit, laufend Gesundheitsaktivitäten und Daten messen zu lassen und sich dann durch einen digitalen Gesundheitsassistenten ermahnen zu lassen, wenn sie sich falsch, das heißt nicht im Sinne ihrer Gesundheit, verhalten.

Was noch weit weg klingt, ist in einigen Fällen schon ganz nah. So gibt es etwa bereits die Bezuschussung beim Kauf einer Apple Watch durch die deutsche Techniker Krankenkasse und ein Vitality-Programm des Versicherungskonzerns Generali.

Kasse zahlt Apple Watch

Die Techniker Krankenkasse wird etwa Medienberichten zufolge den Kauf einer Apple Watch für Mitglieder der Krankenkasse mit 250 € bezuschussen, wenn diese ausreichend Bonuspunkte gesammelt haben. Dabei muss man Punkte sammeln durch Früherkennungs- oder Vorsorgeuntersuchungen, durch das Absolvieren von zwei Gesundheitskursen sowie fünf weitere Aktivitäten, wie die aktive Mitgliedschaft in einem Sportverein oder der Erwerb eines Sportabzeichens. Auch die deutsche Kasse AOK Nordost bezuschusst den Kauf von Fitnesstrackern und Smartwatches.

Die Generali-Versicherung in Deutschland will im kommenden Jahr mit ihrem umstrittenen Belohnungssystem für gesunde Lebensweise in Versicherungspolizzen auf den Markt gehen. Zunächst sollen die neuen Tarife, die eine gesündere Lebensweise belohnen sollen, in der Lebens- und Berufsunfähigkeitsversicherung angeboten werden, sagte Vorstandsmitglied Rainer Sommer. Unter anderem soll es Anreize geben für eine regelmäßige Aktivität im Fitness-Studio oder den Einkauf gesunder Lebensmittel im Bio-Laden. Dafür übermittelt der Versicherte regelmäßig Daten zu seinem Lebensstil. Beispielsweise sollen Vorsorge­termine dokumentiert oder sportliche Aktivitäten erfasst werden.

Apps sammeln Daten

Das Potenzial der Erfassung und Auswertung von Gesundheitsdaten in großem Stil wird derzeit aber noch völlig unterschätzt, erklärte zuletzt auch der Verband der deutschen Internetwirtschaft e.V. (eco) anlässlich der Internet Security Days. Der Trend zu Fitnessarmbändern und Smartwatches führe zu einer stark steigenden, lückenlosen und automatisierten Erfassung der Vitaldaten von Millionen von Menschen. Die Nutzung dieser persönlichen Daten werde den Nährboden für eine neue Ära der Digitalisierung der Gesundheitswirtschaft in einem heute noch kaum vorstellbarem Ausmaß bilden, prognostiziert eco; der Verband spricht dabei von „Smart Healthcare” mit zahlreichen neuen Geschäftschancen für innovative Unternehmen. Gleichzeitig fordert eco einen besonders verantwortungsbewussten Umgang mit diesen sensiblen Daten und weist darauf hin, dass Datensicherheit und Datenschutz keine rein technischen Abläufe sind.

Maik Morgenstern, Chief Technology Officer des AV-Test Institut in Magdeburg, erläuterte auf den Internet Security Days: „Aktivitätenmesser, GPS-Position, Hauttemperatur, Herzschlag, Puls, Kalorienverbrauch, Laufgeschwindigkeit, Schlafphasenüberwachung, Schrittzähler, Stresslevel – viele Verbraucher sind sich nicht bewusst, welche persönlichen Daten sie über Fitnesstracker und Smartwatches sammeln und in der Regel an eine App weitergeben. Vor allem aber sind sich die Verbraucher nicht darüber im Klaren, welche Rückschlüsse auf sie persönlich durch die Auswertung dieses kontinuierlichen Datenflusses möglich sind.” Als „Interessenten” für diese Daten nennt eco Ärzte, Krankenhäuser, Krankenkassen, Versicherungen, die Werbewirtschaft, eine neue Unternehmensgeneration und nicht zuletzt den Staat sowie „die ganze Schar der Cyberkriminellen”.

EU-Kommission warnt

Selbst die EU-Kommission hat zuletzt gewarnt. Mehr als 100.000 Gesundheits-Apps gibt es derzeit, die Daten sammeln. Was damit passiert, ist unklar. Wie sie ausgewertet werden, zeigte im Vorjahr eine deutsche Studie zum Thema Übergewicht. Da wurde bekannt, dass die Österreicher hinter den Deutschen und Niederländern bereits die drittschwersten EU-Bewohner sind. Knapp 80 kg bringen wir im Durchschnitt auf die Waage; die Daten dazu stammten nicht von Ärzten, Krankenkassen oder aus einer Umfrage, sondern waren Ergebnisse der Auswertung von Abnehm-Apps.

Start-ups boomen

Umgekehrt bieten die neuen technischen Möglichkeiten auch Chancen – etwa, wenn es um die Unterstützung chronisch Kranker geht. Diabetiker können etwa ihre Blutwerte mittels spezieller Analyse­features für ihr Smartphone an den behandelnden Arzt schicken. Andere Apps etwa erinnern an die Einnahme von Medikamenten. Die EU hofft, durch solche Entwicklungen in den kommenden Jahren bis zu 99 Mrd. € in den Gesundheitssystemen einsparen zu können. Offen sind allerdings Datenschutzbestimmungen, die helfen, die technischen Möglichkeiten auch in geordnete Bahnen zu lenken.

Welches Potenzial für die Entwickler hinter diesem Trend steckt, zeigte zuletzt das oberösterreichische Start-up Runtastic: Das Unternehmen, das 2009 eine Fitness-App entwickelte, ist im September komplett an den deutschen Sportartikelhersteller Adidas verkauft worden. Adidas schnappte sich nicht nur die 50,1% der Anteile von Axel Springer, sondern auch jene der vier österreichischen Gründer und ließ sich das 220 Mio. € kosten. Mitgründer und Geschäftsführer Florian Gschwandtner hat die App gemeinsam mit drei Freunden im Jahr 2009 entwickelt. Im Oktober 2013 stieg Springer mit 50,1% ein. Mittlerweile beschäftigt Runtastic 120 Mitarbeiter und verzeichnet 140 Mio. App-Downloads und 70 Mio. registrierte Nutzer.

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