Migrationsdebatte als Weg aus dem Personalmangel
© APA/dpa/Oliver Berg
HEALTH ECONOMY Redaktion 08.09.2023

Migrationsdebatte als Weg aus dem Personalmangel

Die Anwerbung ausländischer Pflegekräfte wird nicht leicht, sagen Sozialminister Rauch und Personalexperte Flenreiss.

••• Von Martin Rümmele

WIEN. „Die Personalfrage schwebt über allem – sowohl im Gesundheitsbereich wie auch bei der Pflege”, sagt Gesundheits- und Sozialminister Johannes Rauch (Grüne) im medianet-Gespräch. Die angespannte Situation sei nicht nur mit Geld zu lösen. „Wir werden massiv investieren müssen, um jene zu halten, die wir haben. Da geht es etwa auch um Dienstplanstabilität, Arbeitsbedin-gungen, Kinderbetreuung und zusätzliche Anwerbung von Personal aus dem Ausland.”

Debatte über Zuzug

Gerade dieser Zuzug spaltet aber auch die Politik. Vor allem die FPÖ sträubt sich. FPÖ-Obmann Herbert Kickl erklärte zuletzt in den ORF-Sommergesprächen, mehr „Gastarbeiter” holen zu wollen: „Das ist ein wunderschöner Begriff, das sollten wir wieder einführen, weil wenn dann der Bedarf nicht mehr gegeben ist, dann können die Leute nach Hause gehen.” Rauch hingegen sieht, wie auch andere EU-Länder die Notwendigkeit, Pflegepersonal auch außereuropäisch aktiv anwerben zu müssen. Und er wünscht sich eine koordinierte EU-Strategie: „Hier sind wir angewiesen auf die Kooperationsbereitschaft großer Länder wie Deutschland. Das habe ich mit den Kollegen dort auch besprochen: Lasst uns doch gemeinsame Ausbildungszentren oder Welcomecenter in bestimmten Zielländern machen, um auch die Integration zu ermöglichen.”

Es könne umgekehrt nicht sein, dass „wir in einer Art neokolonialer Gutsherrenart irgendwo hinfahren und Leute herschiffen. Das wird nicht gehen.” Das müsse auf Augenhöhe und in Absprache mit Herkunftsländern passieren. Und Rauch geht mit der FPÖ hart ins Gericht: „Wer wie Herbert Kickl eine Festung Österreich errichten will und alle, die kommen wollen, bedroht, muss den Wählerinnen und Wählern sagen, dass im Jahr 2030 in Österreich keine Pflege und keine adäquate Spitalsbetreuung mehr stattfinden wird. Wer einem Land sozial, wirtschaftlich und kulturell einen Kollateralschaden verpassen will, baut eine Festung.” Wer umgekehrt erkenne, dass Österreich in Konkurrenz stehe mit anderen europäischen Staaten, der etabliere eine Willkommens- und Integrationskultur. „Das bedeutet auch, dass man nicht die Gastarbeitererzäh-lung wiederholt, sondern Angebote macht, damit Menschen zu uns kommen wollen, um hier zu arbeiten.”

Wettstreit der Länder

Rauch sieht aber auch Probleme innerhalb Österreichs und drängt im Finanzausgleich auf Änderungen. „Wir haben mittlerweile die Situation, dass die Länder anfangen, sich gegenseitig zu konkurrieren bei Pflege- und Gesundheitsberufen. Ich werde deshalb inzwischen auch von Ländern gebeten, dass wir von Bundesseite einen Korridor einziehen, damit es nicht zu einem gegenseitigen Niederkonkurrieren kommt. Da werden wir Lösungen suchen und wohl auch mehr zahlen müssen.”

Gemeinsame Planung

Dazu müsse es aber auch strukturelle Reformen geben und man müsse versuchen, Krankenhäuser und die Altenpflege als kommunizierende Gefäße zu sehen. „Wenn ich in Altenheime aufgrund von Personalengpässen Menschen nicht aufnehmen kann, dann führt das dazu, dass die durchschnittliche Liegedauer auf Internen Stationen in Spitälern in die Nähe von 30 Tagen kommt. Wir müssen darüber nachdenken, wie wir beide Welten gemeinsam denken können”, fordert Rauch von den Bundesländern. So schlägt er etwa vor, mehr Nachsorgebetten beziehungsweise Übergangsbetten einzurichten. „Warum kann nicht in einem klassischen Spital, das Krankenhaus-finanziert ist, nicht eine Übergangspflegestation einrichten, die anders finanziert ist? Ich plädiere auch hier, die Dinge gemeinsam zu denken.”

BEWERTEN SIE DIESEN ARTIKEL

TEILEN SIE DIESEN ARTIKEL