Ungesunder Brexit
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Personalnot In ganz Europa kämpfen die Beschäftigten im Gesundheitswesen für bessere Arbeits- und Rahmen­bedingungen.
HEALTH ECONOMY Redaktion 02.12.2022

Ungesunder Brexit

Zu wenig Geld und kein Personal: In ganz Europa kämpfen die Gesundheitssysteme. Besonders schlimm ist es in UK.

••• Von Katrin Grabner

LONDON/ BERLIN. Die Gesundheitssysteme Europas kämpfen weiterhin mit fehlendem Personal und steigenden Kosten. Die deutsche Regierung hat nun ein milliardenschweres Hilfsprogramm beschlossen, und auch im Vereinigten Königreich wurde eine Milliardenhilfe für den Gesundheitsdienst NHS (National Health Service) versprochen – dringend notwendig, denn dieser ist chronisch unterfinanziert und unterbesetzt. Was noch erschwerend hinzukommt: Aufgrund des Brexits fehlen jetzt Tausende ausländischen Ärzte im System.

Abschreckendes Arbeitsvisum

Einer Studie der Denkfabrik Nuffield Trust zufolge fehlten im Vereinigten Königreich 2021 aufgrund des Brexits mehr als 4.000 Mediziner. Ohne Brexit hätten 41.300 Ärzte aus anderen europäischen Ländern im Vereinigten Königreich gearbeitet, so waren es aber nur 37.000 Auslandseuropäer. Seit dem EU-Austritt brauchen Fachkräfte aus dem Ausland ein Arbeitsvisum, welches mit einem hohen finanziellen als auch bürokratischem Aufwand verbunden ist. Lücken gäbe es vor allem in den Bereichen Anästhesie, Kinder- und Jugendheilkunde, Psychiatrie sowie Herz- und Lungenheilkunde.

Stark negative Auswirkungen hat der Brexit auch auf den Zuzug von Pflegepersonal aus EU-Staaten: Kamen im Geschäftsjahr 2015/16 noch 9.389 Krankenpfleger und Hebammen aus der Europäischen Union ins Land, waren es 2021/22 nur noch 663. Die einzig gute Nachricht: Die Anzahl der Pflegekräfte aus nicht EU-Ländern wie Indien und den Philippinen stieg deutlich an.

Vorweihnachtliche Streiks

Jene, die dennoch im britischen Gesundheitswesen arbeiten, kämpfen derzeit hingegen für eine bessere Bezahlung. Krankenpfleger des NHS werden deshalb – nach einem Aufruf des Berufsverbands Royal College of Nursing – an zwei Tagen im Dezember streiken. Betroffen sein werden Einrichtungen in Wales, England und Nordirland, in Schottland konnte man sich auf Verhandlungen einigen.

Der Verband fordert ein Gehaltsplus von fünf Prozent oberhalb der Inflationsrate, die derzeit bei mehr als elf Prozent liegt – ein Ziel, das laut Gesundheitsminister Steve Barclay (Conservatives) nicht finanzierbar sei. Er verwies in der Debatte auf versprochene Milliardenhilfen, die die Regierung dem nationalen Gesundheitsdienst zur Verfügung stellen wollte. Bis 2025 soll das Budget auf umgerechnet 188 Mrd. € aufgestockt werden – zu wenig, wenn es nach Experten geht.
In Deutschland, wo das Gesundheitssystem ebenfalls unter Personalmangel sowie hohen Energiekosten leidet, werden nun von der Regierung acht Mrd. € in Krankehäuser und Pflegeheime investiert. „Die steigenden Energiekosten werden den Betrieb der Krankenhäuser nicht gefährden”, erklärt der deutsche Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) die Finanzspritze. „Kein Krankenhaus muss die Tore schließen, weil Energie zu teuer ist.” Sechs Mrd. € gehen an die deutschen Kliniken, zwei Mrd. € an die Pflegeheime.

Streiks auch in Spanien

Für den Krankenhausfonds werden Mittel des Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF) vom Bund zugewiesen, ebenso gibt es Gelder aus dem WSF für Pflegeheime. Die Programme haben jeweils eine Laufzeit bis April 2024. Die Deutsche Stiftung Patientenschutz warnt indessen davor, das Geld nicht nur in die Träger zu stecken – auch Heimbewohner sollten von der finanziellen Unterstützung profitieren.

Zehntausende Menschen haben zuletzt auch in Madrid für die Beibehaltung der öffentlichen medizinischen Grundversorgung demonstriert. Das Gesundheitssystem in der Region Madrid steht seit Jahren unter Druck. Es fehlt an Geld und Mitarbeitern.

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