••• Von Martin Rümmele
WIEN. 3,4 Mio. Menschen haben eine private Krankenversicherung. Dort sind zuletzt die Prämien um vier Prozent gestiegen, die Leistungen um 3,9 % gesunken. Die sozialen Krankenversicherungen erwarten kumuliert bis 2026 hingegen Verluste von 1,6 Mrd. €. Zusätzliche Mittel sind nicht in Sicht. Parallel wird derzeit über einen Rechnungshofbericht diskutiert, in dem die steigende Zahl an Wahlärzten kritisiert wird. Diese sind eigentlich für alle Beteiligten eine komfortable Lösung: Die Kassen zahlen den Patienten 80% des Kassentarifs und sparen 20%, die Wahlärzte sind so für die Patienten erschwinglich. Das Problem dabei: Das System lockt junge Ärzte weg vom Kassenvertrag. Der neue Gesundheitsminister Johannes Rauch will das ändern, die ÖGK und manche Bundesländer wollen Wahlärzte auch zu öffentlichen Leistungen verdonnern – ein Konflikt mit der Ärztekammer ist vorprogammiert.
„Konflikt mit Ärztekammer”
Man müsse darüber reden, ob man Medizin-Absolventen nicht dazu verpflichten könne, für eine bestimmte Zeit als Kassenarzt zu arbeiten – etwa ein, zwei Tage in der Woche, sagte der Minister in der Tiroler Tageszeitung. „Das wird ein Konflikt mit der Ärztekammer – und den bin ich bereit zu führen.” In der ORF-”Zeit im Bild 2” relativierte er dann am vergangenen Wochenende: „Das ist vielleicht ruppiger angekommen, als es gedacht war. Notwendig ist die Debatte deshalb, weil wir ein Problem haben im niedergelassenen Bereich genug Ärzte zu bekommen.”
Gegenseitige Kritik
Rauch stößt sauer auf, dass „der größte Teil der ausgebildeten Ärzteschaft sofort in eine Wahlarztpraxis geht und niemand mehr bereit ist, einen Kassenvertrag im niedergelassenen Bereich anzunehmen”. Dass es in Tirol noch kein Primärversorgungszentrum gibt, liegt für Rauch ebenfalls an der Ärztekammer. Er verstehe nicht, warum sich diese „unter fadenscheinigen Argumenten” gegen neue Modelle wehrt.
Die Österreichische Ärztekammer lehnt diese Überlegungen entschieden ab und spricht von „Zwangsarbeit”. Noch-Präsident Thomas Szekeres verwies auf die „übermenschlichen” Leistungen der Ärzte während der Pandemie und hätte sich Anerkennung erwartet. Dadurch sei der drohende Ärztemangel sicherlich nicht abzuwenden, stattdessen müsse man die Tätigkeit des Kassenarztes attraktiveren. „Entsetzt” zeigte sich auch ÖÄK-Vizepräsident Johannes Steinhart, der nun auch in Wien zum Nachfolger von Szekeres als Landespräsident gewählt worden ist: „Ich habe eigentlich gedacht, dass wir in einem freien Land leben und nicht in einem Land, in dem man offen totalitären Ideen von Zwangsarbeit nachhängt. Der Arztberuf ist ein freier Beruf und das muss auch so bleiben”, sagte Steinhart, der sich für den von Rauch heraufbeschworenen Konflikt „jederzeit bereit” zeigte. Der neue Wiener Ärztekammerpräsident legte in der Kritik nach: Er sprach von einer „Ungeheuerlichkeit” und einem „Holzweg” – und in der Sonntags-Presse von einer „Kriegserklärung des Ministers”, auf die man „entsprechend antworten” werde.
„Ärztestellen fehlen”
„Den Wahlärztinnen und Wahlärzten die Schuld am Nicht-Funktionieren des Kassensystems zuzuschieben, halte ich für verfehlt und undankbar”, sagt Steinhart im medianet-Interview. „Wir haben schon vor über einem Jahrzehnt gesagt, wir brauchen mehr als 1.000 Ordinationen mehr in Österreich. Wenn bestimmte Wünsche der Auslagerung aus dem stationären Bereich im niedergelassenen Bereich wahrgenommen werden sollen, dann brauchen wir mehr Ordinationen. Von diesen 1.000 bis 1.400 Ordinationen mehr kommen allein 300 auf Wien. Wenn die ÖGK das anbietet, dann schreiben wir sofort aus”, sagt Steinhart und fordert mehr Mittel.