••• Von Martin Rümmele
WIEN / GENF. Schuld an Mutationen des Coronavirus SARS-CoV-2 seien schlechte Impfquoten in armen Ländern, betonten Experten. Und immer mehr Kritiker sehen den Grund bei der westlichen Pharmaindustrie. Zuletzt forderte das globalisierungskritische Netzwerk Attac zusammen mit Experten, ehemaligen Gesundheitsministern und vielen anderen eine Aufhebung des Patentschutzes. Mehr als 100 Staaten drängen auch bei der Welthandelsorganiation WTO auf Lockerungen für Corona-Impfstoffe, damit ärmere Länder sich rasch und billig selbst versorgen können.
Industrie pocht auf Forschung
Die Pharmaindustrie will sich den Vorwurf nicht gefallen lassen und argumentiert damit, dass man ausreichend Impfstoffe produzieren. Das Problem seien nicht die Patente, sondern die mangelnde Verteilung durch die Politik. „Die Produktion von Covid-19-Impfstoffen wird laut Prognosen bis Ende 2021 mindestens 11 Mrd. Dosen erreicht haben. Bis 2022 werden geschätzte 24 Mrd. Dosen im Umlauf sein”, sagt Alexander Herzog, Generalsekretär des Pharmaverbands Pharmig.
Werde der Patentschutz aufgeweicht oder aufgehoben, könne sich das negativ auf die gesamte Forschungstätigkeit auswirken. „Mit dem Engagement der Herstellerfirmen, vor Ort beispielsweise in Afrika und Südamerika Produktionswerke aufzubauen, und mit den stetigen Mutationen des Coronavirus sollte über andere Wege für eine fairere Verteilung diskutiert werden, nicht über den Patentschutz. Schließlich ist dieser ein Treiber für die Forschungsaktivität, die wir dringend benötigen, um im Kampf gegen die Pandemie erfolgreich zu sein”, sagt Herzog. Argument der Kritiker: Nicht die Industrie, sondern die öffentliche Hand habe Forschung finanziert – oft auch an öffentlichen Universitäten.
China prescht vor
Während so die Patentdebatte seit Wochen hin- und herwogt, kommt die Industrie von einer anderen Seite unter Druck. Die Hälfte der produzierten Impfstoffe kommt nämlich aus China. Und die chinesischen Hersteller versuchen nun, die Lücke in Afrika und anderen ärmeren Regionen zu füllen. Im Kampf gegen die Coronapandemie hat Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping dem afrikanischen Kontinent eine Mrd. Impfdosen in Aussicht gestellt. 600 Mio. Impfdosen wolle China kostenlos zur Verfügung stellen, weitere 400 Mio. sollten Unternehmen beider Seiten gemeinsam produzieren.