••• Von Reinhard Krémer aus Daressalam
Eisenbahn spielte in Afrika bei den Transportmitteln während der letzten Jahrzehnte keine große Rolle. Die Kolonialmächte hatten zwar auf den für ihre Zwecke interessanten Strecken ein Netz aufgebaut, doch das lief fast durchwegs auf Schmalspur und wurde so den heutigen Anforderungen nicht mehr gerecht. Geldmangel ließ die weiterführenden Linien verkommen; ausgebaut wurde nur, wenn überhaupt, im städtischen Umfeld. Der Warentransport lief fast durchwegs auf Lkw. Doch steigende Ölpreise und verstopfte Straßen ließen den Ruf nach Alternativen laut werden.
Kenia war eines der ersten Länder, wo eine längere Strecke, nämlich die Route Nairobi–Mombasa, mit chinesischem Kapital auf Normalspur gebaut wurde. Die Linie verläuft fast genau entlang der alten britischen Schmalspurbahn Uganda Railway, die 1901 unter britischer Kolonialherrschaft fertiggestellt wurde und deren Schienen im Abstand 1.000 mm man oft vom Zug aus sehen kann.
Eile mit Weile
Der dieselbetriebene Zug mit rund 1.000 Passagieren pro Transport fährt nun seit 2017 auf Normalspurschienen (in Kenia Standard Gauge Railway oder SGR genannt) mit 1.435 mm Abstand. Mit Geschwindigkeiten zwischen 80 und 105 km/h braucht man für die 592 km von Mombasa nach Nairobi rund fünfeinhalb Stunden und ist damit deutlich schneller als jedes andere bodengebundene Verkehrsmittel: Mit dem Auto dauert es mindestens zehn Stunden; mit dem Bus sind es rund zwölf.
Auf dem Weg nach Nairobi überquert die SGR die 2,6 km lange Athi River Super Bridge, die zum Zeitpunkt ihrer Fertigstellung die sechstlängste Brücke Afrikas war. Die SGR hat insgesamt 98 Brücken; die Baukosten betrugen 3,6 Mrd. $. Hauptauftragnehmer war die China Road & Bridge Corporation CRBC, die 25.000 Kenianer für die Arbeiten an der Eisenbahn anstellte.
Der afrikanische Verbund
Die Bahn wurde im Zuge des East African Railway Master Plan errichtet: Dieser sieht vor, dass die Mombasa–Nairobi SGR mit anderen SGRs verbunden wird, die in der Ostafrikanischen Gemeinschaft gebaut werden sollen.
Dazu gehört auch die neue Eisenbahn in Tansania, die den Indischen Ozean mit dem Malawisee verbinden und den Gütertransport zwischen dem Hafen von Dar es Salaam und dem tansanischen Hinterland sowie den Städten Kigali in Ruanda, Bujumbura in Burundi und schließlich Goma in der Demokratischen Republik Kongo erleichtern soll.
Anders als in Kenia ist das SGR-System in Tansania in Übereinstimmung mit Plänen in den benachbarten Ländern Ruanda und Uganda so konzipiert, dass seine Lokomotiven mit Strom (25 kV 50 Hz Wechselstrom-Oberleitung ) angetrieben werden. Auch die äthiopische Eisenbahn, die die Hauptstadt Addis Abeba mit dem Hafen in Dschibuti verbindet, ist durchgehend elektrifiziert.
Phase eins & zwei eröffnet
Die erste Phase umfasst eine Entfernung von 300 km von der Stadt Daressalam bis nach Morogoro. Für den Bau kamen vorerst keine chinesischen Unternehmen zum Zuge: Dieser Abschnitt wurde an ein 50/50-Konsortium, bestehend aus Yapi Merkezi aus der Türkei und Mota-Engil aus Portugal, vergeben.
Rot-weiß-rot in Tansania
In einer Fußnote war auch Österreich beteiligt: Man nutzte nämlich für Tests gebrauchte ÖBB-Elektrolokomotiven der probaten Baureihe 1014, die im September 2021 verschifft wurden.
Die Reihen 1014 und 1114 sind vierachsige elektrische Universallokomotiven, die von 1993 bis 2009 im Einsatz waren. Sie wurden von SGP Verkehrstechnik im Werk Graz gebaut und sind 17,5 m lang, haben eine Anfahrzugkraft von 190 kN und sind 74 t schwer. Die Höchstgeschwindigkeit liegt bei 175 km/h.
Rekord mit ÖBB-Lokomotiven
2022 begann man mit Testfahrten, wobei erstmals von einem Schienenfahrzeug in Tansania 160 km/h erreicht wurde.
Die zweite Phase umfasst eine Entfernung von etwa 426 km. Im September 2018 erhielt die tansanische Regierung von der Standard Chartered Bank einen zinsgünstigen Kredit in Höhe von 1,46 Mrd. $ zur Finanzierung dieses Abschnitts. Der Abschnitt wurde auch an das Konsortium vergeben, das den Abschnitt Daressalam–Morogoro baut und im Juli 2024 fertiggestellt wurde.
Bei weiteren Bauabschnitten kommen jetzt zwei chinesische Unternehmen zum Einsatz, da Yapi Merkezi offenbar in finanzielle Schwierigkeiten geriet. Im Februar 2025 war der Abschnitt Fünf zu 63,04% fertiggestellt.
Im Endausbau wird die tansanische Normalspurbahn 1.000 km lang sein und soll in rund sechs Jahren fertiggestellt sein.