••• Von Britta Biron
Auf den ersten Blick ist das Ergebnis der kürzlich vom Klima- und Energiefond präsentierten „Faktencheck Energiewende” sehr erfreulich. Im Vorjahr wurde die weltweite Kapazität der Erneuerbaren Energien um 133 GW ausgebaut. Das entspricht 59% der Leistung aller 2014 fertiggestellten Kraftwerke. Seit 2013 werden jährlich mehr erneuerbare Stromerzeugungskapazitäten zugebaut als fossile und nukleare.
Solar und Windkraft
Erstmals wurde im Vorjahr weltweit auch mehr in erneuerbare Energie investiert als in fossile und nukleare zusammengenommen: in Summe (ohne große Wasserkraft-Projekte) 270 Mrd. USD (251 Mrd. Euro); der Großteil (92%) entfiel am Solar- und Windanlagen.
Bereits 436 institutionelle und Tausende private Anleger, die gemeinsam ein Gesamtvolumen von 2,6 Billionen US-Dollar (das sind umgerechnet rund 2,4 Bio. Euro) repräsentieren, haben sich laut einer Analyse von Arabella Advisors bis September diesen Jahres dazu bekannt, sich aus den fossilen Energien zurückziehen zu wollen; das sind 50-mal mehr als im Jahr davor.
Das Volumen der erneuerbaren Energie-Investments liegt derzeit laut Bloomberg bei 260 Mrd. Dollar (242 Mrd. Euro) jährlich und wird, so die Prognosen, in den nächsten zehn Jahren auf 20,8 Billionen US-Dollar (20,3 Billionen Euro) ansteigen.
Vor allem China, bisher für seine Rolle als weltgrößter CO2-Emittent bekannt und in der Kritik der Klimaschützer, ist gleichzeitig beim Ausbau der Erneuerbaren Energien besonders aktiv.
Mit einer installierten Leistung von 115,3 GW zählt das Reich der Mitte bereits zu den internationalen Spitzenreitern in der Nutzung der Windkraft.
China als Musterschüler
Seit 2011 hat China seine jährlichen Investitionen in saubere Energie verdoppelt. Laut der aktuellen Daten von Bloomberg New Energy Finance hat sich China die Energiewende allein in den vergangenen zwölf Monaten rund 86 Mrd US-Dollar bzw. 80 Mrd. Euro) kosten lassen.
Auch die USA machen deutlich mehr Geld als früher für die umweltfreundliche Energieerzeugung locker – innerhalb der letzten zwölf Monate beliefen sich die Ausgaben auf 43,4 Mrd. USD (40.4 Mrd. Euro).
Im gleichen Zeitraum hat allerdings Europa (früher ein Vorreiter in Sachen Erneuerbare Energien) seine Ausgaben in diesem Sektor auf 46 Mrd. USD bzw. 42,8 Mrd. Euro mehr als halbiert. Damit setzt sich der Trend der letzten Jahre fort (siehe Grafik), und Europa hat mittlerweile seine klare Führungsrolle beim Zubau Erneuerbarer Energien eingebüßt.
„Der internationale Wettbewerb verschärft sich. Die größten Treibhausgas-Emittenten wie China und USA werden zu Impulsgebern der Energiewende. Mehr denn je gilt es heute für Europa und auch Österreich, sich stark zu positionieren. um den Anschluss nicht zu verlieren”, mahnt Ingmar Höbarth, Geschäftsführer des Klima- und Energiefonds. Und Jurrien Westerhof, Geschäftsführer Erneuerbare Energie, ergänzt: „Österreichs Wirtschaft war stets ein Impulsgeber und Wegbereiter für Erneuerbare Energien. Diese Position gilt es nun auch im globalen Wettbewerb mit rasant wachsenden Märkten wie China oder den USA zu verteidigen. Der Faktencheck zeigt deutlich, dass sich hier enorme Potenziale für die heimische Wirtschaft und den Standort bieten, wenn entschlossen für die Energiewende eingetreten wird.”
Falsche Förderschwerpunkte
Wenig erfreulich ist, so der Bericht unter Bezug auf den IEA World Energy Outlook 2014 auch die Tatsache, dass fossile Energien mit 548 Mrd. US-Dollar (510 Mrd. Euro) deutlich höher subventioniert werden als erneuerbare.
Bei Einbeziehung vieler umweltrelevanter Kosten liegt der Wert fossiler Subventionen nach Berechnungen des IWF (Internationaler Währungsfonds) sogar bei 5.300 Mrd. US-Dollar. (4.934 Mrd. Euro). Würde auch nur ein Teil dieser externen Kosten in den Marktpreis eingerechnet, könnten sich Förderungen für erneuerbare Energie bzw. Energieeffizienz stark reduzieren oder sogar gänzlich erübrigen.
Praktisch zeitgleich mit dem Faktencheck hat Österreichs E-Wirtschaft ihre Strategien für die künftige Energieversorgung präsentiert.
„Das Konzept unter dem Titel ‚Empowering Austria' zielt darauf ab, erkannte Hindernisse zu überwinden und mit neuen Partnerschaften eine selbsttragende Entwicklung zu starten, die uns zu mehr Versorgungssicherheit, energetischer Selbstbestimmung und Partizipation führt”, so Wolfgang Anzengruber, Präsident von Oesterreichs Energie und CEO von Verbund.
Stromverbrauch steigt
Grundlage der Stromstrategie ist ein unabhängig von Effizienzmaßnahmen weiter steigender Stromverbrauch in Österreich. Einerseits, weil Strom in Zukunft andere Energieträger – etwa im Bereich der Mobililät – ersetzen soll und andererseits, weil eine wachsende Wirtschaft und eine wachsende Bevölkerung mehr Strom benötigen.
Anzengruber erläutert: „Während der Energieverbrauch bis 2030 insgesamt sinken muss, damit Österreich die Energie- und Klimaziele erreichen kann, erwarten die von uns zur Strategiebildung verwendeten Studien von EU, IEA und Frontier Economics ein Wachstum des Stromverbrauchs gegenüber 2014 um bis zu 18%”
Derzeit hat Strom am gesamten Energetischen Endverbrauch einen Anteil von 20%, bis 2030 könnte dieser auf 33% steigen. Betrachtet man Strom- und Wärmeaufbringung zusammen, ergibt das einen Mehrbedarf von bis zu 14 Terawattstunden (1 TWh =1 Mrd. Kilowattstunden) Strom bis 2030.
Weniger Importe
Der Mehrbedarf soll durch einen Ausbau der heimischen Stromproduktion um rund 20 TWh erfolgen, wobei jeweils ein Drittel auf Photovoltaik, Wind und Wasserkraft entfallen; gleichzeitig sollen dadurch auch die Stromimporte, die aktuell bei rund 9 TWh liegen, weiter gesenkt werden.
Die erhöhte inländische Stromerzeugung verbessert zusätzlich die Versorgungssicherheit, sichert die Wertschöpfung im Land, erhöht den Anteils erneuerbarer Energien an der Stromerzeugung auf bis zu 85% und reduziert die CO2-Emissionen um bis zu 16 Mio. Tonnen.
Vorgesehen ist in der Stromstrategie auch ein Ausbau der Pumpspeicherkapazität um 3.500 Megawatt (MW).
Strom Marke Eigenbau
Ein weiterer Eckpunkt der Stromstrategie liegt in der Flexibilisierung des Markts. Anzengruber dazu: „Kunden wird es durch neue Marktregeln und Produkte ermöglicht, aktiv am Strommarkt teilzunehmen, um ihren Energiebedarf zu optimieren; sie leisten damit gleichzeitig einen wichtigen Beitrag für die Systemsicherheit.”
Etwa indem sie sich aktiv am Ausbau der Erneuerbaren Energien beteiligen. Und das entspricht, wie eine aktuelle Umfrage von Deloitte zeigt, dem Wunsch der meisten Österreicher. Denn immerhin 75% wollen bis 2020 selbst Strom produzieren.
Durchaus realistisch sei, so Anzengruber, dass der Photovoltaik-Ausbau zur Hälfte vonseiten der Kunden erfolgen könnte, bei der Windkraft vor allem über Beteiligungsmodelle und Konsortien.
Weniger Steuern
Wichtig für die Stromstrategie sei allerdings eine Umstellung des Systems für Steuern und Abgaben, damit Investitionen in erneuerbare Energien gegenüber der ausländischen Konkurrenz an Wettbewerbsfähigkeit gewinnen, ohne dass Strom für die Kunden teurer wird oder neue Förderungen benötigt werden.
„Es hat keinen Sinn, Strom auf der einen Seite hoch zu besteuern und zu belasten, um ihn auf der anderen Seite wieder hoch fördern zu müssen. Nur wenn sich alle Marktteilnehmer auf Augenhöhe bewegen, können wir Strom aus erneuerbaren Ressourcen voll zu Wirkung bringen”, betont Anzengruber.
Mehr Förderungen sei allerdings im Bereich Forschung und Entwicklung notwendig.
Das Investitionsvolumen für die Stromstrategie wird mit rund 50 Mrd. Euro bis 2030 beziffert, davon rund 35 Mrd. Euro für Netze und 15 Mrd. Euro für die Erzeugung.